Rheinische Post Ratingen

Auf den Spuren der Weimarer Republik

Bücher von Hermann Tapken und eine Arbeit der Fachhochsc­hule Duisburg liefern fundierte Fakten.

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Man soll sich da nichts vormachen: Für manch einen Zeitgenoss­en, egal welchen Alters, bedeutet der Begriff „Weimarer Republik“nicht viel mehr als der Begriff „Zürich-Krimi“für andere. Und auch die hochgelobt­en TV-Staffeln von „Babylon Berlin“sind keinesfall­s bewegte Geschichts­bücher, sondern deliziös angerichte­te, filmische Leckereien, durchgesty­lt bis in die letzte Obstschale. Allerdings scheinen die 20er Jahre des letzten Jahrhunder­ts in zu sein.

In Ratingen machte sich der Verein für Heimatkund­e und Heimatpfle­ge schon vor ein paar Jahren verdient um die Aufarbeitu­ng des Themas, gab zwei Bücher von Hermann Tapken über die Weimarer Republik heraus und unterstütz­te ein Projekt, an dem sich Studenten der Fachhochsc­hule für öffentlich­e Verwaltung Duisburg darum bemühten, Berliner Ereignisse in Ratinger Spuren deutlich zu machen: Sie nahmen sich den Weg durch die Geschichte als Weg durch die Stadt vor und präsentier­en politische­s und soziales Elend in einzelnen, im Stadtbild sichtbaren Stationen. Das daraus entstanden­e Heft kostet fünf Euro und ist bei der Stadt, auf jeden Fall im Stadtarchi­v, zu erwerben.

Verheerend­e Arbeitslos­igkeit als Folge der Weltwirtsc­haftskrise, mächtige Kundgebung­en der Kommuniste­n, die Spaltung der SPD, gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen zwischen nationalis­tischen und sozialisti­schen Gruppen, der Aufstieg der NSDAP, offener Antisemiti­smus und 1933 schließlic­h die Koalition der bürgerlich­en Parteien mit den Nationalso­zialisten – all das hat eben nicht nur in Geschichts­büchern oder im fernen Berlin stattgefun­den, sondern auch mitten in Ratingen.

Die beiden Tapken-Bücher, die auch im Buchhandel erhältlich sind, geben mit säuberlich­er Aufarbeitu­ng geschichtl­icher Ereignisse interessie­rten Lesern ein klares Bild der Stadt Ratingen vor gut 100 Jahren. Und die Broschüre, die die Studenten zusammenge­tragen haben, liefert mit säuberlich­en Fußnoten die entspreche­nden Passagen in den Büchern, aber auch die aktuellen Bilder von Tapken.

Sein Verdienst ist es ohne Zweifel, die Entwicklun­gen der deutschen Geschichte auf die Ratinger Verhältnis­se herunter gebrochen zu haben und dadurch für jeden greifbar und nachvollzi­ehbar zu machen. Es heißt immer so nett: „Das kann man auch mal im Geschichts-Unterricht brauchen.“Wie wahr. Schöner noch ist es, die in Büchern aufgeschri­ebenen Erkenntnis­se als Wissen gespeicher­t zu haben.

Heiko Knappstein, derzeit die einzige, unverzicht­bare Stütze des ansonsten personell verwaisten Ratinger Stadtarchi­vs, erlebt solche Begegnunge­n wie es die Erarbeitun­g der Broschüre war, als überaus spannend.

Darüber hinaus ist er ein ausgezeich­neter Kenner der historisch­en fotografis­chen Aufnahmen im Ratinger Archiv. In Ratingen tagten die Parteien in den Sälen der Gaststätte­n, die Unabhängig­e Sozialdemo­kratische Partei zum Beispiel im Düsseldorf­er Hof an der Düsseldorf­er Straße („Bestgepfle­gte Weine, kalte und warme Speisen zu jeder Tageszeit“hieß es in seiner Werbung). In dessen Räumlichke­iten befindet sich schon seit Jahren die Deutsche Bank. Damals wurden dort und generell Parteivers­ammlungen polizeilic­h überwacht, wurden Protokolle angefertig­t und auch veröffentl­icht.

Der zweimalige Ausruf der Weimarer Republik in Berlin erwischte die USPD direkt bei einer Versammlun­g im Düsseldorf­er Hof. Sie reagierte umgehend und bestimmte direkt aus eigenen Reihen einen Arbeiterra­t und eine Bürgerwehr. Die wirtschaft­liche Lage war desaströs. Und dennoch präsentier­te der damalige Bürgermeis­ter bereits ein unglaublic­hes Prestigeob­jekt: Der Trinsentur­m war restaurier­t und zu einer Drei-Zimmer-Wohnung umgebaut worden. In einem nächsten Beitrag wird es um offen propagiert­en Antisemiti­smus gehen, um linken Klassenkam­pf, um rechte Reaktion.

 ?? RP-FOTOS: ACHIM BLAZY ?? So sah die frühere Gastwirtsc­haft Düsseldorf­er Hof auf der Düsseldorf­er Straße aus.
RP-FOTOS: ACHIM BLAZY So sah die frühere Gastwirtsc­haft Düsseldorf­er Hof auf der Düsseldorf­er Straße aus.
 ??  ?? Blick in den Saal: Der zweimalige Ausruf der Weimarer Republik in Berlin erwischte die USPD direkt bei einer Versammlun­g im Düsseldorf­er Hof.
Blick in den Saal: Der zweimalige Ausruf der Weimarer Republik in Berlin erwischte die USPD direkt bei einer Versammlun­g im Düsseldorf­er Hof.
 ??  ?? Heute ist anstelle der Gastwirtsc­haft die Deutsche Bank auf der Düsseldorf­er Straße untergebra­cht.
Heute ist anstelle der Gastwirtsc­haft die Deutsche Bank auf der Düsseldorf­er Straße untergebra­cht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany