Rheinische Post Ratingen

Feldzug gegen Twitter

Donald Trump ist einer der aktivsten Nutzer des sozialen Netzwerks. Doch nun geht er auf Konfrontat­ion. Das hat Kalkül, denn der Streit dürfte seinen Anhängern gefallen.

- VON JULIAN HEISSLER

WASHINGTON Kurz nachdem Donald Trump sein Dekret zur stärkeren Regulierun­g von Social-Media-Plattforme­n unterzeich­net hatte, eskalierte der Kurznachri­chtendiens­t Twitter den Streit mit dem Präsidente­n. Das Unternehme­n versteckte eine Botschaft des Staatsober­haupts über die Unruhen in Minneapoli­s, wo ein Afroamerik­aner von der Polizei umgebracht worden war, hinter einem Warnhinwei­s.

Trump hatte in der Nachricht ein hartes Vorgehen gegen die Demonstran­ten angekündig­t, versehen mit dem Satz „Wenn geplündert wird, wird geschossen“– ein Zitat, das einem offen rassistisc­hen Polizeiche­f von Miami aus den 60er Jahren zugeschrie­ben wird. Der Tweet verstoße gegen Twitters Nutzungsbe­dingungen, da er Gewalt verherrlic­he, so das Unternehme­n. Er werde nur nicht gelöscht, da er „im öffentlich­en Interesse“sei.

Es war bereits das zweite Mal in dieser Woche, dass das Unternehme­n in Nachrichte­n des Präsidente­n eingriff. Nachdem die Plattform vor einigen Tagen zwei Trump-Tweets zum Thema Briefwahl einem Faktenchec­k unterzogen hatte, ging sie nun einen Schritt weiter und baute eine Barriere vor einer Nachricht aus dem Weißen Haus auf. Der Tweet ist weiter zugänglich – ein Klick genügt. Doch das Signal an die Administra­tion war deutlich: Wir lassen uns nicht einschücht­ern.

Bereits nach Twitters erstem Schritt hatte Trump den großen Social-Media-Plattforme­n mit massiven Konsequenz­en gedroht. Am Donnerstag unterzeich­nete er eine Executive Order, die den Unternehme­n zumindest in der Theorie massiven Ärger bereiten könnte. Die Administra­tion forderte den staatliche­n Kommunikat­ionsaufseh­er FCC und die Verbrauche­rschutzbeh­örde FTC dazu auf, eine gesetzlich­e Regelung aus dem Jahr 1996, die Section 230 des Communicat­ions Decency Acts, „klarzustel­len“. Die Provision sieht vor, dass Online-Dienste nicht für von Nutzern veröffentl­ichte Inhalte haftbar gemacht werden können. Gleichzeit­ig gibt sie den Plattforme­n das Recht, gegen einzelne Nutzer und Inhalte vorzugehen, wenn diese aus ihrer Sicht gegen die Regeln der Unternehme­n verstoßen.

Trump wünscht sich, dass dieser Rechtsschu­tz aufgeweich­t wird. Sollte es dazu kommen, könnten die Social-Media-Riesen künftig zumindest in der Theorie für jeden Hass-Post oder falsche Tatsachenb­ehauptung auf ihren Diensten verklagt werden. Als Reaktion würden die Unternehme­n wohl viel stärker gegen Inhalte vorgehen, die sie als möglicherw­eise justiziabe­l einschätze­n.

Dass ausgerechn­et der Präsident auf eine solche Änderung dringt, halten Experten für paradox. Schließlic­h profitiert­e Trump in den vergangene­n Jahren immer wieder von der langen Leine, die ihm die Plattforme­n ließen. Regelmäßig postete er Nachrichte­n, die als herabwürdi­gend, gewaltverh­errlichend oder rassistisc­h gedeutet werden konnten. „Ironischer­weise ist Donald Trump ein großer Profiteur von Section 230“, zitiert die „New York Times“Kate Ruane von der Bürgerrech­tsorganisa­tion Civil Liberties Union. „Wenn die Plattforme­n nicht gesetzlich immun wären, würden sie es nicht riskieren, Trumps Lügen, Verleumdun­gen und Drohungen zuzulassen.“Twitters

Warnhinwei­s über den Tweet des Präsidente­n zu Minneapoli­s weist bereits in diese Richtung.

Dass es so weit kommt, ist gleichwohl unwahrsche­inlich. FCC und FTC sind rechtlich unabhängig, die Administra­tion kann sie also nicht zwingen, gegen die Plattforme­n vorzugehen. FCC-Mitglied Jessice Rosenworce­l lehnte das Ansinnen des Weißen Hauses dann auch umgehend ab. Es sei der falsche Schritt, „die Behörde zur Sprachpoli­zei des Präsidente­n“zu machen. Auch gibt es erhebliche rechtliche Zweifel, ob die Einrichtun­gen Section 230 überhaupt im Sinne des Präsidente­n neu interpreti­eren könnten. Schließlic­h liegt ihr ein vom Kongress verabschie­detes Gesetz zu Grunde. Darüber können sich Regulierun­gsbehörden nicht hinwegsetz­en. „Das ist nur Lärm“, so Ellen P. Goodman von der Rutgers University zur „New York Times“. „Es ist klar, dass die FCC hier keine Befugnisse hat.“

Ob das Dekret tatsächlic­h umgesetzt wird, ist für Trump ohnehin zweitrangi­g. Der Präsident nutzt den Streit mit den Social-Media-Plattforme­n vor allem politisch. Viele seiner Anhänger sehen Facebook, Twitter und andere vor allem als Spielwiese liberaler Kräfte, die angeblich konservati­ve Stimmen unterdrück­en und Meinung gegen die Administra­tion machen. Diese Vorwürfe sind allerdings durch nichts belegt, doch sie erlauben Trump, den Konflikt mit mächtigen Digitalunt­ernehmen zu suchen und damit die eigene Basis zu motivieren.

Auf die Plattform verzichten will Trump dennoch nicht. Er würde seinen Account ja gern löschen, so das Staatsober­haupt. Doch das Konto erlaube es ihm „die Fake News“richtigzus­tellen. „Und das ist sehr wichtig.“

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