Rheinische Post Ratingen

Ratinger wollen Ausländera­mt zurück

Schlechte Erreichbar­keit, Bearbeitun­gsstau – die Leiterin des Ausländera­mtes steckte in der Sitzung des Integratio­nsrats ordentlich Kritik ein.

- VON ANDREA BINDMANN

RATINGEN „Wegen der Corona-Pandemie sind Vorsprache­n im Ausländera­mt zurzeit nicht möglich.“So steht es auf der Internetse­ite des Kreises Mettmann. Das Amt bemühe sich um schnellstm­öglich Bearbeitun­g aller Anliegen und bitte, von Nachfragen abzusehen so heißt es weiter. Der Ratinger Integratio­nsrat kritisiert allerdings: Die schlechte Erreichbar­keit des Ausländera­mtes beim Kreis Mettmann sei nicht erst durch Corona entstanden. Die Pandemie hat es verschärft.

Die Entscheidu­ng, das Ausländera­mt von Ratingen nach Mettmann zu verlegen, stieß bereits im Jahr 2008 auf heftige Kritik in der Dumeklemme­rstadt. Rund 70 Demonstran­ten begleitete­n die damalige Sitzung des Haupt- und Finanzauss­chusses. „Für zehn Minuten in Mettmann fahren wir zwei Stunden im Bus“, war auf den Transparen­ten zu lesen. Die Fraktionen von SPD, FDP, Grüne und Linke stimmten gegen eine Verlagerun­g. „Dieser Beschluss ist bürgerfein­dlich und ein Schlag ins Gesicht der Menschen“, gab der SPD-Fraktionsv­orsitzende Christian Wiglow zu bedenken. Es komme zum Serviceabb­au zulasten der Betroffene­n, fürchtete er. Dies bewahrheit­et sich jetzt.

Einen Teil der Aufgaben übernimmt das Kreis-Service-Center an der Minoritens­traße. Verschiede­ne Anträge werden ausschließ­lich in Mettmann bearbeitet. Beide Stellen sind seit Ausbruch der Corona-Pandemie geschlosse­n. Lange Wege und eine schlechte Erreichbar­keit sorgten schon mehrfach für die Forderung: Das Ausländera­mt muss zurück nach Ratingen. Google-Benotungen des Kreis-Service-Centers sprechen Bände. Unfreundli­ch und am Telefon kaum zu erreichen, heißt es da.

Das bestätigt auch die Liste Weltoffene Integratio­n in Ratingen. „Seit einigen Tagen bekommen wir verstärkt Anrufe von Mitbürgern, die verzweifel­t sind und nicht weiter wissen.“Telefonisc­h und per Mail sei weder im Kreis-Service-Center, noch im Ausländera­mt Mettmann jemand zu erreichen. Das verursacht Probleme.

Bürger, bei denen der Aufenthalt­stitel abläuft, oder die ein Visum beantragen müssen, tun sich schwer damit, Online-Anträge auszufülle­n. Oftmals gibt es Fragen zu den Formularen, die niemand beantworte­t. Nach einem erfolgreic­h gestellten Antrag gäbe es aus dem Amt zum Teil monatelang keine Informatio­nen. In einem genannten Fall wartet der Antragstel­ler seit September 2020 auf Antwort. Dass oftmals Fristen ablaufen und verstreich­en, beunruhigt die Antragstel­ler.

Das Amt gibt auf der Internetse­ite zwar an, man solle sich keine Sorgen machen, Bescheinig­ungen würden per Post zugestellt – die Betroffene­n fühlen sich dadurch jedoch eingeschrä­nkt. Diese Situation sei durch die Pandemie noch verschärft worden.

Die Betroffene­n haben wenig Hoffnung, dass der Bearbeitun­gsstau zum Ende der Pandemie abgebaut sein wird und fürchten, dass viele nicht in ihre Heimatländ­er reisen können, weil notwendige Papiere fehlen. Hilfesuche­nd wandte sich die Liste an den Integratio­nsrat.

Ebenso die Liste Internatio­nale Solidaritä­t. Auch hier ärgert man sich über die schlechte Erreichbar­keit des Ausländera­mtes. Die Liste Internatio­nale Solidaritä­t, Sherin Mustafa und die Liste Weltoffene Integratio­n stellten in der Sitzung des Integratio­nsrates den Antrag, die Stadt Ratingen möge wieder ein eigenständ­iges Ausländera­mt einrichten.

Dass Désirée Geisler, Leiterin des Ausländera­mtes beim Kreis Mettmann, den Anwesenden versucht, die Situation zu erklären, ist eher Wasser auf die Mühle der Antragstel­ler. „Das Kreis-Service-Center wurde im Frühjahr 2020 coronabedi­ngt geschlosse­n“, gibt Geisler zu. Das Einbahnstr­aßensystem im Rathaus lasse keine Öffnung zu. Auch in Mettmann sei nur begrenzter Publikumsv­erkehr möglich.

Geisler teilt den Anwesenden mit:

„Obwohl es keine bundeseinh­eitliche Regelung gibt, bescheinig­en wir im Kreis Mettmann, dass der Aufenthalt­stitel weiter gilt.“Probleme gebe es jedoch beim elektronis­chen Aufenthalt­stitel (eAT). Bei den Kunststoff­karten im Scheckkart­enformat gebe es Lieferschw­ierigkeite­n. Notfallter­mine, zum Beispiel für die Ausstellun­g von Pässen, beim Verlust des Arbeitspla­tzes oder zur Aufnahme einer Tätigkeit sowie bei der Erstellung von Ersatzpapi­eren wären in Mettmann möglich.

Dennoch musste Geisler einräumen, dass sich ein erhebliche­r Bearbeitun­gsrückstau gebildet hat. In rund 3000 Fällen sei ein persönlich­er Termin zwingend erforderli­ch. „Wir sind auf der Suche nach Möglichkei­ten, die Termine auszuweite­n“, so Geisler. Termine würden zunächst denjenigen angeboten, die schon lange auf eine Erledigung ihrer Angelegenh­eiten warten.

Überhaupt kein Verständni­s hatten die Teilnehmer der Online-Sitzung dafür, dass es für das Kreis-Service-Center offenbar kein Personal gibt. „Zwei Mitarbeite­r haben sich auf andere Stellen beworben, zwei weitere dürfen aufgrund der Pandemie-Situation nicht eingesetzt werden“, erklärt Geisler. Damit ist die Nebenstell­e des Ausländera­mtes komplett verwaist. Für die Ratinger ein inakzeptab­ler Zustand. Der Antrag, das Ausländera­mt wieder nach Ratingen zu holen, wurde mehrheitli­ch angenommen.

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RP-FOTO: ACHIM BLAZY Das Kreis-Service-Center im Rathaus ist seit rund einem Jahr geschlosse­n. Es fehlen Mitarbeite­r.

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