Die Folgen der Corona-Pandemie haben Teile der Wirtschaft empfindlich getroffen. Natürlich gehen die Beschränkungen auch am Immobilienmarkt nicht spurlos vorüber. Marktexperten sehen aber keinen Einbruch.
Eigentlich sollte der Immobilienmarkt doch unter der Krise leiden, mag man auf den ersten Blick denken. Die Menschen sorgen sich um ihre Arbeitsplätze und haben doch sicher etwas anderes zu tun, als Häuser oder Wohnungen zu kaufen oder gerade jetzt in eine neue Mietwohnung zu ziehen. Zumindest waren laut Experten anfangs Wohnungsund Bürobesichtigungen erschwert aufgrund der Kontaktbeschränkungen. Diese haben natürlich auch Einfluss auf diesen nun schon seit Jahren etablierten Roundtable zum Thema Immobilien. Die Redaktion führte ihn dieses Mal virtuell durch, per Videokonferenzen.
„Während des ersten Shutdowns gab es Befürchtungen, dass sich die Entwicklung auf den Immobilienmarkt niederschlägt“, bestätigt denn auch Thomas Schüttken (Böcker Wohnimmobilien). „Die Kundenansprache war sehr erschwert.“Allerdings stellt der Immobilienexperte dann fest: „Der Markt hat sich aber wieder erholt. Die Nachfrage nach Wohnraum ist ungebrochen gut, sowohl auf der Verkaufswie auf der Vermietungsseite.“Auf der Nachfrageseite fallen ihm Expats, also Mitarbeiter ausländischer Unternehmen auf, sie suchen weiterhin Wohnungen im Stadtgebiet.
Die Preise bleiben nach seiner Beobachtung hoch: „In Düsseldorf liegen die durchschnittlichen Quadratmeterpreise bei 6000 Euro, in Unterbach, wo wir gerade ein Projekt für Instone Real Estate vertreiben, bei 5000 Euro.“Das hat Folgen bei der Finanzierung:
„Wir beobachten, dass Banken bei der Kreditvergabe restriktiver agieren, aber auch, dass Kaufinteressenten vorsichtiger werden, zum Beispiel aus Sorge um den Arbeitsplatz. Problem: Häufig können sie die Eigenkapitalnachweise nicht erbringen.“Im hochpreisigen Segment und im Investmentbereich sieht Schüttken dennoch keine Probleme: „Es ist viel Geld im Markt und das bleibt zunächst auch so!“
Schwierige Lage für den Einzelhandel
Die Auswirkung der Krise aufs private Endkundengeschäft sei lediglich im Frühjahr zu Beginn der Pandemie kurzzeitig spürbar gewesen, weil die persönliche Kundenberatung oft nicht möglich war merkt Stefan Dahlmanns (Instone Real Estate) an: „Gremien konnten sich nicht treffen, verbunden mit Unsicherheit der persönlichen wirtschaftlichen Situation.“Jetzt habe sich die Lage aber wieder verbessert, betont auch er, „und wir sind wieder auf Vor-Corona-Niveau“. Gerade im Bereich der Kapitalanleger merken die Spezialisten eine verstärkte Nachfrage.
