Rheinische Post Ratingen

Das Duo Quent vermählt Indie-Pop mit elektronis­cher Musik

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Für die Zusammenar­beit von Lars Schmidt und Veit König haben die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus kaum Veränderun­g gebracht: Schmidt ist Sänger der Düsseldorf­er Indiepop-Band Subterfuge und König Musikjourn­alist, Autor von Hörspielen und elektronis­cher Musiker aus Köln. Die Distanz zwischen den beiden Rheinstädt­en überwinden sie seit jeher fast nur per E-Mail: Der Kölner schickt am Computer produziert­e Musik, der Düsseldorf denkt sich Text und Gesangsmel­odien dazu aus, singt sie ein und schickt sie zurück, manchmal spielt er auch noch eine E-Gitarre ein. Auf diese Art ist ein erstaunlic­h stimmiges und eingängige­s Pop-Album entstanden, das so heißt wie das Duo: „Quent“.

Das Spannende an dessen zwölf Stücken ist, dass sie unterschie­dlich sind, aber trotzdem gut zusammen stimmen und eine erkennbare künstleris­che Handschrif­t tragen. Einige sind instrument­al, auf einigen singt Lars Schmidt wie bei Subterfuge auf Englisch, auf anderen auf Deutsch – letztere sind die Höhepunkte des Albums: „Deutscher Gesang war bei Subterfuge ein NoGo“, erinnert er sich, „aber natürlich nehme ich privat auch wahr, was im deutschspr­achigen Popbereich passiert und hatte Lust, mich mal so auszudrück­en. Interessan­t war: Es kamen ganz andere Themen hoch.“

Bei den Texten von Subterfuge, die seit 14 Jahren kein neues Album mehr veröffentl­icht haben, stehen oft persönlich­e Erlebnisse im Vordergrun­d, zum Beispiel Romanzen aus dem kleinen Kosmos einer Privatpers­on. Bei den Texten für Quent hat Lars Schmidt auch gesellscha­ftliche Themen verarbeite­t; er ist assoziativ vorgegange­n, um Stimmungen

einzufange­n. „Ich bin kein Freund von Plattitüde­n oder sehr klaren Aussagen“, sagt er. „Ich mag auch als Hörer Texte, die Raum für eigene Erkenntnis­se lassen.“

So ist ein fantastisc­her Song wie „Rückwärtse­volution“entstanden, der in einer atemlosen Bilder-Reihung zu einem treibenden ElektroPop-Sound eine vergangene Welt auferstehe­n lässt – aber nicht bloß sagt: „Früher war alles besser.“Vielmehr fragt er, was wir vielleicht verloren haben. „In den vergangene­n Jahren ist eine Ego-Kultur entstanden, in der jeder überall der erste sein muss, in der wir uns Dekadenz leisten“, findet Lars Schmidt. „In der Pandemie findet jetzt vielleicht ein Nachdenken statt, weil wir uns sehr auf das Wesentlich­e beschränke­n müssen.“Titel wie „Rückwärtse­volution“

erinnern an den Sound der Band The Notwist, die bei der Vermählung von Indie-Pop und elektronis­cher Musik Pionierarb­eit geleistet hat.

Die erste Single des Quent-Albums „Batteriebe­trieb“klingt nach lupenreine­r Kraftwerk-Hommage – und ein englischsp­rachiges Stück wie „Dancing Girls“könnte auch als Disco-Revival durchgehen. Veit König, der seine Musik bisher auf skurrilen Kassettenl­abels herausbrac­hte und zum Beispiel das nur Eingeweiht­en bekannte Projekt Mikrovolt betreibt, hat erstaunlic­he Pop-Affinität bewiesen – und nur die eingängigs­ten Kompositio­nen für die Quent ausgewählt. „Wir haben das Album schon als unsere Antwort auf ‚ Blue Monday‘ von New Order bezeichnet, weil es so etwas Episches

hat“, sagt Lars Schmidt. Obwohl Quent mit ihrer Arbeitswei­se das Konzept der sozialen Distanz schon seit Jahren leben, nehmen sie andere Verhaltens­normen der Corona-Krise nicht so gern an: „Ich bin nicht so überzeugt von im Internet gestreamte­n Konzerten“, bekennt der Sänger. Deswegen wird es Auftritte wahrschein­lich erst dann wieder geben, wenn sie in der Welt der körperlich­en Präsenz auch möglich sind. In der Zwischenze­it arbeiten die Musiker an weiterem Material, und: „So viele positive Rückmeldun­gen aus so vielen unterschie­dlichen Ecken wie zu ‚Rückwärtsr­evolution‘ hatte ich vielleicht noch nie“, so Lars Schmidt, der aber auch mit Subterfuge an neuem Material arbeitet.

INFO www.quent2020.bandcamp.com

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Das Album „Quent“.

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