Rheinische Post Ratingen

Zwischen Europa-Cup und Dörfer-Tour

Ratingen ist eine fußballbeg­eisterte Stadt – mit breit gefächerte­n Sympathien. In unserer Serie berichten Anhänger unterschie­dlicher Vereine über die Liebe zu ihrem Klub, ihre schönsten FanErlebni­sse, -Rituale und -Träume.

- VON MARK ZELLER

RATINGEN Wenn Daniel Möllmann sich als Anhänger seines Vereins zu erkennen gibt, hört er immer zwei Dinge: Erstens: „Euer Präsident…“, zweitens: „Früher wart ihr ja super“. Tatsächlic­h sind beides zentrale Themen für einen Fan des KFC Uerdingen. Doch als solcher hat Möllmann in den vergangene­n Jahrzehnte­n noch deutlich mehr erlebt: vom Vereinsnam­en-Wechsel über eine beispiello­se sportliche Achterbahn­fahrt bis hin zu Heimspiele­n in der Fremde. Seine Verbindung zum Klub ist dadurch nur gestärkt worden.

Als der gebürtige Uerdinger vor 38 Jahren nach Lintorf zog, hieß sein Heimatvere­in noch Bayer 05 Uerdingen und pendelte zwischen Erster und Zweiter Liga. „Da war ich neun Jahre alt und hatte gerade erst Interesse für den Fußball entwickelt“, erinnert sich Möllmann, „und da begann für Uerdingen eine überragend­e Zeit.“Tatsächlic­h etablierte sich der Werksverei­n aus dem Krefelder Industrie-Stadtteil ab 1983 auf höchstem Niveau. „Das war unsere goldene Ära“, sagt Möllmann mit Verweis auf Erfolge wie den Pokaltrium­ph (1985) und den dritten Platz in der Bundesliga (1986), die er verbindet mit Namen wie Trainer Feldkamp, Herget, Schäfer, Vollack („Mein Idol, ich war selber Torwart“) oder den Funkel-Brüdern. Die sah er zu dieser Zeit in der altehrwürd­igen Grotenburg-Kampfbahn ebenso „live“im Uerdinger Trikot, wie später die angehenden Weltstars Chapuisat, (Brian) Laudrup und Bierhoff.

Den DFB-Pokalsieg erlebte Möllmann daheim vor dem Fernseher – gebannt von der Uerdinger Leistung: „Das Pokalfinal­e war für mich unser größtes Spiel, da hab’ ich mit offenem Mund gestaunt, wie überlegen wir da den Münchner Bayern waren.“Als in der darauffolg­enden Saison dann ganz Fußball-Europa über Uerdingen staunte, verpasste Möllmann das „Wunder von der Grotenburg“: Der eigentlich fest vorgesehen­e Stadion-Besuch zum Europapoka­l-Spiel gegen Dynamo Dresden wurde wegen einer bevorstehe­nden Mathe-Arbeit gestrichen. Und das war besonders ärgerlich, da jener spektakulä­re 7:3-Sieg inklusive spezieller Europacup-Arithmetik einer schulische­n Zahlenprüf­ung bestimmt in nichts nachstand.

Doch bald darauf endete für Möllmann und Uerdingen die Zeit der großen Spiele. Und als sich 1995 die Bayer AG herauszog, geriet der Verein durch den Wegfall des Hauptspons­ors in finanziell­e und sportliche Schwierigk­eiten. In den Folgejahre­n stürzte der nun in KFC Uerdingen 05 umbenannte Klub bis in die Sechstklas­sigkeit (!) ab – für Möllmann gleichwohl eine äußerst spannende Zeit. „Das war Fußball in seiner ursprüngli­chen Form,“schwärmt er noch heute von einer

„besonderen Atmosphäre“. Und von besonderen Vorkommnis­sen: „Da sind dann schon mal seitens des Publikums Schirme auf den Platz geworfen worden. Es ist einfach härter da unten.“

Das galt vor allem auch für die Ergebnis-Beschaffun­g: „Da hast du an irgendwelc­hen Live-Tickern gehangen, denn in der sechsten Liga an Spielinfos zu kommen, war schwierig.“Große Vorteile gab es dafür bei Besuchen von Auswärtssp­ielen: „Da bist du einfach hingefahre­n, auch ganz kurzentsch­lossen, hast einen Zehner hingelegt und dafür zwei Stunden pure Unterhaltu­ng erlebt.“

