Krankheit aus dem Süden
Fieber, Infekte und Schmerzen bei Familien aus bestimmten Regionen: Hier müssen Ärzte an das sogenannte Mittelmeerfieber denken.
Peter Z. aus Viersen fragt: „Bei uns auf der Etage wohnt eine türkische Familie. Der 14-jährige Sohn hat in den letzten Monaten immer wieder Fieber und Bauchschmerzen bekommen. Der Kinderarzt findet keine Ursache, vor 14 Tagen war auch das rechte Kniegelenk geschwollen. Sein Bruder hat sporadisch ähnliche Symptome.
Ist eine ansteckende Krankheit möglich? Seine Eltern sind beschwerdefrei und jetzt verständlicherweise in Not. Ich möchte ihnen gern helfen. Was kann das sein?“
Stefan Ewerbeck Ihre Informationen zu Ihren ausländischen Nachbarn, um die Sie sich großartig kümmern, machen einen Verdacht möglich. Bei Fieber, unklaren Bauchschmerzen und Gliederschmerzen sollte ein Mediziner, wenn eine Infektion ausgeschlossen ist, in dieser Situation immer an ein sogenanntes familiäres Mittelmeerfieber denken.
Die Herkunft der Familie und die Tatsache, dass der Bruder ähnliche Symptome hat, erhärten diesen Verdacht. Sehr häufig tritt das Krankheitsbild in Bevölkerungsgruppen auf, die ursprünglich aus den südöstlichen Anrainerstaaten des Mittelmeeres stammen, das heißt Türken, Armenier, Syrer, Libanesen und Israelis. Die meisten Betroffenen in Deutschland stammen aus der Türkei, durch die Flüchtlingsbewegung jetzt auch zunehmend aus dem Bürgerkriegsland Syrien.
Symptome und Verlauf sind sehr charakteristisch. Fieberanfälle bis 40 Grad Celsius, Bauchschmerzen durch Entzündung des Bauchfells, häufig
Gelenkschmerzen und Schwellungen von großen Gelenken, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, auch Herzbeutel und Hirnhäute können betroffen sein.
Sehr typisch ist auch das anfallsartige Auftreten der Symptome. Zwischen den Episoden sind die Patienten nämlich über Tage, Wochen oder auch Monate völlig beschwerdefrei. Bei der häufig im Mittelmeerraum auftretenden Krankheit handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung. Die ursächliche Mutation auf dem Chromosom 16 lässt sich in einem Gen-Test nachweisen.
Colchizin, der Stoff der Herbstzeitlosen, hilft in vielen Fällen
Bei längerfristigem Verlauf kann es allerdings zu Komplikationen kommen, in Form von atypischen Eiweißablagerungen in Niere, Leber, Darm und auch in anderen Organen. Deshalb ist es sehr wichtig, die Diagnose früh zu stellen und eine Therapie konsequent einzuleiten.
Die Therapie der ersten Wahl ist Colchizin (Herbstzeitlose), dies als Dauertherapie. Colchizin ist ein uraltes und in der Medizin sehr erprobtes Medikament, welches bereits die Griechen vor 2000 Jahren kannten. Falls diese Therapie nicht ausreichen sollte oder nicht vertragen wird, können auch sogenannte Biologica eingesetzt werden. Dies sind gentechnologisch hergestellte Medikamente, die in der Regel rasch zu einer Symptomfreiheit führen können.
Stefan Ewerbeck ist leitender Internist und Rheumatologe am Rheuma-Zentrum in Meerbusch-Lank.