Priorisierung aufheben – aber nicht sofort
Der Wind dreht sich: Im Juni erwartet Deutschland eine Flut an Impfstoff. Das ist eine gute Nachricht für das Land, das seit einem Jahr mehr schlecht als recht durch die Pandemie geführt wird. Sobald es genug Impfstoff gibt, können wir selbstverständlich auf Maßnahmen der Mangelverwaltung verzichten. Nichts anderes ist die Priorisierungsliste der Impfverordnung: ein Mittel zur Verteilung eines knappen Gutes, sodass als Erste die Menschen geschützt werden, denen ein schwerer Verlauf droht. Deshalb können wir die Priorisierung aktuell noch nicht aufheben, zumindest nicht was Biontech und Moderna betrifft. Sonst riskiert man, dass Millionen über 60-Jährige und chronisch Kranke, die noch artig auf einen Termin im Impfzentrum warten, auf der Strecke bleiben. Das wäre schlecht für sie und schlecht für die Intensivstationen. Aus gutem Grund legt die Verordnung auch fest, dass Lehrer, Busfahrer und Supermarktkassierer vor Mitarbeitern im Homeoffice geimpft werden. Gut, dass Gesundheitsminister Jens Spahn sich nicht treiben lässt und auf Juni setzt. Anders sieht es bei Astrazeneca aus: Der Impfstoff hat weiter ein Imageproblem, für das vor allem der Hersteller verantwortlich ist. Die Vorhersage sei gewagt: Sobald es genug andere Impfstoffe gibt, wird kaum einer mehr Astrazeneca wollen, auch wenn das Vakzin zuverlässig vor einer Infektion schützt und der Nutzen das Risiko überwiegt.
Klar: Wir können es uns nicht leisten, Dosen auf Halde zu legen. Wenn Länder garantieren, dass alle Älteren und Kranken rasch einen Termin (mit welchem Vakzin auch immer) erhalten, können sie die Priorisierung für Astrazeneca gerne sofort aufheben. Aber eben auch nur dann. Beim Kampf um den Impftermin muss der Schwächste, nicht der Cleverste zuerst zum Zuge kommen – in unser aller Interesse.
BERICHT ÄRZTE: ASTRAZENECA AB SOFORT FÜR ALLE, TITELSEITE