Die Pandemie werde keinen nachhaltigen Einfluss auf die großen Entwicklungen am Wohnungsmarkt haben, ist Dahlmanns denn auch überzeugt. Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bleibe weiter hoch, ebenso der Wohnraumbedarf für Familien. „Ich glaube, trotz eines Niedrigzinses ist für das Gros der Wohnungsinteressenten die Finanzierbarkeit die entscheidende Frage. Danach kommen die Lage und die Ausstattung.“
„Wir sind mit einem blauen Auge durch die Krise geschlittert“, sagt Matthias Spormann (Spormann Real Estate) und stellt ebenfalls fest: „Die Nachfrage nach hochwertigem Wohneigentum ist ungebrochen, teilweise sogar gestiegen. Die Leute suchen gezielt nach Wohnungen und Häusern als Investment.“Der Düsseldorfer Markt sei wohlstandsgeprägt mit hohen Eigenkapitals-Quoten ausgestattet, das stabilisiere den Markt. „Das Angebot ist nach wie vor knapp“, stellt Spormann fest. „Unsere Kunden reagieren sofort auf neue Projekte. Das sehen wir bei unserem aktuellen Projekt Hinz & Kunz in Flingern-Nord, wo derzeit 72 Wohnungen und vier Stadthäuser entstehen. Hier setzen wir auf eine ansprechende Architektur mit hochwertigen, funktionalen Wohnungen, was sowohl für Investoren als auch für Eigennutzer interessant ist.“
Bei Catella Project Management sei man „ausgesprochen zufrieden mit der Entwicklung“, berichtet Klaus Franken. „Die Pandemie hat den Wohnungsmarkt nicht infiziert.“Gefragt seien insbesondere gemischte Quartiere der sogenannten. „15-Minuten-Stadt“, wo Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Schule, Kultur, Freizeit, etc. fußläufig erreichbar sind. „In diesem Segment wollen wir künftig noch mehr investieren, denn die Nachfrage ist hoch.“
„Der Bedarf ist nach wie vor da“, stellt Werner Fliescher (Haus und Grund) fest. „Wohnungsbesichtigungen sind derzeit allerdings schwierig. Das führte im Frühjahr zu einer starken Delle, der Markt kommt aber langsam wieder.“Die Preise seien nicht „in den Tiefflug gegangen. Schwierig ist die Lage allerdings für Mieter aus dem Einzelhandel und der Gastronomie.“
Auch nach Darstellung von Max Schultheis (CBRE) zeigt der Markt ein differenziertes Bild: „Wohn-Objekte werden weiterhin sehr gut vom Markt absorbiert. Hier gibt es eine ungebremst hohe Nachfrage aus der Region, aber auch aus der ganzen Welt. Bei der Anmietung von Büros hingegen warten zahlreiche Marktteilnehmer aktuell eher ab, wie sich insbesondere der Trend zum Homeoffice und zum ,New Normal’ auf ihren zukünftigen Flächenbedarf auswirkt.“Im dritten Quartal erlebte dieses Segment daher eine deutliche Delle, dürfte sich aber im nächsten Jahr stark erholen. Im Einzelhandel erweise sich die Corona-Krise als Brandbeschleuniger von Entwicklungen, die sich bereits in den Monaten und Jahren davor abgezeichnet hatten. Für den stationären Einzelhandel werde es zukünftig sehr stark auf die Digitalisierung (Stichwort: „Omnichannel“) und die Schaffung von mehr Event-Charakter in den Einkaufszonen ankommen. Bei Beidem seien Einzelhandel und Kommunen gleichermaßen gefordert.
Dass der Wohnungsmarkt sich nach wie vor von anderen Immobiliensegmenten abhebt, bestätigt auch Alexander
Schmitz (Interboden): „Wir sehen auch in der Corona-Zeit keine Einschränkungen beim Verkauf von Wohnungen. Das Angebot hinkt deutlich hinter der Nachfrage zurück. Die Preise zeigen nicht nach unten.“Wie andere Experten sieht aber auch Schmitz Engpässe bei der Finanzierung: „Wir merken, dass die Kunden mehr Zeit brauchen, um die Finanzierung abzuwickeln. Viele Erwerber haben sogar Schwierigkeiten, überhaupt eine Finanzierung zu bekommen, je nachdem in welcher Branche sie sind. Die Projektfinanzierung läuft deutlich schleppender. Einige Banken sind vorsichtiger und erheben einen Margenaufschlag.“
