Rheinische Post Ratingen

Die dorn„iOgescDaro“r-pnrämierte

Nora Tschirner zeigt als Kommissari­n im zehnten Weimar-„Tatort“deren kratzbürst­ige Seite.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

WEIMAR Nora Tschirner war mal das, was man ein „Girlie“nannte. Attraktiv und lässig, frech und verpeilt, aber letztlich liebenswer­t. Wie die frühe Lena Meyer-Landrut vor dem berüchtigt­en Live-Interview 2011, in dem sie den großen Frank Elstner Mal um Mal auflaufen ließ und dazu mit den Klimperaug­en rollte. Ein wandelnder Schmollmun­d, über alle Maßen schnippisc­h. Genau so tritt Kira Dorn (Nora Tschirner) im bereits zehnten „Tatort“aus Weimar auf, der sich um die Entführung des Strickware­nfabrikant­en Gerd Schrey (Jörg Schüttauf) dreht.

Wie einen Volltrotte­l kommandier­t Dorn darin ihren Partner und Ehemann Lessing (Christian Ulmen) herum, Nebenbuhle­r Lupo wird munter gemobbt. Das in sie verliebte ungleiche Duo erledigt ihre Drecksarbe­it noch devoter als sonst. Da muss sich der womöglich einst oder gar noch immer ein wenig in Tschirner verknallte Zuschauer streng ermahnen, Künstler und Rolle unbedingt zu trennen.

Dorns rätselhaft­e Zurückentw­icklung zu einer Zicke, die ihren Mann behandelt wie ein Hündchen, steht symptomati­sch für Weimar insgesamt. Nach der ersten Handvoll anarchisch­en Aufgüsse scheiterte Autor Claus-Henric „Murmel“Clausen immer deutlicher an seiner – zugegebene­rmaßen schwierige­n – Aufgabe. Krimi und Persiflage zugleich soll er liefern, dazu ein Wortwitz-Feuerwerk, doch das Rezept geht seit 2016/17 mit der Verdopplun­g der Frequenz von einem auf zwei Fälle pro Jahr weniger auf.

Man nehme: Ein besonderes

Setting à la Wurstfabri­k oder Western-Park. Einen oder mehrere Kleingangs­ter, die mit der deutschen Sprache überforder­t sind und mit der blutigen Eskalation ihrer ach so genialen Pläne erst recht. Und natürlich das einst so herrlich schräge Ermittler-Paar. Fertig ist die surreal angehaucht­e Sonntagabe­nd-Unterhaltu­ng!

Oder eben auch nicht.

In den besten Weimar-Krimis schufen Comedy-Mann Clausen und Co-Autor Andreas Pflüger schräge kleine Parallelun­iversen. Doch das gelang immer seltener. Nun ist Pflüger nicht mehr dabei, und es fehlt viel. Die delikate Balance des Absurden ist dahin, gekippt wie ein vernachläs­sigter Gartenteic­h.

Die einst eigenwilli­ge, aber charmante Romanze der Ermittler ist zur Beziehungs­hölle verkommen; Lessing stapft seiner Kira hinterher wie eine Kreuzung aus Butler und Zombie. Der aktuelle Fall punktet mit Spannung und einem gelungen unüblichen Rhythmus, doch alles wird überstrahl­t von der irritieren­den Biestigkei­t der dornigen Dorn. Vielleicht aber ist das einge Art subversive­r Hilfeschre­i. Womöglich befinden sich Tschirner, Ulmen und Autor Clausen in den Fängen der MDR-Redaktion, die sie zwingt, bis in Ewigkeit Variatione­n des immergleic­hen Films zu produziere­n, weil das „die Leute“angeblich wollen.

Nora, falls du das liest: Zwinker uns im elften Fall unauffälli­g zu, dann hauen wir dich raus!

„Tatort: Der letzte Schrey“, Mo., 20.15 Uhr, Das Erste

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FOTO: MDR Sie zieht eine Schnute, er dackelt hinterher: Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen).

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