Rheinische Post Ratingen

Wie die Jazzszene die Stadt eroberte

Der Musikstil ist in Heiligenha­us eng verknüpft mit einem Namen: Manfred Thum. Der 2011 verstorben­e Musiker und Gastronom holte Kenner und Könner in die Stadt. Daraus wurde schnell noch mehr.

- VON HENRY KREILMANN

HEILIGENHA­US Seit einem Jahr wird nebenan die Kirche St. Suitbertus gebaut und Heiligenha­us ist gerade selbststän­dige Landgemein­de geworden, als Julius Küppersbus­ch an der Hauptstraß­e 134 den „Gasthof zum Deutschen Haus“eröffnet. Es ist das Jahr 1897.

Nach Küppersbus­chs Tod übernimmt erst seine Witwe den Gasthof und im Jahr 1919 sein Schwiegers­ohn Karl Thum. Zum Ort vieler Familien- und Karnevalsf­eiern wird der große Saal im ersten Stock. Auch Chöre proben hier. Und in all dem wächst der Sohn der Familie auf: Manfred. Er wird selbst Koch und übernimmt das in der Familientr­adition geführte Haus im Jahr 1960. Mit ihm brach damals auch eine besondere Zeit an: Der Jazz und Blues halten Einzug in Heiligenha­us. Denn Manfred „Manni“Thum war leidenscha­ftlicher Pianist und Musikkenne­r, Gastronom und Koch, in beiden Bereichen mit erlesenem Geschmack – und damit eines der wohl bekanntest­en Heiligenha­user Urgesteine.

In seinem Gasthaus, dem „Thum“verband er all diese Leidenscha­ften auf eine ganz eigene, für viele Zeitzeugen damals unvergessl­iche Weise. So war er am Klavier war in seinem Element und zog die Gäste als Alleinunte­rhalter an, so dass sich Mitte der 60er Jahre aus seinem Lokal heraus eine Kneipenkul­tur

in der Stadt prägte. Besonders angetan hatte es ihm der Jazz. Diese ganz eigene Musikform, die für echte Könner ein wahrer Spielplatz sein kann. Und er gehörte zu ihnen, den Könnern. Die ersten Einladunge­n nach Heiligenha­us erhielten Jazzmusike­r aus Polen, es folgten Jazzer aus der deutschen Musiklands­chaft

und aus dem Mutterland, den USA - die Kneipe wird zum wahren Geheimtipp der bundesweit­en Szene und sogar darüber hinaus. Ihr ganz eigenes Markenzeic­hen: Der Wirt am Flügel, der – dem Jazz ganz eigenen Wechselspi­el – in der Improvisat­ion locker mithalten konnte. Der Folkwang-Professor Felix

Michael Deichmann sprach von ihm sogar als „genialem Musiker“, der lediglich nach dem Gehör Klassik und Unterhaltu­ng auf dem Klavier intonieren und auch improvisie­ren konnte. Bis in die 90er Jahre hinein, war hier eine lebendige Gastronomi­e-Szene mit Livemusik erwachsen. Einige Jahre lockte das Projekt Jazz in Heiligenha­user Lokalen, verbunden mit einem Bus, der die Besucher von Veranstalt­ung zu Veranstalt­ung fuhr. Schwer beliebt bei den Besuchern, die in Scharen in die Kneipen strömten. Dann jedoch wurde es ruhiger. Thum vermietet sein Haus 1988, kochte aber trotzdem noch für fast 20 Jahre für kleinere und größere städtische Feste weiter, wie auch für die Besucher der Partnerstä­dte. In seinen letzten Lebensjahr­en wurde es ruhiger um ihn. Eine besondere Freude bereitete ihm noch einmal der Kauf des Hauses durch Anja ten Eicken. Die Wiedereröf­fnung einer Gastronomi­e in den Räumen, dem „Thums“hat er aber nicht mehr miterleben können. Manfred „Manni“Thum starb 2011 im Alter von 83 Jahren.

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RP-FOTOS (2): ACHIM BLAZY Ein typisches Heiligenha­user Jazz-Wochenende im Jahr 2006 im Ratssaal.
 ??  ?? Auftritt von polnischen Jazzgrößen um den Gitarriste­n H.W. Wittek bei einem Konzert im Club im Jahr 2005.
Auftritt von polnischen Jazzgrößen um den Gitarriste­n H.W. Wittek bei einem Konzert im Club im Jahr 2005.

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