Corona-Hilfe für pflegende Angehörige
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will den Lohnersatz auf 20 Tage ausweiten, wenn Verwandte wegen eines Covid-19-Falls kurzfristig Pflege leisten oder organisieren müssen. Einen Immunitätsausweis gibt es vorerst nicht.
BERLIN Nicht nur die Eltern kleiner Kinder haben während der Corona-Krise große Not, die Betreuung zu organisieren. Auch pflegende Angehörige sind vor erhebliche Probleme gestellt. Osteuropäische Pflegekräfte können nur noch unter sehr erschwerten Bedingungen einreisen, ambulante Pflegedienste können vielfach ihre Angebote nicht aufrechterhalten. Gleiches gilt für Tages- und Kurzzeitpflege, die bislang die Angehörigen entlastet und für eine Vereinbarkeit von Pflege und festem Job gesorgt haben.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will nun den pflegenden Angehörigen mehr staatliche Hilfe gewähren. Das Pflegeunterstützungsgeld, das Arbeitnehmer als Lohnersatzleistung erhalten, wenn in der Familie kurzfristig ein Pflegefall auftritt, soll künftig 20 anstatt nur zehn Tage gezahlt werden. Arbeitnehmer werden also künftig knapp drei Wochen Zeit haben, um mit Lohnausgleich die Pflege ihrer Angehörigen zu organisieren. Das geht aus einem Änderungsantrag zum zweiten Bevölkerungsschutzgesetz hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Diese Verlängerung des Pflegeunterstützungsgeldes soll auch für Arbeitnehmer gelten, die aufgrund der Corona-Krise eine neue Pflege für ihre Angehörigen organisieren müssen. „Entsteht aufgrund eines durch die Covid-19-Pandemie verursachten pflegerischen Versorgungsengpasses
für nahe Angehörige die Notwendigkeit, ein neues tragfähiges Pflegearrangement zu organisieren, wird dies in vielen Fällen mehr als zehn Arbeitstage in Anspruch nehmen“, heißt es in dem Antrag. Die Verlängerung des Pflegeunterstützungsgeldes ist allerdings zeitlich bis zum 30. September begrenzt.
Das „Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“kommt mit Formulierungshilfe des Ministeriums aus den Fraktionen von Union und SPD. Es umfasst neben der Hilfe für pflegende Angehörige eine deutliche Ausweitung von Corona-Tests. Auch Menschen ohne Symptome sollen künftig auf Kosten der Krankenkassen getestet werden. Die Statistiken zu den negativen Tests sollen besser geführt werden. Das Gesetz enthält auch die Regelung zur Prämie von bis zu 1000 Euro für Altenpfleger, die wiederum von den Ländern und Arbeitgebern auf bis zu 1500 Euro aufgestockt werden soll. Das Gesetz soll bereits am Donnerstag vom Bundestag beschlossen werden.
In der ersten Fassung des Gesetzes war noch ein sogenannter Immunitätsausweis vorgesehen, der eine Immunität gegen Corona bei denjenigen bestätigen sollte, bei denen sie vorliegt. Die Passage war auf Druck der SPD wegen ethischer und medizinischer Bedenken wieder gestrichen worden. Nun soll zunächst der Ethikrat über das Thema beraten.
Das Gesetz enthält eine Reihe weiterer Änderungen, die den Angehörigen
das oftmals spontan dringend notwendige Neu- und Umorganisieren der Pflege erleichtern soll. So sollen diese ihren Anspruch auf Pflegezeit oder Familienpflegezeit noch nachholen können, wenn sie den Rahmen von jeweils sechs beziehungsweise 24 Monaten noch nicht ausgeschöpft hatten. Wer Familienpflegezeit bei seinem Arbeitgeber beantragen möchte, soll dies künftig nur zehn Tage zuvor ansagen müssen. Bislang gilt eine Frist von acht Wochen. Auch die bisher gesetzlich geltende Wochenmindestarbeitszeit von 15 Stunden pro Woche für den Anspruch auf Familienpflegezeit soll unterschritten werden können.
Schon in der ersten Fassung des Gesetzentwurfs hatten sich Union und Sozialdemokraten darauf verständigt, dass es möglich werden soll, den monatlichen Entlastungsbetrag für die Pflegestufe 1 von 125 Euro auch für haushaltsnahe Dienstleistungen wie zum Beispiel eine Putzhilfe einzusetzen. Auch diese Regelung gilt vorerst nur bis zum 30. September. Wer solche Entlastungsleistungen im vergangenen Jahr nicht vollständig abgerufen hat, kann darauf ebenfalls noch bis Ende September dieses Jahres zurückgreifen.
Bereits im März hatte die Koalition beschlossen, dass die Kurzzeitpflege auch in Vorsorge- und Rehaeinrichtungen möglich sein soll. Pflegebedürftige werden dafür mit einmalig 2418 Euro pro Jahr unterstützt.