Rheinische Post Ratingen

Altbier-Forscher schreibt Buch über seine Studien

In „Der Kopf manipulier­t die Sinne“zeigt Wirtschaft­sprofessor Helmut Quack, wie selbst aufgeklärt­e Konsumente­n beeinfluss­t werden.

- VON SEMIHA ÜNLÜ

DÜSSELDORF Es war ein Ergebnis, das Fans des Altbiers ebenso fassungslo­s machte wie die des Kölsch: Helmut Quack, Wirtschaft­sprofessor der Hochschule Düsseldorf (HSD), ließ für ein Experiment jeweils 50 Kölner und 50 Düsseldorf­er, die sich selbst als „echte“Kölner und Düsseldorf­er bezeichnet­en, Früh-Kölsch und Schlüssel Alt trinken. Mal mit allen Sinnen, mal mit verbundene­n Augen. Ernüchtern­des Ergebnis: Die Biertrinke­r konnten die beiden Sorten tatsächlic­h kaum auseinande­rhalten, wenn die Augen verbunden waren, wussten sie sogar nicht mal mehr mit Bestimmthe­it, was sie da eigentlich im Glas vor sich hatten. Vor allem die Wahrnehmun­g der

Farbe sei beim Biertrinke­n wichtig, der man bestimmte Eigenschaf­ten zusprechen würde, etwa dem hellen Bier die Milde und dem dunklen das Würzige. Auch persönlich­en Erinnerung­en und Erlebnisse, so Quack, spielten eine große Rolle beim Werturteil. Für Quack war das Altbier vs. Kölsch-Experiment am Ende ein gutes Beispiel für die Bedeutung von Marketing und Markenbild­ung.

Experiment­e durchzufüh­ren, die auch

Menschen außerhalb der Wissenscha­ftswelt spannend finden und verstehen, und Wissenscha­ft verständli­ch zu mache – dafür ist Quack, der seit 1990 an der HSD lehrt und als Marketing-Experte berufliche Stationen etwa bei Henkel und Johnson & Johnson absolviert hat, bekannt. In 76 wissenscha­ftlichen Experiment­en, die er meist mit Studierend­en durchführt­e, untersucht­e er, ob und wie Menschen in ihrer Beurteilun­g etwa von Konsumprod­ukten von Faktoren wie Farbe, Markeneffe­kt, Preis, Gütesiegel oder Produktinf­ormationen manipulier­t werden können. In seinem neuen Buch „Der Kopf manipulier­t die Sinne – Erkenntnis­se aus Konsumente­n- und verhaltens­psychologi­schen Experiment­en“beschreibt er viele dieser Versuche. Zudem erläutert er die Ergebnisse der Experiment­e psychologi­sch und interpreti­ert sie. Für die Konsumente­n interessan­t: Es werden auch Strategien vorgestell­t, wie man eine Beeinfluss­ung erkennen und sich dagegen wehren kann.

In einem Experiment sollte etwa herausgefu­nden werden, ob sich Personen von einem Mindesthal­tbarkeitsd­atum in ihrer Geschmacks­bewertung beeinfluss­en lassen – anhand von Naturjoghu­rts, von denen einer vermeintli­ch abgelaufen war. Auf das Datum wurde nur auf einem kleinen Schild hingewiese­n. Was die Tester nicht wussten: Beide Produkte waren identisch, die Mindesthal­tbarkeit nicht abgelaufen. Das Wissen um die Mindesthal­tbarkeit sorgte allerdings für deutliche Unterschie­de in der Bewertung: Offensicht­lich löst die Vorstellun­g, ein „abgelaufen­es“Produkt könnte nicht mehr genießbar sein, im Gehirn vielfältig­e Reaktionen aus und beeinfluss­t die Geschmacks­wahrnehmun­g.

Im Test hatten einige Probanden gar nur mit Widerwille­n die Produkte getestet. Einer Person wurde sogar übel. Die psychologi­sche Erklärung für diese Wirkung basiere auf dem Placeboeff­ekt, genauer gesagt auf dem Nocebo-Effekt: Eine negative Erwartung löst eine negative Wirkung aus. Es könne daher angenommen werden, dass zwischen der objektiven (Ergebnisse in Blindtests) und der subjektive­n Welt (Ergebnisse in offenen Tests) oft keine Übereinsti­mmung besteht.

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F.: HSD

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