„Von den Masken kommen wir nicht weg“
Corona hatte die Altenheime schwer getroffen – und wird sie wohl für immer verändern, glaubt die Caritas.
DÜSSELDORF Nirgendwo hatte das Coronavirus so verheerende Folgen wie in Altenheimen. Caritas-Direktor Henric Peeters und Suada Murathodzic, Leiterin der Hausgemeinschaften St. Benediktus, über eine Krankheit, die das Zusammenleben und die Arbeit in den Einrichtungen wohl für immer verändert hat.
Zu Beginn der Pandemie haben alle auf die Seniorenheime geschaut, nun liegt der Blick auf den Jüngeren. Zu Recht?
HENRIC PEETERS Zunächst möchte ich betonen, dass wir uns freuen, nicht ständig im Fokus zu stehen, weil das für die Arbeit nicht immer förderlich ist. Nichtsdestotrotz sind die Bewohner von Altenheimen immer noch besonders gefährdet, insofern verdienen sie schon eine besondere Betrachtung. Durch die Impfungen ist insgesamt aber wieder ein wenig Normalität eingekehrt in die Einrichtungen und das ist auch gut so.
SUADA MURATHODZIC Das stimmt, die Impfkampagne hat deutlich zu einer Entspannung beigetragen. Es finden wieder Veranstaltungen statt, wir haben draußen ein Sommerfest gefeiert und im Haus sind wieder kleinere Aktivitäten wie Maltherapie möglich. Alles immer mit Mindestabstand und FFP2-Masken, daran hat sich nichts geändert.
Wie sind die Infektionen in Ihrem Haus verlaufen?
MURATHODZIC In der zweiten Welle hatten wir einen größeren Ausbruch, bei dem mehrere Bewohner gleichzeitig erkrankt und zwei Bewohner verstorben sind. Ein Mann starb, bei dem ich das nicht erwartet hatte. Er war unser jüngster Bewohner und eigentlich schon auf dem Weg der Besserung. Das war eine harte Zeit. Mit den Impfungen hat sich das geändert. Wir testen die Bewohner nach wie vor und hatten bis heute keinen positiven Fall mehr.
Schon Ende 2020 haben die Impfungen in den Altenheimen begonnen. Wie ist mittlerweile die Impfquote in den Häusern? MURATHODZIC Hier im Haus sind alle Bewohnerinnen und Bewohner geimpft, von den Mitarbeitenden 90 Prozent, also fast alle.
PEETERS Das ist flächendeckend bei der Caritas in Düsseldorf so. Es gibt ganz wenige Senioren, bei denen medizinische oder ideologische Gründe dagegensprechen. Bei den Mitarbeitenden ist das je nach Einrichtung unterschiedlich, da sind 90 Prozent schon sehr gut. Es hat viel mit Gruppendynamik unter den Beschäftigten zu tun.
Besorgt Sie das bei den steigenden Inzidenzen?
PEETERS Die Ungeimpften bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit, darum freue ich mich über jede Person, die sich noch impfen lässt. Das macht auch die Arbeitsabläufe einfacher. Aber es gibt nach wie vor keine Impfpflicht und es steht den Beschäftigten natürlich frei, sich nicht impfen zu lassen. Damit müssen wir umgehen.
Ältere haben ein höheres Risiko für Impfdurchbrüche, also sich mit vollständigem Impfschutz zu infizieren. Ist das in Ihren Häusern ein
Thema?
PEETERS Impfdurchbrüche hatten wir im März in einer Einrichtung. Das ist durch Zufall aufgefallen, weil ein Bewohner im Krankenhaus routinemäßig positiv getestet wurde. Dann haben wir festgestellt, dass in dem Wohnbereich einige Bewohner und Beschäftigte ebenfalls infiziert waren, aber keine Symptome hatten. Das hat dazu geführt, dass wir noch mehr auf Hygiene achten, egal ob geimpft oder nicht. Seitdem hatten wir keine Fälle mehr.
Was denken Sie, wie lange werden diese Maßnahmen uns noch begleiten?