Finanzierer haben hier naturgemäß einen etwas anderen Blickwinkel. „Die Hemmschwelle bei den Kunden hat sich verändert, heute erschreckt es viele Menschen in Düsseldorf nicht mehr, 800.000 Euro oder mehr zu finanzieren“, stellt Bernd Meier (Hüttig & Rompf ) fest. „Das war vor fünf Jahren noch anders. Die Finanzierung sollte aber immer in einem gesunden Verhältnis zum Einkommen stehen, also etwa bei 30 bis 35 Prozent der monatlichen Einnahmen.“
Bei der Finanzierung komme es auch auf den Finanzierungspartner an: „Unser Ziel ist es, die Kunden mit ihrer Immobilie und ihrem Finanzierungswunsch zur richtigen Bank zu bringen. Das braucht aktuell zwar etwas länger, aber nach drei bis vier Tagen liegt in der Regel eine Kreditentscheidung der Bank vor.“Doch auch Meier beobachtet derzeit eine gewisse Vorsicht am Markt: „Vor der Krise waren die Banken etwas großzügiger, durch die angespannte wirtschaftliche Lage bestimmter Branchen wird dort natürlich genauer hingeschaut.“
„Hemmschwellen beim Immobilienkauf liegen bei 500.000 Euro“, stellt Holger Knille (Stadtsparkasse Düsseldorf ) fest. Wobei die Quote an Eigenkapital zugenommen habe. Und: „Die Kunden fragen lange Laufzeiten nach. Die Festzinsbindung liegt aktuell bei 13,6 Jahren. Der Bausparer ist jetzt gefragt. Die Leute wollen mehr Absicherung der Finanzierung. Die Frage ist auch immer: Wie gleiche ich Zinsänderungsrisiken aus? Das treibt uns als Bank um.“
Viel Dynamik, aber keine Immobilienblase in Sicht
Eine Immobilienblase sehen die Finanzierungsexperten derzeit nicht. „Noch sehen wir keinen Effekt, dass sich Mieten und Kaufpreise auseinander entwickeln.“Allerdings spüren Makler – so Knille – eine „intensive Dynamik im Marktgeschehen. Viele Kunden setzen jetzt auf Betongold als Investment. Das hat die Kaufpreise nach oben getrieben und damit auch die Finanzierungsumfänge. Das merken wir deutlich.“
„Der Nachfragedruck im Eigentumsbereich ist nach wie vor vorhanden“, fügt Stefan van Dick (Wilma Immobilien) hinzu. „Wir hatten auch während des ersten Shutdowns keinen Einbruch bei der Nachfrage.“Er hat ebenfalls die Beobachtung gemacht, „dass die Bearbeitungszeit bei den Banken länger geworden ist.“Nach wie vor hoch sei die Nachfrage nach Einfamilienhäusern. Interessant zu sehen: „Erdgeschosswohnungen
sind seit dem ersten Lockdown wieder mehr nachgefragt wegen des Gartens. Die Freiraumgröße mit Balkon und Terrasse bekommt wieder eine ganz andere Bedeutung.“Außerdem sei preisgünstiger Geschosswohnungsbau in Düsseldorf stark gefragt, der auch barrierefrei sein sollte.
Den Blick auf den Markt aus städtischer Sicht erweitern Ariane Künster (Liegenschaftsamt Stadt Düsseldorf ) und Ruth Orzessek-Kruppa (Planungsamt Stadt Düsseldorf). „Wir haben Anfang des Jahres festgestellt, dass Termine verschoben und Reaktionszeiten verlängert wurden“, sagt Ariane Künster, aber bald hätten die Akteure wieder zur Alltagsphase zurückgefunden. „Wir spürten einige Verzögerungen“, bestätigt Ruth Orzessek-Kruppa. „Öffentliche Auslegungen von Bebauungsplänen mussten abgebrochen und später Corona-gerecht fortgeführt werden. Wir haben alles in den Griff bekommen. Aber immer noch gibt es keine öffentlichen Bürgerversammlungen. Die Herausforderung liegt nun darin, wie man kritische Stimmen dennoch wahrnehmen kann.“
Im Sommer hat sich nach Beobachtung von Ariane Künster gezeigt, dass sich der Büromarkt in einer „Wartehaltung“befinde: „Die Marktteilnehmer warten ab, welche Richtung große Interessenten einschlagen und ob sich aktuelle Trends auf Dauer verfestigen.“Auf dem Wohnraummarkt sehen die Experten aus dem Planungsamt eine anhaltende Nachfrage. Themen seien insbesondere Pflege-Wohnen und preiswertes Wohnen.
„Die Nachfrage in Düsseldorf bleibt weiter hoch. Wir sind mit einem blauen Auge durch die Krise geschlittert“