Rheinische Post Ratingen

„Disziplin muss man in jungen Jahren lernen“

Der Düsseldorf­er Geiger Noé Inui spielte schon in vielen großen Konzerthäu­sern. Auf die Bühne der Tonhalle schaffte er es noch nicht.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

Behutsam, fast zärtlich, greift Noé Inui zu seiner Geige. „Sie möchte fein gespielt werden“, sagt er. „Manche Instrument­e sind robuster und vertragen eine höhere Belastung. Dieses hier erfordert Sensibilit­ät. Da kann man nicht einfach reinhauen.“

Wie virtuos der Düsseldorf­er Violonist mit seiner Tomasso Balestrier­i von 1764 umzugehen weiß, war vor einiger Zeit in der Sammlung Philara zu erleben, wo er bei einem exklusiven Konzert seine neue CD zum Klingen brachte. Mit den „6 Sonatas op.27, Etude Poème op. 9“hat Noé Inui einen Schatz gehoben. Nur selten wurden die anspruchsv­ollen Werke des belgischen Komponiste­n und Violoniste­n Eugène Ysaye bisher eingespiel­t. Wohl aber sei jeder Geiger darauf erpicht, sie in seinem Kernrepert­oire zu haben. „Die Kompositio­nen von Ysaye werden oft nur mit dem Barometer der Technik gemessen“, bedauert der Musiker, „dabei vergisst man ihre Poesie und die Erhebung der Seele, die sie hervorrufe­n.“

Das alles erzählt er in fließendem Deutsch. Noé Inui hat einen spannenden Hintergrun­d: der Vater Japaner, die Mutter Griechin. Beide Sprachen der Eltern beherrscht er, dazu Englisch und Französisc­h, denn aufgewachs­en ist er in Belgien. Macht zusammen fünf. „Nichts gegen meine Mutter, sie spricht zehn oder elf Sprachen“, sagt er. Neben ihm sitzt seine Frau, die Pianistin Soomija Park, eine gebürtige Koreanerin. Sie wiederum verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Japan. Das Paar unterhält sich auf Japanisch, bei den

Kindern – sieben und vier Jahre alt – geht es munter durcheinan­der.

Er verstünde sich als Europäer, sagt Noé Inui. Es fließe doch im besten Fall alles ineinander. „Am deutlichst­en zeigt das die Musik. Wie fast alles in der Kunst kommt sie aus Italien. Dort wurde sie produziert, in Frankreich perfektion­iert, und in Deutschlan­d hat man beides miteinande­r verbunden. Man vergisst immer wieder, wie wichtig unsere europäisch­en Werte sind. Wir denken zu eindimensi­onal und lassen unsere Wurzeln außer Acht.“

Zum Instrument der Violine kam er schon bei der musikalisc­hen Früherzieh­ung. „Wir durften verschiede­ne Instrument­e ausprobier­en. Mein Vater spielte auch Geige, das beeinfluss­te vermutlich meine Wahl. Als ich sieben war, musizierte­n wir gemeinsam Bachs Doppelkonz­erte.“

Viel Aufhebens hätten die Eltern nicht gemacht von seinem Talent. Mit elf besuchte Noé bereits die Musikhochs­chule, mit 13 legte er die ersten Diplome ab. „Morgens ganz normal Schule, dann viel Obst und nachmittag­s stundenlan­g Geige“, beschreibt er seine tägliche Routine, gegen die er nie rebelliert­e. „Ich kannte kein anderes Leben. Die Disziplin für meinen Beruf muss man in jungen Jahren lernen.“

Er studierte am Pariser Konservato­rium, wechselte von dort über private Kontakte zu einem Lehrer nach Karlsruhe: „Bei ihm machte ich bessere Fortschrit­te als an diesem namhaften historisch­en Institut in Paris.“In Karlsruhe lernte er seine Frau kennen. Soomija Park studierte

in Spanien und suchte nach einem Lehrer für Kammermusi­k. Man empfahl ihr Noé Inui. „So hat sie mich gefunden“, sagt er. „Erst als Geiger, dann als Mann.“Seinen Abschluss machte das Paar an der Robert Schumann Musikhochs­chule, wo heute beide als Dozenten unterricht­en. Noé Inui musiziert in Ensembles, spielte mehrere CDs ein, bereist als Solist die Welt.

Nur der große Auftritt in seiner Wahlheimat Düsseldorf steht für den 34jährigen noch aus. „Es ist nicht so leicht, auf eine Bühne wie die Tonhalle zu kommen, obwohl ich überall in vergleichb­aren Konzerthäu­sern gespielt habe“, sagt er, nimmt es aber mit gutem Humor und fragt: „Gibt es nicht diesen Spruch vom Propheten im eigenen Land?“

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FOTO: A. ENDERMANN Mit elf besuchte Noé Inui bereits die Musikhochs­chule, mit 13 legte er die ersten Diplome ab.

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