Der Machtkampf um Lufthansa
Die größte deutsche Fluggesellschaft hofft auf bis zu zehn Milliarden Euro Staatshilfe. SPD, Grüne und Gewerkschaften wollen dann auch Mitsprache des Bundes, die Airline droht mit einer Radikalkur.
FRANKFURT/BERLIN Die Krise der Lufthansa spitzt sich zu. Der Betrieb wurde zu 99 Prozent eingestellt, das Unternehmen ringt mit der Politik darum, wie die Bundesregierung helfen kann, das Überleben zu sichern. Es geht um eine Finanzspritze von bis zu zehn Milliarden Euro.
Verstaatlicher SPD und Grüne und das von Olaf Scholz (SPD) geführte Bundesfinanzministerium drängen darauf, dass der Bund sich mit einem großen Teil des Geldes direkt am früheren Staatskonzern beteiligt. Ihr verständliches Argument: Wenn der Staat ins Risiko geht, soll er mitreden können. Im Gespräch ist, dass der Bund über eine Sperrminorität von 25 Prozent verfügen könnte und mindestens zwei Aufsichtsratssitze hätte. Die Gewerkschaften Verdi, Ufo (Kabinenpersonal) und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit stehen hinter dem Ziel starker Mitspracherechte, weil sie auf diesem Weg Job-Garantien durchsetzen wollen. Der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, könnte dann darauf hin wirken, dass die Lufthansa darauf verzichtet, den teuren Ableger Germanwings in Mützenichs Heimatort Köln zu schließen.
Unabhängigkeitsfan Lufthansa-Chef Carsten Spohr will verhindern, dass der Staat die Führung des Konzerns direkt oder indirekt übernimmt. Er lässt als Drohszenario prüfen, ob Lufthansa ein Schutzschirmverfahren beantragt. Damit könnte sich der Konzern womöglich von Lasten wie teuren Pensionsverpflichtungen, Flugzeugbestellungen oder Wartungsverträgen befreien. Spohr sagte der „Zeit“: „Wenn Lufthansa auch künftig erfolgreich sein soll, muss sie weiterhin ihr Schicksal unternehmerisch gestalten können.“Dem Manager graut davor, dass der Konzern runtergewirtschaftet wie die italienische Alitalia, die durch zu großen Gewerkschaftseinfluss seit Jahren nur noch mit Staatshilfe überleben kann. Außerdem hätte er das Problem, dass
Staatshilfen zu einem Gezerre mehrerer Staaten führen könnten, weil er auch die Schweiz, Österreich und Belgien um Unterstützung für die dortigen Konzernableger wie Swiss und Austrian gebeten hat.
Marktwirtschaftler CDU/CSU und das Bundeswirtschaftsministerium wollen Lufthansa zwar auch retten, doch der Einfluss soll gering bleiben.„Der Staat sollte nicht hineinregieren. Deshalb wäre eine stille Beteiligung des Bundes einem echten Anteilserwerb vorzuziehen“, sagt der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Eine stille Beteiligung wäre hinterher auch einfacher zu veräußern. Bei einer echten Staatsbeteiligung wird es dagegen immer wieder Gründe geben, warum man die Anteile gerade nicht verkaufen kann. Das zeigt das Beispiel Commerzbank.“Er ergänzt: „Wir müssen verhindern, dass ein anderer Investor aus dem Ausland die Situation ausnützt und seinen Einfluss ausübt.“Er ergänzt: „Die Piloten sollten auch selbst etwas zur Rettung der Lufthansa beitragen, indem sie auf einen Teil ihrer hohen Gehälter verzichten.“
Verbraucherschützer Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, unterstützt, dass Airlines gerettet werden, damit das Angebot vielfältig bleibt. Aber es dürfe nicht passieren, dass Kunden für bezahlte Tickets ausschließlich Gutscheine bekämen: „So richtig Staatshilfen für Airlines sind, so falsch sind Zwangsgutscheine.“Der Flugmarkt sei nahezu zum Erliegen gekommen. „Deshalb können Fluggesellschaften zwar keine Tickets verkaufen, aber es entstehen ihnen auch weniger Kosten“, sagt Müller. Den Flugunternehmen stünden vielfältige Unterstützungen des Staates zur Verfügung: Kurzarbeitergeld, Überbrückungskredite, Staatshilfen oder sogar Teilverstaatlichung. „Der vzbv erwartet vom Bundesverkehrsminister ein deutliches Signal, dass Zwangsgutscheine für Flugreisen endgültig vom Tisch sind“, so Müller.