Shopping-Geheimtipp Flughafen
Masken, Hefe, Klopapier: Auch wenn der Betrieb am Flughafen fast ruht, gibt’s dort noch viel zu kaufen.
DÜSSELDORF Zwei Tauben flattern durch die lichtdurchflutete Halle und landen auf dem Boden. Niemand hält sie auf, niemand verscheucht sie. Das wäre nicht so verwunderlich, wenn es sich hier nicht um die Ankunftshalle des Düsseldorfer Flughafens handeln würde. Es ist Mittwochvormittag. Noch vor sechs Wochen wären bis zu 60.000 Menschen durch diese Flure geeilt. Heute zieht keiner seinen Koffer in hektischen Schritten zum Check-in. Niemand guckt nervös auf die Uhr und redet dabei zu laut in sein Handy. Keiner kämpft damit, den Boarding-Pass so auf den Scanner zu legen, dass sich die Türen zum Sicherheitsbereich öffnen. Alles, was von den Massen geblieben ist, sind die Krümel, die die Tauben aus den Ritzen zwischen den Fliesen picken.
Seit die Corona-Pandemie fast den gesamten Flugverkehr lahm gelegt hat, ist auch am Flughafen alles anders. 2300 Mitarbeiter wurden in Kurzarbeit geschickt, 90 Flugzeuge stehen wie schlafend auf dem Rollfeld. Der Flughafen ist vermutlich der stillste Ort Düsseldorfs geworden, weil außer dem dumpfen Rauschen der Klimaanlage nichts mehr zu hören ist, obwohl so viel mehr zu hören sein sollte.
Die Sicherheitsbereiche B und C wurden geschlossen. Einzig am Terminal A können Reisende den Weg zum Flieger antreten. Das tut nur niemand. Statt dem Klappern von Koffern und Gürteln sind Gesprächsfetzen der Sicherheitsmitarbeiter zu hören. Es geht um Corona, natürlich. Sie lehnen gegen die Röntgenmaschinen, wippen mit den Beinen, immer zwei Kontrolleure an einem Sicherheitscheck. Sie werden den ganzen Tag hier stehen.
Auf der anderen Seite der Halle am Turkish-Airways-Schalter bildet sich plötzlich eine Warteschlange. Ein Meter Abstand, manche mit Mundschutz, und alle haben ein Blatt Papier in der Hand. „Es gibt nur eine begrenzte Anzahl Sitze in dem Rückhol-Flieger nach Ankara am Donnerstag”, sagt eine Studentin (26) aus der Türkei. „Aber ich will unbedingt wieder nach Hause.” Seit einem Jahr studiert sie in Deutschland. Jetzt geht es nicht mehr. Wegen der Corona-Krise kann sie neben dem Studium nicht mehr arbeiten. Aber wegen der Ansteckungsgefahr macht ihr die Enge im Flieger Sorgen, und die 14-tägige Quarantäne, die sie in der Türkei erwartet: „Aber immerhin bin ich dann bei meiner Familie.“
Auf den vielen Sitzplätzen in der Abflughalle hocken einige Menschen wie Tupfen verteilt. Sie sehen aus, als würden sie auf einen Flieger warten. Vier sollen über den Tag laut Anzeige auch wirklich starten, nach London, Amsterdam, Wien und München. Eine jüngere Frau, dunkelblondes Haar, braune Jacke, Jeans, sitzt hier mit einem Trolley. Ob sie heute noch einen Flieger nehmen will? „Ich? Nein”, sagt sie. Ein paar Sitze weiter ein älterer Mann mit silbernem Haar und Handy in der Hand. Fliegen? Nein, er nicht. Wer in diesen Tagen zum Flughafen kommt, tut das meist, um zu bleiben, scheint es. Es sind vor allem Wohnungslose, die hier ein ruhiges und warmes Plätzchen finden. „Aber die Stille ist total unheimlich”, sagt eine 70-Jährige mit Hut, buntem Schal und drei kleinen Koffern, die häufiger hier ist. „Man hat die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas nicht stimmt.”
Der Weg hinter die Check-inSchalter führt auf die Shoppingmeile des Flughafens. Es ist das Zentrum der Geisterstadt. Kleider in Weiß, Orange und Gelb liegen ordentlich gefaltet in dunklen verschlossenen Läden. An den kleinen Bars in der Mitte der Meile fehlen die Stühle, die
Tresen sind kahl. Augen von Stofftieren drücken sich durch die Fensterscheiben.
Nur ein Licht trotzt der Endzeitstimmung. Es kommt aus der Apotheke. Eines von drei Geschäften, die systemrelevant sind und deshalb nie geschlossen hatten. Alle anderen Läden dürften zwar seit dem 20. April wieder öffnen, tun es aber nicht. Für wen auch? „Das ist schon gespenstisch. Im Moment ist es tagsüber ruhiger als an einem normalen Arbeitstag nach 20 Uhr”, sagt Stephan Schreiner, Besitzer der metropolitan pharmacy. An manchen Tagen hat er Kundschaft im zweistelligen Bereich. Fast alle arbeiten am Flughafen. Langweilig wird es trotzdem nicht.
„Seit Wochen produzieren wir hier jeden Tag tausende Liter Desinfektionsmittel für Oberflächen und Hände”, sagt Schreiner. Wir beliefern damit Arztpraxen, Pflegeheime und Krankenhäuser und verkaufen es natürlich auch.” Während in Düsseldorf die Hygieneartikel ausgingen, waren die Lager der Flughafen Apotheke voll – und sind es noch. Das gleiche gilt für Atemschutzmasken. „Als das mit Corona losging, musste ich mich darauf einstellen, dass spätestens zu Ostern rund 300 Kunden pro Tag auf dem Weg zum Flieger Schutzartikel kaufen wollen. Also habe ich schon vor Wochen Großbestellungen aufgegeben und zwar für den Rest des Jahres”, sagt Schreiner. Doch der Ansturm kam nie, weil der Flugverkehr eingestellt wurde. Wer den Weg aus der Innenstadt hierher findet, kann sich deshalb nicht nur aussuchen, ob er eine Einweg-OP-Maske oder eine Mehrwegmaske mit Filterwirkung kaufen möchte, sondern auch wie viele.
Unten auf der Ebene 0, wo die Flieger ankommen, befinden sich die anderen beiden Geschäfte, die nicht schließen mussten. Ein Bäcker und daneben der Rewe-Supermarkt. Beim Bäcker holen sich Mitarbeiter Kaffee und einen Happen für die Pause. In den Supermarkt dagegen geht niemand. „Wir haben zwischen 8 und 12 Uhr gerade mal 200 Euro eingenommen”, sagt eine Mitarbeiterin. „Ganz unangenehm ist diese Ruhe.” Dabei sieht man sofort, dass die Flure zwar leer sind, aber die Regale voll. Nudeln, Reis, Fertigprodukte, hier fehlt es an nichts. „Das war bei uns die ganze Zeit so”, sagt die Verkäuferin. Ein Blick in das alles entscheidende Regal gibt ihr Recht: Ordentlich aufgereiht ist Klopapier zu sehen. „Und Hefe”, sagt sie. „Die haben wir auch.”