Ein neuer Stellenwert für die Pflegekräfte
In den USA ist die illegale Einwanderung eine tragende Säule der Wirtschaft. Denn die Menschen aus Mittel- und Südamerika übernehmen jene Tätigkeiten, für die sich die Amerikaner zu schade sind. Europäer neigen dazu, mit einer gewissen Arroganz über den Atlantik zu blicken und über dieses System die Nase zu rümpfen: Zustände, die bei uns undenkbar wären. Aber ist dem tatsächlich so? Ein Blick in den Bereich der 24-Stunden-Pflege offenbart erschreckende Gemeinsamkeiten. Wenn tatsächlich 90 Prozent der osteuropäischen Pflegekräfte schwarz beschäftigt sind, ist das ein Zeichen für ein marodes System. Eines, das in der Corona-Krise massiv ins Wanken gerät, wenn die Pflegekräfte von heute auf morgen ausfallen, weil sie in ihre Heimatländer zurückgereist sind.
Der Vorschlag des SPD-Gesundheitspolitikers Josef Neumann, Schwarzarbeiter und Schwarzarbeitgeber per Amnestie in die Legalität zu führen, wird wohl keine Chance auf Umsetzung haben. Und er wäre auch der falsche Weg, immerhin kann man niemanden belohnen, der systematisch den Sozialstaat betrogen hat.
Doch der Vorstoß könnte einen positiven Effekt haben: Er kann die Diskussion über die Finanzierung häuslicher Pflege vorantreiben – fernab von Lippenbekenntnissen für eine Aufwertung der Arbeitsverhältnisse, jenseits vom abendlichen Beklatschen am Balkon. Die Politik muss darüber reden, wie sich das System verbessern lässt. Ein Ansatzpunkt wäre, über eine stärkere Kostenübernahme durch die Pflegeversicherung zu reden. Derzeit können die Betroffenen lediglich über das Pflegegeld die Kosten für die 24-Stunden-Betreuung minimal senken. Der Anreiz, durch Schwarzarbeit 1000 Euro im Monat zu sparen, ist groß. Ehrlicherweise wird man dafür um eine Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung nicht herumkommen. Aber das wäre zielführender als kostenfreies Klatschen am Balkon.
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