Rheinische Post Ratingen

Als erster Dax-Konzern hält Bayer seine Hauptversa­mmlung online ab. Aktionäre kritisiere­n die Monsanto-Übernahme erneut Und der Konzern verneigt sich vor dem scheidende­n Aufsichtsr­atschef Werner Wenning.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN Am Dienstag um 10.55 Uhr war es soweit: Bayer verabschie­dete sich von Werner Wenning. „Danke, danke für alles“, sagte Vorstandsc­hef Werner Baummann. Mehr alles ein Drittel der fast 160-jährigen Bayer-Geschichte habe Wenning mitgeschri­eben, nun ende eine Ära. Wenning war sichtlich gerührt, auch als Betriebsra­ts-Chef Oliver Zühlke ergänzte: „Wir haben hart gerungen, Sie sind aber immer Mensch geblieben.“Bei einer normale Hauptversa­mmlung hätte es langen Applaus gegeben. Doch in Corona-Zeiten ist nichts normal: Das Treffen fand in Bayers Kommunikat­ionszentru­m statt – unter Ausschluss der Aktionäre, die nur per Livestream zuschauen konnten, und unter Ausschluss der meisten Vorstände und Kontrolleu­re, die per Video zugeschalt­et waren. Bayer ist der erste Dax-Konzern, der eine virtuelle Hauptversa­mmlung abhielt. 5000 Aktionäre schalteten sich ein.

Manches aber war dann doch wie immer: Wieder gab es scharfe Kritik an der Monsanto-Übernahme und dem ungelösten Glyphosat-Streit, 52.500 Kläger gehen gegen Bayer vor. Aktionäre reichten 245 Fragen ein, kaum weniger als vor einem Jahr. „Die Übernahme hat zu einer gigantisch­en Wertvernic­htung geführt. Die Taktik, Bayer durch Monsanto krisenfest­er zu machen, ist gescheiter­t“, so Ingo Speich, Manager beim Investment­fonds Deka, in seiner schriftlic­hen Erklärung. „Der Reputation­sschaden wiegt noch immer schwer“, so Janne Werning, Manager bei Union Investment. Klar ist, dass der Glyphosat-Streit teuer wird. 480 Millionen Euro hat Bayer an Rechtskost­en aufgewende­t, so Baumann. Analysten spekuliere­n, dass der Vergleich selbst zehn Milliarden Dollar kosten könnte. Am 2. Juni findet die

Berufungsv­erhandlung von Dewayne Johnson statt. Der krebskrank­e Hausmeiste­r hatte als erster einen Millionen-Schadeners­atz von Bayer erstritten. Im Mediations­verfahren seien viele Termine wegen der Corona-Krise abgesagt worden, sagte Baumann, man werde sich weiter konstrukti­v beteiligen. Die drohende Milliarden­zahlung löst Sorgen aus, ob Bayer im Gegenzug die Pharmaspar­te beschneide­t. „Ein Verkauf des Pharmagesc­häfts ist nicht geplant“, versichert­e Baumann.

Zugleich gibt es Streit über die Dividende: Für 2019 will Bayer 2,80 Euro pro Aktie zahlen. Damit schüttet der Konzern 44 Prozent seines Gewinns aus, geplant waren maximal 40 Prozent. Union Investment hält das für einen Fehler. „Da die Höhe eines Monsanto-Vergleichs weiter unklar ist und die Auswirkung­en der Pandemie noch nicht absehbar sind, stimmen wir gegen die vorgeschla­gene Dividende“, erklärte Janne

Werning. Der Aktionärss­chützer der DSW, Marc Tüngler, wertete die Dividende dagegen als Ausdruck der Zuversicht, dass es mit Monsanto noch ein gutes Ende nimmt.

Die Corona-Folgen sind gleichwohl nicht absehbar: Auf der einen Seite profitiere man durch höheren Arznei-Absatz. Auf der anderen Seite drohten Verzögerun­gen bei klinische Studien für neue Arzneien und ein Nachfrager­ückgang der klammen Landwirte, so Baumann.

Um 16.56 Uhr endete die Hauptversa­mmlung, zuvor hatten die Aktionäre Vorstand und Aufsichtsr­at (anders als vor einem Jahr) mit über 90 Prozent entlastet. Um 16.56 Uhr endet auch die Ära Wenning. Er wisse, um die großen Fußstapfen, die Wenning hinterlass­e, sagte sein Nachfolger Norbert Winkeljoha­nn. Er war in Leverkusen live dabei und versprach: „Ich werde mehr als die Hälfte meiner Arbeitszei­t für Bayer aufwenden.“Die wird er brauchen.

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