Anglophilie in zehn Romanen
Klassik Für manche ist er nichts anderes als Beifang des Beethoven-Jahres: zufällig ins Netz der Aufmerksamkeit geraten. Man kann die Sache aber anders sehen und staunen, wie plötzlich und völlig verdient das Licht auf einen Künstler fällt, den man bislang nicht auf dem Zettel hatte.
Die Rede ist von dem gebürtigen Bonner Ferdinand Ries (1784 bis 1838), der 1801 im Alter von 16 Jahren mit einem Empfehlungsschreiben seines Vaters beim 30-jährigen Beethoven in Wien eintraf. Der stand damals auf dem Gipfel seines Ruhms als Komponist. Beethoven erinnerte sich, dass Ries‘ Vater Franz Anton, ein Geigenlehrer, den jungen Beethoven nach dem Tod seiner Mutter in Bonn aufopferungsvoll unterstützt hatte. Da konnte er sich revanchieren, was er aus tiefer Überzeugung tat: Ries erwies sich als hochmusikalisch und bekam von Beethoven hochwertigen Klavierunterricht. Im Gegenzug erledigte Ries für Beethoven manche Sekretärsaufgaben, fertigte Kopien seiner Noten an und führte kleinere Aufträge aus. Damit er das Komponieren lernte, schickte Beethoven Ries zu seinem eigenen Lehrer Johann Georg Albrechtsberger.
Roman Alle sechs Monate neuer Grund zur Freude: Der Elfenbein-Verlag bringt sukzessive den zehnbändigen Roman „Almosen fürs Vergessen“von Simon Raven auf Deutsch heraus. Demselben Haus ist ja zu verdanken, dass der zwölfbändige Roman „Ein Tanz zur Musik der Zeit“von Anthony Powell komplett auf Deutsch erschienen ist. Nun also „Almosen fürs Vergessen“um den crickettspielenden Draufgänger Fielding Gray: Anglophilie total. Die Bände erschienen im Original zwischen 1964 und 1976 und bieten beste britische Gesellschaftsprosa. Der Leser begegnet dem Ich-Erzähler, kurz bevor der in Cambridge Altphilologie studiert. Man hat Teil an einer Erziehung des Herzens, und die vollzieht sich in einem herrlichen, mitunter sarkastischen
Ton. Nach Band eins mit dem Titel „Fielding Gray“erschien soeben Band zwei: „Die Säbelschwadron“. Eine großartige Entdeckung!
Philipp Holstein
Simon Raven,
Jetzt kann man sich mit einer prachtvollen CD überzeugen, was Ries in diesen Jahren gelernt hat. Das junge, aber vorzügliche Franz-Ensemble hat einige Kammermusikwerke beim Label Dabringhaus und Grimm aufgenommen: das Sextett g-Moll, das Trio e-Moll und das Oktett As-Dur.
Wir erleben einen Komponisten, der Haydn kennt, aber auch kreative Ideen Richtung Romantik äußert. Sein Schwung, seine Originalität, sein Gespür für reizvolle melodische Kurven sind faszinierend. Ein heller Kopf, der viel herumkam und in Frankfurt starb. Die Musiker lassen keine Gelegenheit aus, ihren Ries ins beste Licht zu setzen. Die rheinische Angelegenheit wird dadurch perfekt, dass im Franz-Ensemble zwei Düsseldorferinnen mitwirken: die Kontrabassistin Juliane Bruckmann und die Pianistin Kiveli Dörken. Wolfram Goertz