Die kleine Lösung für die Oper
Nach dem Zweiten Weltkrieg stehen die Düsseldorfer vor derselben Frage wie heute: Soll die Oper abgerissen oder saniert werden?
Die heutigen Mitglieder des Stadtrats kennen die brisante Frage: Sanierung oder Neubau? Das mussten sich auch vor rund 70 Jahren ihre Vorgänger fragen. Das Theater an der Alleestraße – der heutigen Heinrich-Heine-Allee – war 1943 durch Bomben schwer beschädigt worden. Zwar gelang noch während des Kriegs ein notdürftiger Wiederaufbau, so dass das Gebäude 1946 sogar dem Landtag von NRW als Standort für seine konstituierende Sitzung dienen konnte. Aber jetzt musste etwas passieren.
Damals entschied sich die Politik für eine kleine Lösung: Das Bühnenhaus des alten Theaters aus dem Jahr 1875, das den Krieg überstanden hatte, wurde saniert und erweitert. Davor platzierten die Architekten einen neuen Zuschauerraum mit Foyer und einer neuen Fassade. Die Hoffnungen auf eine kostensparende Variante erfüllten sich allerdings nicht. Einen Neubau, so behaupteten Kritiker damals, hätte es bereits für zwölf Millionen Mark gegeben. (Vielleicht ist das eine Warnung für die zeitgenössische Politik?)
Der damalige Leiter des Bauamts, Julius Schulte-Frohlinde, hatte einfach selbst für die Architektur gesorgt, allerdings zwei Kollegen hinzu gebeten. Einer war der Stuttgarter Architekt Paul Bonatz, der andere der Düsseldorfer Ernst Huhn. Letzterer galt eigentlich als Experte für Kinos und ersann die ungewöhnliche Himbeerfarbe, die zum Farbschema das Gebäudes gehört. Der Zuschauerraum wurde vergrößert, ein Foyer mit drei großen Lüstern aus böhmischem Glas entworfen. Die historische Fassade wurde gesprengt und ersetzt.
Als der Neubau fertig ist, loben die Erbauer ihre schlichte und feierliche Theaterarchitektur – müssen sich allerdings harte Kritik gefallen lassen. Das Opernhaus wird am 22. April 1956 mit Beethovens
„Fidelio“feierlich eröffnet. Sofort hagelt es Verrisse aus dem ganzen Land. Die Bundesrepublik ist im Aufbruch, der Düsseldorfer Neubau wird von vielen als reaktionär und bieder empfunden. Der Rezensent in der Rheinischen Post wählt nach der Eröffnung eine diplomatische Formulierung, ist aber offenbar ebenfalls nicht überzeugt: „Dass das Haus für heute (und im Stile von gestern) gebaut worden ist, werden alle die bedauern, die um die Verpflichtung der Städte wissen, für die Zukunft zu bauen“, schreibt er. Einen stärker in die Zukunft gerichteten Entwurf wagen die Düsseldorfer rund ein Jahrzehnt später mit dem Schauspielhaus.
Während das Sprechtheater am Gustaf-Gründgens-Platz gerade aufwendig restauriert und modernisiert worden ist, stehen die Zeichen für den Erhalt der Oper schlecht. Der Bau ist so heruntergekommen, dass das Foyer mit Stützbalken gehalten werden muss. Eine große Sanierung wäre fällig. Lohnt sich das? Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) und die Opernleitung haben bereits signalisiert, dass sie einen Neubau bevorzugen würden. Denn auch die Sanierung würde mit hunderten Millionen Euro zu Buche schlagen und gilt wegen des Alters der Gemäuer als mögliche Kostenfalle. Dazu kommt die Enge in dem historischen Bühnenhaus, dem zum Beispiel eine zweite Seitenbühne fehlt. Düsseldorfs Oper merkt man immer noch die Ursprünge aus dem 19. Jahrhundert an.
Angesichts von geschätzten Kosten von mehr als 600 Millionen Euro für einen Neubau – ausgerechnet in der Coronakrise! – ist die Entscheidung allerdings noch nicht gefallen. In diesem Jahr soll die Debatte mit großer Bürgerbeteiligung geführt werden. Große Träume hatten ja auch die Düsseldorfer vor 70 Jahren – man muss sie aber auch finanzieren können. Wer weiß, ob es am Ende doch wieder die kleine oder vermeintlich kleine Lösung wird.