Schwerste Rezession seit dem Krieg
In ihrer Frühjahrsprognose rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um mehr als sechs Prozent. Das gab es in der bundesdeutschen Geschichte noch nicht. Erst 2021 soll es wieder aufwärts gehen.
BERLIN (jd/dpa) Die große Koalition rechnet wegen der Corona-Pandemie in diesem Jahr mit dem größten Einbruch des Wirtschaftswachstums seit Gründung der Bundesrepublik. In der Frühjahrsprognose, die am Mittwoch vorgestellt werden soll, gehe die Bundesregierung davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 um 6,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr schrumpfen wird, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“.
Dem Bericht zufolge soll der tiefste Punkt des Einbruchs bereits erreicht sein. Die Gutachter gehen demnach davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum im Mai auf niedrigem Niveau stabilisiert und im zweiten Halbjahr wieder deutlich anzieht. 2021 soll es dann wieder bergauf gehen. Die Verluste könnten aber nicht komplett aufgeholt werden, hieß es. Trotz eines riesigen Rettungspakets werden größere Pleitewellen und drei Millionen Arbeitslose erwartet. Auch die Steuereinnahmen dürften deutlich zurückgehen: Bislang rechnet die Regierung mit einem Steuerminus von rund 82 Milliarden Euro und maximal 356 Milliarden Euro an neuen Schulden.
Aus Regierungskreisen hieß es am Montag, die Zahlen würden in etwa der Prognose entsprechen. Diese könne sich bis Mittwoch, wenn sie offiziell von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorgestellt werden soll, noch leicht ändern. Als wahrscheinlich gilt ein Rückgang zwischen sechs und sieben Prozent. Damit wäre die Voraussage der Regierung weitaus pessimistischer als die des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Das Gremium der sogenannten Wirtschaftsweisen hatte in seinem am 30. März vorgelegten Sondergutachten drei
Szenarien aufgestellt und den Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,8 bis 5,4 Prozent prognostiziert, je nach Dauer und Ausmaß der Corona-bedingten Einschränkungen. Der Vorsitzende des Rates, Lars Feld, hatte jedoch in der Zwischenzeit bereits eine Revision der Wachstumsprognose angekündigt. „Wir haben im März für Deutschland ein Minus von 2,8 Prozent bei der Wirtschaftsleistung erwartet“, sagte Feld jüngst der Wochenzeitung „Die Zeit“. Damals sei das Gremium davon ausgegangen, dass der Stillstand fünf Wochen anhält und die Wirtschaft dann in einem Zeitraum von drei Wochen wieder hochgefahren wird. „Diese Einschätzung lässt sich nicht halten“, sagte Feld. Er rechne nun eher mit einem Rückgang von 5,5 Prozent – „und selbst das ist noch optimistisch“, sagte der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen weiter. Deutschland mache als Exportnation eher die Schwäche der Auslandsmärkte zu schaffen.
Noch etwas pessimistischer als die Bundesregierung ist der Internationale Währungsfonds (IWF). In seinem kürzlich vorgestellten halbjährlichen Ausblick prognostizierte die in Washington ansässige Organisation, dass die deutsche Konjunktur im Jahr 2020 um sieben Prozent schrumpfen könnte.
Wie massiv ein solcher Rückgang wäre, zeigt der Vergleich mit den Folgen der Finanzkrise im Jahr 2009. Damals rutschte das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorjahr um etwa 5,7 Prozent ab. 2010 ging es dann um 4,2 Prozent nach oben, wie aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. In keinem der darauffolgenden Jahre gab es danach einen Rückgang der Wirtschaftsleistung.
Aus Regierungskreisen hieß es jetzt, man halte die eigenen Zahlen für realistisch, auch wenn die Lage sehr schwer einzuschätzen sei. Für den stellvertretenden Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Bundestag, Michael Theurer, beruht die Prognose jedoch eher noch auf optimistischen Annahmen. „Das Durcheinanderwirbeln des Wirtschaftskreislaufs könnte kolossale Kollateralschäden nach sich ziehen“, warnte er. Es räche sich, dass die Bundesregierung zögerlich und inkonsequent auf die Corona-Krise reagiert habe, sagte der FDP-Politiker.