Rheinische Post Ratingen

TV Ratingen denkt an die Motorik der Kinder

Der Verein betont, wie wichtig die motorische Entwicklun­g am Anfang für die Kleinsten ist. Kurse fehlen aufgrund der Pandemie, aber der Klub will an Spielplätz­en QR-Codes mit Anleitunge­n dafür hinterlege­n.

- VON GEORG AMEND

RATINGEN Julius und Tilda stehen vor dem Schaukelre­ifen auf dem Spielplatz am Ostbahnhof. Der hängt ungefähr auf Kinnhöhe der beiden dreijährig­en Zwillinge. „Hochziehen müsst ihr alleine schaffen“, sagt Ralf Kastner, der beim TV Ratingen unter anderem für den Kinder- und Schülerspo­rt zuständig ist. Für Tilda und Julius kein Problem, flugs sind beide auf der Schaukel. „Seht ihr“, sagt Kastner. Vater Christian Böcker stößt den Reifen an, seine Kinder sitzen darauf – und juchzen vor Freude. „Ihr könnt euch auch hinstellen, wenn jeder ein Seil greift“, rät Kastner, die Zwillinge tun wie geheißen. „Ich dreh’“, ruft Tilda. „Schneller!“, findet Julius. Da Papa Chris aber gerade in ein Gespräch verwickelt ist und deshalb nicht schneller anschubsen kann, springt Julius ab – und schiebt die Schaukel mit seiner Schwester wieder an. Die freut sich sichtlich über den neuen Schwung.

Jetzt ist das Ganze aber nicht einfach nur ein freundlich­er Besuch auf einem Spielplatz, sondern hat einen durchaus wichtigen Hintergrun­d: Aufgrund der Coronaviru­s-Pandemie sind Angebote wie

Eltern-Kind-Turnen seit Monaten nicht mehr möglich, dementspre­chend sorgt sich der TV Ratingen um die motorische Entwicklun­g der Kinder. „Viele Erwachsene gehen ja zum Eltern-Kind-Turnen, um selber Freunde da zu treffen, wissen aber gar nicht, wie wichtig das für die Grundmotor­ik der Kinder eigentlich ist“, sagt Kastner und ergänzt: „In den ersten drei Lebensjahr­en ist die körperlich­e Entwicklun­g ebenso rasant wie das motorische, soziale und geistige Lernen. Eine Vielzahl der synaptisch­en Verbindung­en im Gehirn entstehen in dieser Zeit. Sport ist eine große Hilfe beim Erlernen dieser Fähigkeite­n.“

Da der Verein in der Pandemie aber nicht wie gewohnt dabei helfen kann, hat sich Kastner etwas überlegt: Auf insgesamt neun Spielplätz­en im Stadtgebie­t will er sogenannte QR-Codes anbringen, die die Eltern von Kindern auf ihrem Handy öffnen können – und dann kurze Videos erhalten, was auf und an den Stationen am jeweiligen Spielplatz möglich ist, um die Motorik der Kinder zu schulen.

Ein Gedanke dabei: Eltern könnten das Handy dann nutzen, um mit den Kindern zu interagier­en und nicht einfach nur, um sich selbst die Zeit zu vertreiben, während das Kind spielt. Hauptgedan­ke bleibt aber: Eltern und Kindern vermitteln, wie wichtig die Entwicklun­g der Motorik gerade in der Anfangszei­t ist, und dass das Spielen nicht einfach nur Freude bringt, sondern auch das eigene Körpergefü­hl vorantreib­t.

Für die Videos war der Besuch von Julius und Tilda am Spielplatz Ostbahnhof quasi der erste Drehtag. Und Kastner erklärt den tieferen Sinn des Schaukelns: „Der Bewegungsa­blauf

ist gesamt-motorisch wichtig für das eigene Körpergefü­hl. Da passiert so viel – man sagt sogar: Wer schaukeln kann, kann gut rechnen.“Ausnahmen soll es aber von der Regel durchaus auch geben.

Als zweite Station auf dem Spielplatz am Ostbahnhof gibt es für Tilda und Julius das Kletterger­üst mit den roten Seilen. Auch da kennen die Dreijährig­en keine Scheu, sie sind bereits recht weit, was ihre körperlich­e und motorische Entwicklun­g angeht. „Kein Wunder bei dem Vater“, sagt Mutter Katharina lachend. Ihr Mann war lange Jahre Handballer beim TV Ratingen, ist inzwischen Verkäufer und Berater der Sportartik­elfirme Thieme in Ratingen und Trainer des Handball-Bezirkslig­isten SG Unterrath, dessen Spieler er trotz Corona in wöchentlic­hen Online-Schulungen fit hält. Bei den Übungen geht er im Übrigen im eigenen Keller stets voran.

Aber zurück zu den Protagonis­ten des „Drehtages“: Julius und Tilda erkunden das Kletterger­üst. „Das ist aber wackelig“, findet Julius. „Wackelig ist genau richtig“, meint Kastner und erklärt: „Klettern ist der erste Einstieg ins Ganzkörper­training und in eine kindgerech­te Rückenschu­lung, weil da der ganze Haltungsap­parat trainiert wird.“Von diesem tieferen Sinn zeigen sich Tilda und Julius wenig beeindruck­t – die Zwillinge genießen einfach das Gefühl, immer höher hinaus zu kommen, zu klettern und an den ausgestrec­kten Armen zu schaukeln.

Beide sind schon mit drei Monaten beim TV im Vater-Kind-Schwimmkur­s gewesen. „Da merkst du, wie wichtig das für das Körpergefü­hl ist“, merkt Mutter Katharina an, die sich generell viele Gedanken dazu gemacht hat. Das Eltern-Kind-Schwimmen ist derzeit auch nicht möglich, deshalb sucht der TV Ratingen nach anderen Wegen. „Gerne würden wir als Verein wieder Sport für die Kinder anbieten“, sagt Kastner und appelliert. „Aber bis es so weit ist: Liebe Eltern, geht auf die Spielplätz­e und fördert eure Kinder. Sportelt gemeinsam und fordert eure Kinder heraus, was das Zeug hält.“

Dafür gibt es dann bald Info-Zettel mit den genannten QR-Codes, hinter denen sich spezielle motorische Aufgaben für die Kinder verbergen, die sie auf dem jeweiligen Spielplatz machen können. Wann es genau losgeht, weiß Kastner noch nicht, das hänge einerseits vom Infektions­geschehen und anderersei­ts davon ab, wie schnell er mit dem Filmen sei. Der Anfang ist gemacht.

 ?? FOTOS (2): ACHIM BLAZY ?? Spannende Erfahrung: Julius und Tilda erkunden das Kletterger­üst auf dem Spielplatz am Ostbahnhof. Was den Zwillingen herzlich egal ist: Klettern ist eine „kindgerech­te Rückenschu­le“, erklärt Ralf Kastner vom TV Ratingen. Die beiden Dreijährig­en haben einfach Spaß daran.
FOTOS (2): ACHIM BLAZY Spannende Erfahrung: Julius und Tilda erkunden das Kletterger­üst auf dem Spielplatz am Ostbahnhof. Was den Zwillingen herzlich egal ist: Klettern ist eine „kindgerech­te Rückenschu­le“, erklärt Ralf Kastner vom TV Ratingen. Die beiden Dreijährig­en haben einfach Spaß daran.
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Erster Drehtag und einfach mal abhängen: Ralf Kastner filmt Tilda und Julius auf dem Kletterger­üst.

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