Ein 47:47, ein Hut und ein Spiel für Männer
Ohne den Abbruch durch die Corona-Krise hätte an diesem Wochenende in den Handball-Ligen der letzte Spieltag stattgefunden. So wären die Partien gelaufen – vermutlich.
ALDEKERK Exakt 8:47 Minuten sind gespielt, da nimmt Ace Jonovski seine erste Auszeit. Der Trainer der SG Ratingen ist beim Saisonfinale der Handball-Regionalliga beim TV Aldekerk zwar zufrieden mit der Angriffsleistung – 15 Tore sprechen für sich –, aber nicht mit der Abwehr – auch da sprechen 15 Tore für sich. Torwart Nils Thorben Schmidt hat schon seinen ersten Tobsuchtsanfall hinter sich. Die beiden torgefährlichsten Mannschaften der Liga halten, was sie versprechen, bei den Hausherren ist es immer wieder Julian Mumme, der mit abenteuerlichen Würfen trifft, bei den Gästen ist Alexander Oelze einmal mehr der überragende Mann und peilt die Marke von 200 Saisontoren an – mit seinen sieben Treffern in den ersten knapp neun Minuten steht er jetzt bei 198. Es sind ja noch ein paar Minuten zu spielen.
ANGERMUND Als Drittletzter muss der TV Angermund sein Heimspiel gegen den Tabellenzehnten VfB Homberg gewinnen, weil der TSV Aufderhöhe aufgeholt hat und der TVA auf der Zielgeraden noch auf den Abstiegsplatz der Oberliga rutschen kann. Wie so oft haben die Angermunder aber erhebliche Personalsorgen, das Trainerduo Julian Duval und Benny Axning hat schon mal Sportsachen mitgenommen. Das Spiel ist eng, für Homberg geht es zwar um nichts mehr, aber die Gäste wollen gerne nach der Partie in der integrierten Kneipe der Walter-Rettinghausen-Halle feiern – das geht mit einem Sieg natürlich besser. Zur Halbzeit steht es 10:10 – Duval und Axning haben noch nicht selber eingegriffen, machen sich in der Pause aber schon mal warm. Die Kabinenansprache hält Patrik Ranftler in seinem letzten Spiel für den TVA, bevor er zu den Wölfen Nordrhein wechselt. Mit einer Niederlage will er nicht gehen.
RATINGEN Der TV Ratingen steht in der Verbandsliga jenseits von
Gut und Böse, der Kettwiger SV schielt immer noch zur Tabellenspitze, immerhin spielen die beiden punktgleichen Spitzenteams Bergischer HC II und HSG Bergische Panther II direkt gegeneinander. Kettwig braucht einen Sieg und hofft auf ein Unentschieden im Spitzenspiel, dann würde der SV von Platz drei nach vorne springen. Die Ratinger denken aber gar nicht daran, da mitzuspielen. Wie so oft passen sie sich dem Niveau des Gegners an, was in diesem Fall gut ist. Zur Pause führen sie 20:16, das Trainergespann Jörg Schomburg und Chris Schweinsberg ist zufrieden. Vor allem Moritz Metelmann ist wieder in bestechender Form, aber auch die anderen TV-Männer stehen ihm kaum nach: Mats Wiedemann, Tristan Beckmann und Max Beckmann
zeigen, dass sie nicht nur dem Namen nach echte Männer sind. Problemlos bringt der TV seine Halbzeitführung ins Ziel, Kettwig verpasst den Aufstieg, der TV feiert den 33:28-Sieg zum Saisonabschluss mit einigen Kästen Bier vor der Halle am Europaring.
