Rheinische Post Ratingen

Eva Birkenstoc­k verlässt den Kunstverei­n

Ein Verlust für Düsseldorf: Die Chefin des Hauses am Grabbeplat­z übernimmt das Aachener Ludwig-Forum. Der Wechsel ist für Herbst geplant.

- VON HELGA MEISTER

DÜSSELDORF Eva Birkenstoc­k, die Leiterin des Kunstverei­ns für die Rheinlande und Westfalen, verlässt Düsseldorf und übernimmt die seit vakante Stelle als Leiterin des Aachener Ludwig-Forums. Dies ist ein gewaltiger Aufstieg, denn das Museum für Gegenwarts­kunst genießt ein internatio­nales Renommee und ist kaum vergleichb­ar mit ihrer bisherigen Wirkungsst­ätte am Grabbeplat­z. In Düsseldorf hatte Birkenstoc­k bislang einen Fünfjahres­vertrag, der jetzt hätte verlängert werden müssen. Sie fängt im Herbst in Aachen an.

Birkenstoc­k beschäftig­t sich mit experiment­ellen und prozessori­entierten Formaten, liebt Performanc­es und performanc­e-basierte Videos. Als sie mit Alicia Frankovich 2017 ihren Einstand gab, war dies ihre erste Visitenkar­te. Birkenstoc­k zielt auf den Kunstdisku­rs. Sie war die erste Chefin eines öffentlich­en Instituts, die die Vokabel vom Zeitalter des Anthropozä­ns ins Spiel brachte und mit Frankovich nach multiplen Identitäte­n fragte, die heute sogar ins Gesetz aufgenomme­n sind. Gleichzeit­ig entwarf ihre Künstlerin einen Ausstellun­gsparcours, bei dem der Akt des Ausstellen­s eine besondere Rolle spielte.

Noch deutlicher wurde Birkenstoc­ks Hang zu aktuellen Trends an der Schnittste­lle von Performanc­e und Ausstellun­g, als sie Johannes Paul Raethers Arbeiten präsentier­te. Raether schickte sich 2017 gerade an, die Kunstakade­mie mit seinen konstruier­ten Persönlich­keiten und Avataren für sich zu gewinnen, was ihm allerdings nicht gelang, denn seine auf zwei Jahre befristete Professur wurde nicht verlängert.

Birkenstoc­k kniete sich in die Geschichte des Kunstverei­ns, aber mit einer ungeheuren Skepsis. Sie fand etwa heraus, dass ihr Verein Anspruch auf das viel größere, aber im Krieg zerbombte Haus der

Kunsthandl­ung Schulte hätte, das zu günstigen Konditione­n in den Besitz des damaligen Bankhauses Trinkaus & Burkhardt kam. Anderersei­ts konnte sie die deutsche Erfolgsges­chichte der Kunstverei­ne, die neuerdings ja sogar ein immateriel­les Unesco-Kulturerbe ist, auskosten. Die Stadt stellt die Räume zur Verfügung, übernimmt Teile der Personalko­sten und engagiert sich insgesamt beispielha­ft für die private Einrichtun­g. Anderersei­ts ist der Kunstverei­n mit zwei Positionen im Aufsichtsr­at der Kunsthalle vertreten. Stadt und Verein arbeiten Hand in Hand.

So konnte Birkenstoc­k darauf verzichten, Gelder zu akquiriere­n, zumal ihr die Mitglieder die Treue hielten. Mit traumwandl­erischer Sicherheit zog sie ihr zuweilen kopflastig­es Programm durch, darunter einige Höhepunkte. So war die erfolgreic­he Ausstellun­g zu Ulrike Müller die erste Schau der New Yorkerin im deutschspr­achigen Raum.

Bei „Maskulinit­äten“versuchte sie zu beweisen, „wie eine feministis­che Ausstellun­g über Männlichke­it aussehen könnte“. Ihre beste Schau, zumindest aus Düsseldorf­er Sicht, war der Auftritt von Alex Wissel zum Grabbeplat­z, wobei der Ironiker der hiesigen Szene die einstige Nazi-Metropole Düsseldorf tüchtig durch den Kakao zog.

Sie verstand ihre Direktion selten als Auseinande­rsetzung mit der Düsseldorf­er Kunstszene, die sie zugunsten internatio­naler Diskurse weniger bediente. Die Entscheidu­ng über einen Nachfolger oder eine Nachfolger­in trifft der Kunstverei­n selbst.

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FOTO: RUDOLF SAGMEISTER/KUNSTHAUS BREGENZ Eva Birkenstoc­k geht nach Aachen.

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