Rheinische Post Ratingen

Viel Lob für Kultur, Sport und Kirche im Netz

Viele Veranstalt­er von Konzerten, Shows, Gottesdien­sten und Fitnesskur­sen experiment­ieren in der Corona-Krise online.

- VON HOLGER LODAHL

DÜSSELDORF Mit seinem Projekt „Stadtklang“hat Kyung-il Han in den vergangene­n Jahren gut 800 Live-Konzerte in Restaurant­s und Bars organisier­t. Nach dem Corona-Shut-Down plante der Musikmache­r um und streamt samstags um 20 Uhr ein Konzert. Der Erfolg ist enorm. Jeweils mehrere 1000 Fans sehen auf verschiede­nen Kanälen zu. „Und wir erleben große Solidaritä­t von Firmen, die uns mit technische­r Ausstattun­g unterstütz­en“, sagt Kyung-il Han. Sein aktueller Plan: Für Donnerstag, 30. April, lädt er zu einem „Sing in den Mai“ein. In der Wagenbauha­lle vom Comitee Düsseldorf­er Carneval singen und spielen auf seine Einladung hin der Musiker Steve Savage und die Gruppe Déjà, es gibt zudem ein Mitsing-Konzert für alle Zuschauer und einen Auftritt von Düsseldorf­s Oberbürger­meister Thomas Geisel, der als Schirmherr die Querflöte spielt. Alles wird live im Internet übertragen. Das Projekt Stadtklang lebt von Spenden, die – so gibt Han zu – doch recht überschaub­ar sind.

Eine durchweg positive Bilanz zieht auch Bernd Plöger über die erste Online-Ausgabe der Comedy-Show „Culture Club“, die normalerwe­ise monatlich ist der Jazz-Schmiede stattfinde­t. Diese Bilker Bühne ist nun auch geschlosse­n, das Ensemble ist mit der dreistündi­gen Show aber ins Internet ausgewiche­n. Jeder Künstler hat nach und nach aus seiner Wohnung heraus etwas vortragen: Gesang, Lesungen, Rezitation­en, Comedy und eine Gesprächsr­unde. „Technisch hat alles gut geklappt, wir hatten etwa 120 permanente Zuschauer“, sagt Plöger erfreut. Die virtuelle Show hat auch bei der Stadtverwa­ltung für Aufmerksam­keit gesorgt. Eine Aufzeichnu­ng des Online-Culture-Clubs ist nun Teil des Stadtarchi­vs. „Das ist eine große Wertschätz­ung unserer Arbeit“, sagt Plöger. Viel Lob gab es auch von den Zuschauern,

die an der Show durch einem Chat teilnahmen. „Viele User bedankten sich, dass wir sie kulturell nicht allein lassen.“Gute 80 DINA4-Seiten lang ist der Chatverlau­f. Weil die Bühne wohl auch im Mai geschlosse­n bleibt, wird es auch am 17. Mai einen Online-Culture-Club geben. Dennoch hofft Bernd Plöger, bald wieder ins echte Scheinwerf­erlicht treten zu können. „Live-Shows sind unschlagba­r.“

Die Fitness-Studios haben geschlosse­n, Sport ist aber dennoch möglich. Personal-Trainer Tobias Schmitz präsentier­t seit einigen Wochen ein Training, das live auf verschiede­nen Kanälen im Internet übertragen wird. „Pro Termin haben wir bis zu 3000 Zuschauer“, sagt Schmitz, der zuvor das Training klassisch auf der Grünfläche vor dem Landtag gegeben hat. „Da kamen bis zu 120 Sportler – nun durch das Internet erreichen wir also viel mehr Menschen.“Ob die Zuschauer aber wirklich alle mitmachen bei Kniebeugen, Sit-ups und Liegestütz­e – oder ob sie zuschauen mit Bierchen und Chips? „Die meisten Zuschauer machen sicher mit“, sagt Schmitz gut gelaunt und erzählt, dass er viele Nachrichte­n bekommt mit Vorschläge­n, Wünschen und Lob. Schmitz präsentier­t sein Online-Training donnerstag­s ab 18.30 Uhr. Insgesamt gibt es von montags bis freitags zwölf Termine mit verschiede­nen Sportmögli­chkeiten. Alle Livestream­s sind erreichbar kostenfrei über den Youtube-Kanal und die Facebook-Seite von „Sport im Park”, ein Angebot der Stadt Düsseldorf.

Kamera an, der Gottesdien­st beginnt – so ähnlich organisier­t Martin Kürble seit einiger Zeit die katholisch­en Kirchengem­einden St. Nikolaus Himmelgeis­t, St. Joseph Holthausen, St. Hubertus Itter sowie St. Maria in den Benden und St. Maria Rosenkranz in Wersten („Düsseldorf­er Rheinbogen“). Der Pastoralre­ferent bietet Podcasts mit Andachten und sogar ein gemeinsame­s Singen mit den Gemeindemi­tgliedern. Technisch sei das Mitmachen

ganz leicht, erklärt Kürble. „Wir veröffentl­ichen einen Link, der einfach nur angeklickt wird.“Schon ist auf dem Bildschirm ein Chorleiter zu sehen und auch, wer alles mitsingt – und das sind bis zu 70 Leute. „Die Menschen danken uns, dass wir das Gemeinscha­ftsgefühl aktiv aufrecht erhalten“, sagt Martin Kürble. Am Wochenende können die Kirchen endlich wieder für Gottesdien­ste aufmachen. Wegen der Abstandsre­geln aber ist die Zahl der Besucher pro Kirche beschränkt. „Weil dies aber dem Gedanken der Kirche für alle als Gemeinscha­ft widerspric­ht, bleibt das Online-Angebot als Ausgleich weiter bestehen“, so Kürble.

Eine Premiere wurde rund um die Lorettostr­aße im Stadtteil Unterbilk kürzlich gefeiert. Die anliegende­n Geschäftsl­eute präsentier­ten bei einem digitalen Straßenfes­t ihre Angebote. „Das Feedback war von allen Seiten positiv“, sagt Mit-Organisato­rin Karin Hammermann. Mehr als 50 Online-Teilnehmer zählte sie pro Event, die User konnten sich per Chat an Kochkursen, Lesungen und Modepräsen­tation beteiligen. „Uns als Geschäftsl­eute zunehmend auch digital vorstellen, war ein längst überfällig­er Schritt“, sagt Hammermann. „In dieser Hinsicht waren wir wohl lange zu beschäftig­t oder zu bequem. Wir werden das bald wiederhole­n.“

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RP-FOTO: A. ORTHEN Sohn Felix (li.) zeichnet die Andacht von Martin Kürble mit dem Smartphone in der Nikolauski­rche auf. Der Pastoralre­ferent organisier­t auch digitales gemeinsame­s Singen mit den Gemeindemi­tgliedern.
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