PEETERS Ich glaube, dass sich an den Maßnahmen nichts mehr ändern
wird. Man hat lange versucht, in Pflegeheimen große Normalität stattfinden zu lassen: möglichst alles wie zu Hause, möglichst wenig den Eindruck eines Krankenhauses erwecken, die Hygienemaßnahmen auf das Notwendigste herunterfahren. Da hat es einen Paradigmenwechsel gegeben. Wir legen ein besonderes Augenmerk auf Hygiene und Schutzausrüstung und das wird uns weiter begleiten. Es ist ärgerlich und für Pflegende auch anstrengend, aber von den Masken kommen wir nicht mehr weg und das wollen wir auch nicht. Es hat den netten Nebeneffekt, dass wir fast keine Fälle von Grippe und Norovirus mehr haben.
Sind diese Maßnahmen dann vielleicht sogar überfällig gewesen? PEETERS Nein, auch ein Altenheim ist nur ein Spiegel der Gesellschaft. Wir müssen insgesamt mehr darauf schauen, wie wir mit Krankheiten umgehen und mit Menschen, die besonders schutzwürdig sind.
Wie konkret sind die Planungen für Drittimpfungen in Seniorenheimen?
PEETERS Wir stecken in den Planungen, die Impfungen im September mit den Hausärzten durchzuführen – für alle Bewohner und Beschäftigte, deren letzte Impfung sechs Monate her ist. Es wird wieder mit Biontech geimpft. Die Hälfte unserer Häuser hat schon Termine, bei der anderen Hälfte sind wir gerade dabei. Das freut uns sehr, weil wir ein wenig Sorge um den Winter haben, wenn alle wieder auf engem Raum drinnen sind. Außerdem ist nicht bekannt, wie gut die ersten Impfungen
bei den Bewohnern angeschlagen haben. Darum ist die dritte Impfung jetzt genau das Richtige. MURATHODZIC Wir arbeiten hier wirklich hervorragend mit unseren Kooperationsärzten zusammen, die einen Großteil unserer Bewohnerinnen und Bewohner impfen. Wir haben die Angehörigen bereits informiert, Einverständniserklärungen eingeholt und Aufklärungsgespräche organisiert. Und es gibt genug Impfstoff, Gott sei Dank.
Schnelltests sind ab dem 11. Oktober nicht mehr kostenlos – eine Ausnahme sind Besucher in Altenheimen. Wie sieht es für Beschäftigte aus?
PEETERS Wir wollen auch unsere Beschäftigten weiter testen, weil es unerkannt Infizierte geben könnte. Darum werden wir auch die Testung der Mitarbeitenden auf eigene Kosten bis auf Weiteres fortsetzen. MURATHODZIC Das ist mittlerweile eine absolute Selbstverständlichkeit geworden. Die Mitarbeitenden testen sich alle drei Tage gegenseitig.
Was bleibt sonst zurück aus der Corona-Zeit – Negatives wie Positives? PEETERS Wir haben einen zentralen Einkauf und ein Lager mit 40.000 Masken eingerichtet, um für solche Fälle gerüstet zu sein. Es bleibt aber auch, dass wir es durch gemeinsame Anstrengung relativ gut durch diese Pandemie geschafft haben. Trotz all der schlimmen Dinge, die passiert sind, sind wir mit einem blauen Auge davongekommen – so sehr es mir auch um jeden Bewohner leidtut, der erkrankt war oder gestorben ist. Es gab immer die Möglichkeit zur Begegnung oder Verabschiedung, ob im Garten, vorm Fenster, über Telefon oder Video. Wir haben die Menschen nicht im Stich gelassen, das ist uns wichtig.
An welchem Punkt müssten Sie die Lockerungen wieder zurücknehmen, weil die Situation es nicht anders loslässt?
PEETERS Es wäre dramatisch, wenn wir in unseren Häusern trotz der Maßnahmen wieder Infektionen und Erkrankungen feststellen würde. Das wäre ein Punkt, an dem wir wieder einschränken müssten. Aber das scheint im Augenblick nicht der Fall zu sein. Es ist dennoch erschreckend, wie hoch die Inzidenz aktuell ist. Die sagt zwar nicht mehr alles aus, aber ein bisschen Sorge macht uns das schon.