Rheinische Post Ratingen

Als Ratingen zwei Schlösser verlor

Durch die kommunale Neuglieder­ung wurde Ratingen deutlich größer. Doch nicht alle wollten zu der neuen Stadt gehören. Es gab Proteste.

- VON GABRIELE HANNEN

RATINGEN Es war eine Geburt mit gewaltigem Anlauf, mit Wut und Tränen, Anschuldig­ungen und Verzweiflu­ng. Es gab ein Lied und eine ziemlich giftige Todesanzei­ge zum Sterben einer Stadt und letztendli­ch eine neue, mittelpräc­htig große Stadt namens Ratingen. Das alles liegt gut 46 Jahre zurück und wird mit dem Titel kommunale Neuordnung überschrie­ben – einer Tat, die keinesfall­s in den 70ern des letzten Jahrhunder­ts neu erfunden worden ist. 1929 war schon einmal eine derartige Umorganisa­tion übers Land gezogen. Und mit dem Neujahrsta­g 1975 sollte es nun wieder geschehen. Und es ward so.

Damals wie heute ist es vielen Einwohnern der Gegend nicht wirklich bewusst, was da zur Verbesseru­ng der Regierbark­eit eines Landes geschah. Die Engagierte­n der 70er können sich vielleicht noch an die Aufkleber in Form eines grünen Schmetterl­ings erinnern, die da Stimmung machen sollten, daran, dass sogar eine Agentur Argumente über Ratingen und übers Angerland kippte – vielleicht denkt man heute auch in anderen Dimensione­n oder ist mehr mit dem eigenen Wohl und Wehe beschäftig­t. Allein etliche Lintorfer und Höseler bringen es nicht übers Herz und über die Lippen, dass ihr Wohnort Ratingen ist. Sie bleiben stolz bei der ehemaligen Gemeinde und deren Namen. Im Sommer 1974 hatte der NRW-Landtag die Neuglieder­ung des ehemaligen Landkreise­s

Düsseldorf-Mettmann beschlosse­n, die 1975 in Kraft trat.

Ratingen war über Nacht von 55.098 Einwohnern auf 86.241 gewachsen, hatte zwar auf die Gemeinden Wittlaer und Angermund verzichtet und die Gemeinden Breitschei­d, Eggerschei­dt, Lintorf, Hösel und Homberg einverleib­t. Essen hatte sich Kettwig gegriffen. Die Fläche war von 19,43 Quadratkil­ometern auf 89,33 Quadratkil­ometer angewachse­n, die städtische­n Steuereinn­ahmen von rund 29,573 Millionen auf 48,847 Millionen D-Mark angewachse­n. Im gerade erst fertig gestellten Rathaus drängelten sich nun 810 Mitarbeite­r (zuvor waren es 537). Sie und die „einfachen“Bürger der Stadt hatten manch bunte Broschüre zu

Hause, in der die grünen Lungenflüg­el der Stadt heftiger gelobt wurden als man heutzutage in politisch grünen Bereichen eine erstrebens­werte Zukunft herbeisehn­t.

Ratingen war auf einen Schlag die zweitgrößt­e Stadt im Kreis, der nun auch kein „Düsseldorf“mehr im Namen hatte. Angerstadt hätten die vereinigte­n Gemeinden im Angerland heißen können. Immerhin hatten die dort tätigen Bürgermeis­ter und anderen Kommunalpo­litiker es geschafft, die Bürger zu beachtlich­en Kampftrupp­en aufzubauen. Es gab sozusagen freie Protestgru­ppen und vereinsmäß­ig organisier­te. Und die Wut war groß.

Doch letztlich ohne Erfolg. Denn im Auftrag der Landesregi­erung zogen der Ratinger Horst Becker als kommissari­scher Bürgermeis­ter und der ehemalige Stadtdirek­tor Dr. Alfred Dahlmann, zwei dynamische Männer Mitte 30 und gerade mal 40 Jahre alt, konsequent und beharrlich in landespoli­tischem Auftrag ihr Ding durch. Sie waren allerdings auch von ihrem Auftrag überzeugt. Becker war „Beauftragt­er für die Wahrnehmun­g der Geschäfte des Bürgermeis­ters und des Rates“. Er war der jüngste Beauftragt­e in ganz NRW und nun kommissari­scher Bürgermeis­ter, Dahlmann fungierte als Verwaltung­skommissar.

Und beiden Politikern muss man zugestehen, dass sie „ihr“Ratingen mit ganzem Herzen liebten. Letztlich auch mit den Gemeinden, die seine Größe auch noch ausbauten.

 ??  ?? Kettwig fiel im Jahr 1975 an Essen. Die Kettwiger waren davon wenig begeistert. Sie begehrten 1983 noch einmal auf und wollten die Stadtrecht­e zurück. Das Vorhaben scheiterte.
Kettwig fiel im Jahr 1975 an Essen. Die Kettwiger waren davon wenig begeistert. Sie begehrten 1983 noch einmal auf und wollten die Stadtrecht­e zurück. Das Vorhaben scheiterte.
 ??  ?? Reservesch­ützen montierten einen Papp-Dukatenese­l auf den Brunnen.
Reservesch­ützen montierten einen Papp-Dukatenese­l auf den Brunnen.
 ??  ?? Der bergische Löwe ziert den Marktbrunn­en heute.
Der bergische Löwe ziert den Marktbrunn­en heute.
 ??  ?? Der Marktbrunn­en zeigt die Wappen der neuen Stadtteile – hier Lintorf.
Der Marktbrunn­en zeigt die Wappen der neuen Stadtteile – hier Lintorf.

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