„Kinder wieder ins Leben lassen“
Bei vielen Eltern liegen die Nerven blank. Einige demonstrierten am Dienstag.
Einen Mundschutz zu tragen, könnte für Kleinkinder dagegen gefährlich sein. Ihr Lungenvolumen hat sich noch nicht ausreichend ausgebildet. Deshalb wird darauf verzichtet. Auch das regelmäßige Händewaschen wird zwar fleißig eingeübt, bleibt bei den unter Fünfjährigen jedoch meist nur im Kurzzeitgedächtnis hängen.
Körperliche Nähe ist kaum zu vermeiden. Das wird deutlich, als sich nach sechs Wochen Trennung Charlotte (5), Mara (5) und Paula (4) an diesem Tag wiedersehen. Die Augen glänzen. „Ich habe das Spielen und das Trampolinspringen vermisst“, sagt Charlotte, für die der schöne Außenbereich ein toller und lange entbehrter Ersatz für den nach wie vor verbotenen Spielplatz-Besuch darstellt.
Unsicherheiten gibt es aber nicht nur bei den Eltern, auch viele Erzieherinnen machen sich Gedanken. Trotz aller Freude über das Wiedersehen merkt Kirsten Kau an: „Wir sind hier nicht wirklich geschützt. Wenn sich ein Kind bei mir ankuscheln will, kann ich doch nicht einfach Nein sagen. Kinder brauchen die Nähe“, sagt sie. Andersherum ist die Lage bei den ganz Kleinen. Bei denen, die sich gerade erst an die Kita gewöhnt haben, ist die aufgebaute Beziehung häufig schon wieder verloren gegangen. „Da starten wir wieder bei Null”, sagt die Erzieherin.
DÜSSELDORF Der Unmut von Eltern wächst. Zu lange schon dauert der Lockdown mit Flatterband an allen Spiel- und Bolzplätzen, abgesagten Freizeitaktivitäten sowie (überwiegend) geschlossenen Kitas und Schulen sowie strengen Kontaktverboten zu Freunden und Großeltern. „Wir müssen aufpassen, dass die Kinder nicht auf der Strecke bleiben, weil sie die letzten sind, die nach wie vor mit großer Konsequenz als Gefährder behandelt werden“, sagt Nele Flüchter. Die 38-Jährige arbeitet als Pädagogin, hat eine Tochter (4) und einen Sohn (8). Genau wie ihr Mann arbeitet sie meist im Home Office. Doch das kann sich bald ändern. Dann muss sie wieder Präsenz im Job zeigen. Ohne Betreuung wird das schwierig. Die Familie lebt in Grafenberg in einer Etagenwohnung mit Balkon, aber ohne Garten. „Zu Beginn gab es bei allem Stress noch eine Reihe von schönen Momenten, aber inzwischen haben meine Kinder oft keine Lust mehr rauszugehen, weil sich alles längst wiederholt.“
So wie Flüchter geht es immer mehr Müttern und Vätern. Deshalb hat sie sich mit anderen dem Bündnis #ElterninderKrise angeschlossen und am Dienstag auf die Landtagswiese gestellt, um zusammen mit 25 zugelassenen Teilnehmern zu demonstrieren. Für ein Recht auf gute Bildung auch in Krisenzeiten, für einen wachen Blick auf jene, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen und nun aus dem Fokus geraten, für eine den Risiken angepasste Öffnung von Spielplätzen, Schulen und Kitas. „Warum sollen nicht Ehrenamtler als freiwillige
Ordner die Abläufe auf einem Spielplatz koordinieren?“, fragt Flüchter und verweist auf ähnliche Pläne der Kirchen für die Gottesdienste.
Die Kritik der Demonstranten teilen die Interessenverterter der Düsseldorer Kita-Eltern. „Kinder werden zu sehr als Virusträger wahr genommen, ihre Wünsche, Bedürfnisse, all das, was sie stark macht, gerät zu sehr aus dem Blick. Und in den politischen Beratergremien fehlen Experten für Kinder- und Jugendliche“, sagt Marcel Scherrer.