Grüne Wahlgewinner wollen sich die K-Frage offenhalten
BERLIN Annalena Baerbock und Robert Habeck hätten eigentlich allen Grund, den Auftritt an diesem Montag vor der Hauptstadtpresse zu genießen. Die Grünen haben die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz glasklar als Erfolge verbuchen können. Nach solchen Wahlsonntagen sind Bundesvorsitzende der Gewinnerparteien in ihrem Jubel üblicherweise nicht zu bremsen. Doch in diesem Superwahljahr ist vieles anders.
Denn erstmals in ihrer Geschichte wollen die Grünen bei einer Bundestagswahl
das Kanzleramt erobern. Ins Rennen gehen sie zwar weiterhin als „Underdog“, wie Robert Habeck am Montag betont. Doch eine realistische Chance rechnen sie sich dennoch aus. „Es ist ein völlig offenes Jahr“, so der Parteichef. „Das heißt, dass wir die Chance haben, das Unwahrscheinliche möglich zu machen.“Nur wollen sich Baerbock und Habeck noch etwas Zeit lassen mit der offiziellen Entscheidung, wer von ihnen gegen Olaf Scholz (SPD) und den Unionskandidaten um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ringen wird. Und so müssen sich die Co-Vorsitzenden an diesem Montag viele bohrende Fragen zur Kanzlerkandidatur anhören. Das liegt jedoch auch daran, dass Habeck am Vorabend bei „Anne Will“zu verstehen gab, dass Annalena Baerbock qua Grünen-Statuten das erste Zugriffsrecht hätte, würde sie als Frau das wollen. „Wenn Annalena Baerbock als Frau sagen würde, ich mache es, weil ich eine Frau bin – und die Frauen haben das erste Zugriffsrecht – dann hat sie es, natürlich“, sagte Habeck wörtlich. „Aber weder Annalena noch ich argumentieren so.“Baerbock habe mehrfach öffentlich mit Blick auf die Kanzlerschaft erklärt, dass die „Größe des
Amtes komplexer zusammengesetzt“sei. „Und deswegen ist die Entscheidung noch nicht gefällt, und wir werden sie zwischen Ostern und Pfingsten fällen.“
Am Montag bügelt auch Baerbock ab. Man spreche vertraulich miteinander und nicht über Talkshows, sagt sie. Nächster Versuch: Ob vielleicht der Entwurf ihres Wahlprogramms, den die Grünen-Spitze am Freitag vorstellen will, besser zu einem von ihnen passt? „Es passt fantastisch zu uns beiden“, kontert Habeck schroff. Nächster Versuch: Anhand welcher Kriterien sie die K-Frage für sich beantworten werden? Das könne er verraten, sagt Habeck. Mache er aber nicht. Und so spielen Baerbock und Habeck weiter auf Zeit, während sich in der Union der Druck besonders auf CDUChef Armin Laschet aufbaut, bald für Klarheit mit CSU-Chef Markus Söder zu sorgen.
Zugleich kann die Grünen-Spitze auf vielversprechende Daten aus Baden-Württemberg zurückgreifen, die für die Strategie im Wahlkampf eine erhebliche Rolle spielen dürften. Habeck erwähnt dies am Montag gleich in seiner Einleitung: Denn im Land von Winfried Kretschmann ist es den Grünen gelungen, insbesondere bei älteren Wählerinnen und Wählern zu punkten. Die höchsten Stimmenanteile hatten die Grünen bei Wählerinnen und Wählern, die älter als 45 Jahre sind. Zudem konnten sie 145.000 Stimmen von der CDU und 115.000 von der SPD für sich gewinnen. Einen solchen Trend in der Wählerwanderung wünschen sich Baerbock und Habeck auch im Bund. Wie sie diese auch von Kretschmann persönlich beförderten Effekte auf den Bund übertragen wollen, ist eine Aufgabe für die Grünen-Strategen. Klar ist jedoch, dass die Kanzlerkandidatur dafür entscheidend sein wird.