LINTORF In seinem letzten Spiel für den TuS 08 Lintorf ist Trainer Markus Wölke sehr entspannt – im Heimspiel gegen die Cronenberger TG geht es für sein Team um nichts mehr, die stadtinterne Vorherrschaft in der Verbandsliga hat es schon gewonnen. Um einem der „jungen Wilden“aus dem Landesliga-Kader, der den Verbandsliga-Aufstieg geschafft hat, Spielpraxis zu geben, hat Wölke Daniel Ziebold in die „Erste“beordert. Der 31-jährige Jungspund zeigt das Spiel seines Lebens, ihm gelingen feine Pässe und tolle Treffer, unter anderem per Gegenstoß mit einer Drehung um 720 Grad in der Luft. Auch deswegen ist der 36:24-Sieg nie gefährdet. Wölke verabschiedet sich von der rappelvollen Tribüne und fährt schon mal nach Meerbusch – er will den Weg zum neuen Klub schon mal testen.
WUPPERTAL Die Reserve der SG Ratingen ist noch einmal in Abstiegsgefahr
geraten, zum Saisonfinale muss daher ein Sieg beim LTV Wuppertal II her. Trainer René Osterwind ist froh, dass Marcel Müller dabei ist, der „letzte Straßenhandballer Düsseldorfs“wirft immer dann ein Tor, wenn eines gebraucht wird – also fast in jedem Angriff, gerne auch mal durch die Beine eines Abwehrspielers hindurch. Dazwischen trifft auch mal Clemens Oppitz, der die Zuspiele von Bastian Schlierkamp verwertet, der den Ball immer dann geschickt weiterleitet, wenn Müller mal nicht geworfen hat. Wuppertal bleibt aber in Front, und SG-Trainer Osterwind zieht seinen letzten Trumpf: Er wechselt den in Lintorf noch bestens bekannten Hansi Osterwind auf rechtsaußen ein, der Rechtshänder trifft aus spitzem Winkel Sekunden vor dem Ende zum 29:28-Sieg.
ANGERMUND Der TVA konnte sich trotz Ranftlers feuriger Ansprache auch nach der Pause nicht entscheidend absetzen, zwei Minuten vor dem Ende steht es 26:26. Benny Axning ist mittlerweile aktiv am Kreis dabei, seine Mitspieler finden ihn aber nicht. In der letzten Auszeit geht der Routinier zu seiner Sporttasche, holt den Harzpott und einen schwarzen, breitkrempigen Hut heraus. Nachdem er eine Handvoll Harz auf die Krempe geschmiert hat, setzt er den Hut auf und geht wieder an den Kreis – und jetzt erkennt Ranftler ihn, springt von rechtsaußen ab und passt zu Axning, der das Kempa-Zuspiel zum 28:27-Siegtreffer nutzt. Der Klassenerhalt wird in der Hallen-Kneipe gefeiert, Axning löst mit Baby-Öl den Hut vom Schädel.
ALDEKERK Das hohe Tempo der ersten Halbzeit konnten beide Mannschaften nicht halten, der Pausenstand von 33:33 hatte mehr versprochen. Torwart Schmidt hat sich mehrfach aus- und wieder einwechseln lassen, Leo Loose hat aber ebenso wenig zu halten bekommen wie „Toto“, der mittlerweile beide Pfosten mit den Zähnen verbogen hat. Dafür läuft es vorne weiter gut, Oelze hat die 200er-Marke schon lange geknackt und wirft munter weiter, Mumme macht mit. Um die Abwehr zu stabilisieren, schickt Trainer Jonovski nun zusätzlich zu Christian Mergner noch Kai Funke und Max Eugler auf die Platte, weil er keine Angriff-/Abwehr-Wechsel haben will, spielt er vorne mit drei Kreisläufern. Das bringt nur bedingt den gewünschten Effekt, Mumme wirft mit seinem 22. Treffer das 47:46. Über die Schnelle Mitte kommt Oelze noch einmal in Wurfposition, Aldekerk setzt auf einen Sechs-Mann-Block, der durch die drei SG-Kreisläufer aber nicht dicht wird – Oelze trifft mit der Schlusssirene zum 23. Mal und damit zum 47:47. Die Zuschauer sind zufrieden – Jonovski und Schmidt nicht.