Neue Gefahren für die Freiheitsrechte
Bürgerrechtsorganisationen stellen den diesjährigen Grundrechte-Report vor.
BERLIN Die Corona-Krise hat eine neue Art der Gefährdung der Grundrechte sichtbar gemacht: deren Vereinnahmung durch Extremisten. Darauf hat der renommierte und auch politisch engagierte Pianist Igor Levit aufmerksam gemacht, als er am Dienstag in Berlin die 24. Ausgabe des Grundrechte-Reports von Bürger- und Menschenrechtsorganisationen vorstellte. Es habe in der Corona-Krise sicherlich Einschränkungen von Grundrechten gegeben; dieses Vorgehen sei jedoch transparent begründet worden. Im Gegensatz dazu missbrauchten viele, die selbst die Grundrechte mit Füßen träten, die Corona-Krise für ihre
Zwecke. Es sei „gefährlich“, so Levit, wenn Neofaschisten sich gesellschaftlich berechtigt sähen, Grundrechte zu interpretieren.
Levit schlug einen Bogen von dem Report, der auf Untersuchungen und Betrachtungen von Beispielen für Grundrechtsverletzungen im Jahr 2019 beruht, zu der aktuellen Situation. Selten zuvor war das Bewusstsein für die Bedrohung von Freiheitsrechten so stark entwickelt wie in den Monaten der coronabedingten Kontakt-, Berufs-, Reise-, Schul- und Freizeitbeschränkungen. Für Levit bleibt es schwer erträglich, dass viele diese Einschränkungen lediglich als „ärgerliche Unterbrechung ihres Jetset-Lebens“empfunden hätten. Die Corona-Krise
habe sich etwa für viele Mieter dagegen auch als Gerechtigkeits-Krise dargestellt.
Einen Schwerpunkt legten die Herausgeber des aktuellen Reports auf das Thema Wohnen. Auf der einen Seite kritisieren die Autoren, dass das Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung offenbar für viele Migranten nicht mehr gelten soll. Auf der anderen Seite betrachtet der Report den noch nie angewendeten Artikel 15 des Grundgesetzes, der die Vergemeinschaftung von Grund und Boden regelt. Er bildet den Hintergrund für eine Bürgerinitiative, die in Berlin ein Wohnungsunternehmen enteignen will. Für sie sprach die Mieterin, Rentnerin und Aktivistin Ingrid Hoffmann bei der Präsentation der Studie ihr Bedauern aus, dass die rechtliche Zulässigkeit des Vorstoßes nun schon seit vielen Monaten vom Senat geprüft werde.
Der 233 Seiten umfassende Report wird auch als „alternativer Verfassungsschutzbericht“bezeichnet. Er stellt Originalvorgaben des Grundgesetzes deren bedenklicher und häufig auch beschämender Umsetzung durch Behörden und staatliche Institutionen gegenüber. So betrachten die Autoren das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Zusammenhang mit der Seenotrettung, der Behandlung in der Psychiatrie, den Taserwaffen bei der Polizei und den Einsätzen von Kampfdrohnen im Jemen.