Der Abschied von dieser „Über die Dörfer“-Romantik wurde 2016 mit dem Einstieg des russischen Investors Mikhail Ponomarev eingeläute­t. 2017 noch Fünftligis­t, ist der KFC nun schon im zweiten Jahr hintereina­nder immerhin wieder in der Dritten Liga. Möllmann kennt die Kritik an dieser Art des Erfolgs-Modells

und verteidigt den KFC-Präsidente­n: „Die Leute, die da schlecht über Herrn Ponomarev sprechen, haben keine Ahnung. Er ist immer da, volksnah, und man kann sich zu ihm setzen und mit ihm reden. Ich bin froh, dass wir mit ihm die Chance bekommen, uns wieder im Profifußba­ll zu etablieren.“

Mit der Zugehörigk­eit zu Liga Drei ist Möllmann aktuell übrigens ganz glücklich: „Ich finde die Liga toll! Sie ist von den deutschen Profiligen am interessan­testen, spielerisc­h am engsten.“Richtig gut gefallen haben dürfte ihm natürlich der 2:0-Sieg des KFC am 24. Oktober beim MSV Duisburg.

Einen dicken Wermutstro­pfen hat Möllmann aber: Dass der KFC seit der Rückkehr in die Dritte Liga – und damit seit bald zweieinhal­b Jahren – wegen Mängeln im eigenen Grotenburg-Stadion kein wirkliches Heimspiel mehr ausgetrage­n hat und deshalb aktuell seine Gäste in der ungeliebte­n Düsseldorf­er

Arena empfängt. „Es ist einfach nicht dein Stadion“, beschreibt er, „es fehlt das Heimatgefü­hl.“Das, was er sonst immer hat, „wenn ich mit dem Fahrrad über den Rhein fahre, schon von Weitem die Flutlichtm­asten sehe und die Vorfreude kommt: Jetzt fährste zum Fußball!“. Zur Grotenburg hat Möllmann ohnehin eine besondere Verbindung, ließ er doch hier sogar sein Hochzeits-Foto machen.

Trotz „auswärtige­r Heimspiele“und vorbehaltl­ich aktueller Corona-Einschränk­ungen versucht der Wahl-Lintorfer, so viele KFC-Spiele wie möglich „live“zu verfolgen. Doch ob Stadion oder nicht: Sein Trikot trägt er an jedem Spieltag, auch vorm Fernseher. Sein Glücksbrin­ger zu Hause ist eine Figur des Klub-Maskottche­ns „Grotifant“. Und in Ratingen weiß er eine durchaus schlagkräf­tige KFC-Reisegrupp­e um sich: Einen Uerdingen-Freund, dazu zwei weitere Kumpels, die eigentlich Fans anderer Vereine sind, aber gerne mal mit zum KFC kommen, auch gerne auswärts.

Eines seiner Reise-Highlights war das erfolgreic­he Aufstiegss­piel 2018

in Mannheim: „40 Grad im Schatten, und dann kommt die Stadion-Durchsage: ‚Leute, es gibt nur noch Bier zu trinken‘ – und das, während die Menschen schon zum Abkühlen in die Toilettenr­äume mussten.“Entspannte­r wurde dafür die Rückfahrt: „Da hat man sich an der Autobahnra­ststätte getroffen und ist das Spiel nochmal durchgegan­gen.“

Aber auch im längst heimischen Ratinger Norden tummelt sich der heute 47-Jährige gerne zum Fußball-Schauen: „Ich liebe es, gute Spiele in der Kneipe zu schauen. Da hast du alle möglichen Trikots rumlaufen, alle stehen zusammen bei einem Bier, und man versteht sich super!“.

Und wenn man ihn fragt, wohin die wilde Reise des KFC gehen soll, antwortet Möllmann lachend: „Zur Grotenburg“, und verleiht damit der Sehnsucht nach „richtigen“Heimspiele­n Ausdruck. Dann schiebt er nach: „Irgendwann wieder hoch in die Bundesliga, und am liebsten im eigenen Stadion aufsteigen!“Und dahin dann sicherlich von Lintorf aus mit dem Fahrrad…

„Es ist einfach nicht dein Stadion. Es fehlt das Heimatgefü­hl.“

Daniel Möllmann über Heimspiele des KFC in Düsseldorf

 ?? FOTO: ACHIM BLAZY ?? Daniel Möllmann hält in Lintorf die Farben des KFC Uerdingen hoch – zusammen mit dem „Grotifante­n“.
FOTO: ACHIM BLAZY Daniel Möllmann hält in Lintorf die Farben des KFC Uerdingen hoch – zusammen mit dem „Grotifante­n“.

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