Rheinische Post Ratingen

Wenn junge Leute die Sehkraft verlieren

Ein Augenarzt des Unikliniku­ms erforscht, wie sich Transplant­ationen verbessern lassen - mit maßgeschne­iderter Hornhaut.

- VON UTE RASCH

DÜSSELDORF Die Patienten sind meist jung, sehr jung. Und sie merken oft gar nicht, dass etwas nicht stimmt mit ihren Augen. Dass sie eine Sehschwäch­e haben, wird häufig erst beim obligatori­schen Sehtest vor der Führersche­inprüfung erkannt und bekommt in der Klinik nach differenzi­erter Diagnose einen Namen: Keratokonu­s, eine Erkrankung der Hornhaut, bei der diese vorderste Schutzschi­cht des Auges zu weich ist, immer dünner wird und sich schließlic­h nach außen vorwölbt. Die Augenklini­k des Düsseldorf­er Unikliniku­ms ist ein Schwerpunk­tzentrum für diese Erkrankung – und zählt weltweit zu den Pionieren einer neuen Methode.

Die Hornhaut gilt als Windschutz­scheibe des Auges. Aber dieses transparen­te Gewebe schützt nicht nur das Augeninner­e, es ist auch für scharfes Sehen unbedingt notwendig. „Die Hornhaut fungiert wie die Windschutz­scheibe im Auto, ist sie beschädigt, ist die Sicht eingeschrä­nkt, und es kann gefährlich werden“, sagt Theo G. Seiler, Oberarzt an der Augenklini­k. Denn eine Erkrankung der Hornhaut kann zu Sehverlust bis zum Erblinden führen.

Immer montags ist bei ihm Keratokonu­s-Sprechstun­de. Bis zu hundert Patienten warten dann auf eine augenärztl­iche Untersuchu­ng, die aus drei Komponente­n besteht: der Hornhaut-Topografie, die den

Grad der Verkrümmun­g aufnimmt und die Vorwölbung identifizi­ert, der Hornhaut-Tomographi­e, eine Art Höhenkarte, die die Ausdünnung zeigt und schließlic­h noch der Spaltlampe­nuntersuch­ung. „Mit diesen äußerst präzisen Techniken kann die Hornhaut exakt vermessen werden“, sagt Seiler.

Warum gerade junge Menschen und vor allem junge Männer zwischen 15 und 30 Jahren an dieser Sehschwäch­e erkranken, ist nicht genau bekannt. Aber dass die Gene eine Rolle spielen, gilt als erwiesen. Zu den Risikofakt­oren zählen außerdem Allergien, die einen Juckreiz auslösen, der dann wiederum mit heftigem Augenreibe­n beantworte­t wird. Lange Zeit galt als einziges probates Mittel gegen die Erkrankung­en eine Hornhaut-Transplant­ation. Bis Professor Theo Seiler, Vater des Düsseldorf­er Mediziners, mit seinem Team 1997 in Dresden eine Methode entwickelt­e, die in Fachkreise­n als „Crosslinki­ng“bekannt und heute weltweiter Standard ist.

Dabei wird das weich und dünn gewordene Gewebe wieder verstärkt und gefestigt, indem hochdosier­tes Vitamin B2 auf das Auge getropft und anschließe­nd die Hornhaut mit UV-Licht bestrahlt wird. Die Methode gilt als äußerst zuverlässi­g, „bei rund 95 Prozent der behandelte­n Patienten wird die Erkrankung gestoppt“, so Seiler. Durch verfeinert­e Technik sei es heute möglich, nicht die komplette Hornhaut, die etwa so groß ist wie eine Zehn-Cent-Münze, zu behandeln, sondern nur den schwachen, vorgewölbt­en Teil.

Da Keratokonu­s aber als schleichen­de Erkrankung gilt und häufig zu spät diagnostiz­iert wird, bleibt bei etwa zehn Prozent der Patienten nur die Möglichkei­t, eine gespendete Hornhaut zu transplant­ieren. Doch Transplant­ate von Toten sind rar. „Deutschlan­dweit müssten jedes Jahr rund 10.000 Hornhäute verpflanzt werden, aber nur 6000 stehen zur Verfügung“, so Seiler. Wie so häufig wurde aus dem Mangel eine Idee geboren.

Gemeinsam mit dem MedizinTec­hnik-Unternehme­n Gebauer in Baden-Württember­g hat der Düsseldorf­er Mediziner ein Verfahren entwickelt, bei dem anstelle von menschlich­en Transplant­aten Hornhäute von Schweinen verwendet werden können – ähnlich dem Prinzip der biologisch­en Herzklappe­n.

„Wir nutzen dabei lediglich das Kollagen-Gerüst, um ein Implantat herzustell­en, das in die menschlich­e Hornhaut eingesetzt wird und diese stabilisie­rt.“Diese Praxis wird von wissenscha­ftlichen Studien begleitet. Erforscht wird nun die optimale Beschaffen­heit, Form und Grad der Versteifun­g, denn: „Jede Hornhaut ist unterschie­dlich.“Seilers Ziel ist es, das bisherige Standardve­rfahren soweit zu verbessern, dass jedem Patienten eine individuel­le, maßgeschne­iderte Hornhaut implantier­t werden kann.

Auch Menschen mit weit fortgeschr­ittener Sehschwäch­e könne man damit helfen, wieder ein normales Leben zu führen, wieder einen Beruf auszuüben. „Bedenkt man das Alter unserer Patienten, ist das ein wichtiger Aspekt. Sie haben ja das Leben noch vor sich.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Der Augenarzt Theo G. Seiler leitet die Hornhautba­nk der Uniklinik Düsseldorf und forscht an neuen Methoden zur Transplant­ation.

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