Schauspielhaus präsentiert den „Volkskanzler“
Auch mit Podcasts will das Theater sein Publikum unterhalten – zur Not an den Bildschirmen daheim. Die Audioperformance ist neu im Programm.
DÜSSELDORF Das Schauspielhaus will auch in Corona-Zeiten nicht den Kontakt zu seinem Publikum verlieren. Mit Streamingdiensten und Podcasts sollen sie am heimischen Bildschirm unterhalten werden. Hierzu gehört eine Audioperformance von Ruth Maria Kröger nach einem Text von Maximilian Steinbeis. In der Bühnenfassung von Regisseur Helge Schmidt wäre das kurze Stück „Ein Volkskanzler“ genau am Tag der US-Präsidentschaftswahl als Gastspiel in Düsseldorf zu sehen gewesen.
Ein Volkskanzler, das klingt nach dem Gegenteil von „Ein Volksfeind“. Doch es sind Bezüge zwischen dem Drama des Norwegers Henrik Ibsen von 1882 und dem Monolog von Maximilian Steinbeis vorstellbar. Leitmotive Ibsens sind Wahrheit und Freiheit sowie Mehrheit und Recht. Besonders beanstandete er die öffentliche Meinung, die oft als Wahrheit akzeptiert werde. Der Journalist
Steinbeis präsentiert in seinem „Gedankenexperiment“einen deutschen Kanzler, der auf einer Welle der Beliebtheit reitet und diese für seine Zwecke nutzt.
Am Tag seines Triumphs, seiner Wahl mit großer Mehrheit, gibt sich der neue Kanzler ganz staatsmännisch. Ein Kanzler aller Deutschen wolle er sein, mit klarem Programm jede Spaltung überwinden und versöhnen. Wer kennt nicht derartige Politiker-Sprüche, die sich unmittelbar selbst entlarven? In sechs legalistischen Schritten will der Wahlsieger aus der Republik eine Diktatur machen. Den ersten davon gehen der Autor und seine Titelfigur noch ganz vorsichtig: „Jetzt mal angenommen, …“heißt es immer wieder. Dann aber heißt es: genau hinhören! Der neue Kanzler will dem Verfassungsgericht einen dritten Senat verpassen, mit handverlesenen Richtern für „staatstrockene Dinge“. Ab nun ist keine Rede mehr von „mal angenommen“. Unter dem Deckmantel einer Steuerreform wird das Volk bei
Laune gehalten. Es regnet Kindergeld und neue Bildungseinrichtungen. Wer wollte schon dagegen sein? Ein paar friedliche Demonstranten vielleicht, die sich gegen die „Kanzlerrichter“aufbäumen?
Und der Bundestag? Dieser „aufgeblähten“Institution wird der Kampf angesagt. Neue, passend zurechtgeschnittene Wahlkreise, sorgen für die Volkskanzler-genehme Orientierung. Während der Innenminister seine Kompetenzen und die der Bundespolizei vergrößert, erkennt die – bekanntlich nicht vom Volk gewählte – Bundespräsidentin, dass sie gegenüber dieser Strategie machtlos ist.
Der spannende Podcast des „D’radio“wird noch einige Tage abrufbar bleiben. Eine gute Gelegenheit, mit Freunden auf Distanz darüber zu diskutieren. Vielleicht auch über die Frage, ob der Autor mit seiner überdeutlichen Stoßrichtung für und gegen bestimmte Parteien des Landes seinem Text einen guten Dienst erweist.