Das Ende der „Brexit Boys“
Boris Johnsons Berater Dominic Cummings wird die Regierungszentrale verlassen.
LONDON Dominic Cummings, der wichtigste Berater des britischen Premierministers Boris Johnson, nimmt seinen Hut. Cummings, die graue Eminenz der Downing Street, ist einer der einflussreichsten Strippenzieher in der Regierungszentrale. Jetzt hat er einen erbitterten Machtkampf mit der Verlobten des Premierministers, Carrie Symonds, verloren und seinen Rücktritt angekündigt: Noch vor Weihnachten, meldete die BBC, wolle er die Regierung verlassen. Kurz zuvor hatte auch Johnsons Kommunikationschef Lee Cain seine Demission bekannt gegeben. Zur Freude der konservativen Regierungsfraktion und des Beamtenapparates wird damit die Ära der sogenannten Brexit Boys, die lange Zeit die Regierungspolitik dominiert hatten, ihr Ende finden.
Dominic Cummings war stets eine hochumstrittene Figur in der britischen Politikszene. Zwar fungierte er nur als Berater und wurde nie in ein Amt gewählt. Doch Boris Johnson hatte ihn zu einem seiner engsten Mitarbeiter gemacht, der in der Downing Street den Beamtenapparat überwachen und die Regierungspolitik koordinieren sollte. Cummings bekam das Büro gleich neben dem von Johnson. An ihm kam niemand vorbei.
Der 48-Jährige hatte sich seine Sporen in der „Vote Leave“-Kampagne verdient, die im Referendum für den Austritt aus der EU stritt. Er erwies sich als genialer Wahlkämpfer
mit machiavellistischen Zügen, der den Slogan „Die Kontrolle zurückerlangen“erfand und damit das Brexit-Referendum gewinnen konnte. Für seine Kritiker ist Cummings der Verantwortliche, der mit falschen Behauptungen eine verlogene Kampagne fuhr. Für den Premierminister war er vor allem der Mann, der ihm zwei Mal beim Siegen half: zuerst im EU-Referendum und dann bei der jüngsten Wahl, die Johnson mit einer Mehrheit von 80 Sitzen gewinnen konnte.
Seine Verachtung des Establishments hatte Cummings Feinde in allen Lagern eingebracht. Denn seine Arroganz ist legendär. Er profilierte sich als Kämpfer gegen die Eliten, der auf der Seite des kleinen Mannes steht, und zettelte einen Kulturkampf nach dem anderen an: gegen Institutionen wie die BBC, die ihm zu linksliberal schien, oder gegen vermeintlich verkrustete bürokratische Strukturen im Beamtenapparat. Doch als sich Cummings mit Carrie Symonds anlegte, war das eine Schlacht zu viel. Die Verlobte von Boris Johnson war früher selbst als Kommunikationsdirektorin der Konservativen in der Politik aktiv. Sie steht vielen Initiativen Cummings’ skeptisch gegenüber, nicht zuletzt, weil diese zu oft in Fehlschlägen endeten und den Premierminister schlecht aussehen ließen.
Anlass des Machtkampfes war wie so oft eine Personalie. Cummings wollte seinen Vertrauten Lee Cain auf den Posten des Stabschefs in der Downing Street hieven. Symonds legte ihr Veto ein, weil sie eine Machtübernahme der „Brexit Boys“befürchtete. Cain zog daraufhin die Konsequenzen und gab seinen Rücktritt bekannt. Cummings musste erkennen, dass er nicht mehr die Oberhand hatte. Stattdessen geben jetzt drei Frauen den Ton in der Downing Street an. Neben Carrie Symonds sind das ihre Freundin und künftige Sonderpressesprecherin Allegra Stratton sowie die Leiterin der Politikabteilung, Munira Mirza. Mit dem Abgang von Cummings bietet sich dem Premierminister die Chance für einen Neustart. Johnson kann den ständigen Kulturkriegen ein Ende setzen und eine grüne Agenda setzen, so wie es Symonds gerne sehen würde.