„Wir suchen keine Kellner, sondern Gastgeber“
Seit mehr als 40 Jahren engagiert sich Walter Stemberg für die Ausbildung in der Gastronomie. Dafür ehrte ihn die IHK mit Gold.
Sie haben die Goldene Ehrenmedaille der IHK für mehr als 40 Jahre ehrenamtliche Tätigkeit im Prüfungsausschuss bekommen, davon 22 Jahre als Vorsitzender – Glückwunsch Herr Stemberg senior, trotzdem sucht ihr Haus gerade Auszubildende – wie kann das sein?
Walter Stemberg An angehenden Köchen haben wir momentan keinen Mangel. Aber ein, zwei Auszubildende für den Service, die sucht mein Sohn Sascha tatsächlich noch. Er führt das Haus seit mehr als fünf Jahren und gehört mittlerweile zu den 60 besten Köchen in Deutschland. Wir sind im ganzen Land bekannt – daran kann es nicht liegen. Aber es existieren viele Vorurteile über den Beruf der Restaurantfachkraft.
Lange Arbeitszeiten, wenig Geld, harte Chefs…
Stemberg Wenn das so wäre, wären wir in fünfter Generation nicht da, wo wir heute sind. Wir haben den jungen Leuten mittlerweile ein hochinteressantes Paket zu bieten. Wir im Haus Stemberg öffnen jeweils um 17.30 Uhr – wir haben also nicht mehr die extra langen Arbeitstage. Donnerstag und Freitag sind bei uns Ruhetage. Silvester ist frei. Wir beschäftigen 21 Mitarbeiter und sechs Aushilfen. Die sind während des Lockdowns alle voll bezahlt worden. Wer bei uns als Azubi anfängt, ist vom ersten Tag an voll mit dabei. Und hat anschließend die Chance auf tolle Arbeitsplätze in der ganzen Welt. Da unterstützen wir mit unseren Kontakten. Eine ehemalige Auszubildende arbeitet zurzeit in der Sansibar auf Sylt, weil wir sie dahin vermitteln konnten. Sie arbeitet da, wo andere Urlaub machen. Und der Verdienst stimmt auch.
Überredet, ich bewerbe mich. Worauf achten Sie im Vorstellungsgespräch?
Stemberg Ich achte darauf, dass jemand natürlich auftritt und sich gut ausdrücken kann. Alles andere lernt man schnell. Und am besten sieht man, ob jemand geeignet ist, wenn der Betreffende ein, zwei Praktikumstage absolviert und einfach mal mitarbeitet.
Das war jetzt anderthalb Jahre lang in der Pandemie nicht möglich…welchen Einfluss hat Corona auf die Gastronomie?
Stemberg Allein in Nordrhein-Westfalen sind 43.000 Mitarbeiter aus der Gastronomie abgewandert. Alle Wirte und Inhaber hatten und haben zu kämpfen. Wir auch. Aber unser Sohn hatte tolle Ideen. Wir haben unsere Menüs außer Haus geliefert und hatten sechs Mal einen Food Truck vor dem Haus stehen. Dadurch konnten wir neue Gäste für uns gewinnen.
Über Ihnen leuchtet ein MichelinStern und viele weitere Auszeichnungen – wie steif und vornehm geht es bei ihnen zu?
Stemberg Das lernen unsere jungen Servicekräfte vom ersten Tage an: Hier arbeitest Du mit tollen Menschen – nämlich unseren Gästen und mit ausgezeichneten Produkten. Bei uns bist Du kein Kellner, sondern Gastgeber. Und wenn sich Gäste wohl fühlen und noch dazu gut essen und trinken – dann wissen sie das zu schätzen.
Wenn dann aber doch mal jemand darunter ist, der, sagen wir, schwierig ist?
Stemberg Dann wird dieser Gast bei uns herzlich, schnell und kompetent bedient. Man muss lernen, auch mit solchen Menschen umzugehen. Es sind immer Führungskräfte im Gastraum, die dann unterstützen. Wenn man herzlich, offen und freundlich zu den Gästen ist, verzeihen sie einem auch einen Fehler.
Sie begleiten bei der IHK die Ausbildung
in der Gastronomie seit vier Jahrzehnten – was hat sich geändert?
Stemberg Bei uns gibt es keinen Drill mehr, kein Geschreie in der Küche – denn damit erreicht man gar nichts. Die Anforderungen sind hoch. Dann sitzen wir abends bei einem Feierabend-Bier nochmal zusammen, besprechen den Tag und stellen fest, was wir morgen besser machen können.
Sie waren bereits sehr früh ein Fernsehkoch. Wie beurteilen sie die Küchenshows, die aktuell laufen? Stemberg Ich habe immer versucht, Wissen um Produkte zu vermitteln und Tipps zu geben, so dass man die Rezepte nachkochen konnte. Das kommt mir heute oft zu kurz.
Aber die Zuschauerzahlen beweisen: Diese Shows treffen auf einen enormen Bedarf.
Merken Sie, dass ihre Gäste dadurch mehr wissen über die Speisen?
Stemberg Zu uns kommen Gästen aus einem Umkreis von 100 Kilometern. Sie nehmen sehr lange Anfahrtswege in Kauf. Auch weil sie wissen, dass unsere Koteletts von freilaufenden Wuppertaler Schweinen stammen. Unsere Steaks als Wülfrather Rinder auf der Wiese lebten – und von Tieren vom Niederrhein kommen. Zudem haben wir selbst einen großen Gemüse-, Obst- und Kräutergarten. Wenn die Zutaten stimmen, stimmt auch das Ergebnis.
Was muss den Gästen erklärt werden?
Stemberg Manchmal hören wir, dass Speisen nicht wirklich warm seien. Das liegt oft am Gericht. Ein Hummerschaum-Süppchen kann ich höchstens bei 75 Grad herstellen – bei Temperaturen darüber schäumt nichts. Ein gutes Stück Fleisch, das innen drin rosa sein soll, bekommt innen im Kern nicht mehr als 55 bis 60 Grad Hitze, ansonsten ist es im Nu durch. Das muss man ganz vereinzelt mal erklären.
Was wünschen Sie sich – aber auch der Vielzahl der zu Hause kochenden Menschen?
Stemberg Bitte achten Sie mehr auf die Qualität der Lebensmittel, und nicht bloß aufs Geld. Ja, ein Kotelett von einem Bio-Schwein ist teurer als eins vom Discounter. Letzteres verliert beim Braten aber auch 20, 30 Prozent Wasser und schrumpft in der Pfanne – dann ist der Preisunterschied auf dem Teller gar nicht mehr zu groß. Ich habe Butter durch Olivenöl ersetzt und so meinen Cholesterinwert deutlich senken können. Und man sollte vorsichtig mit Salz umgehen. Das, was uns als Tafelsalz verkauft wird, eignet sich zum Streuen bei glatten Straßen. Dieses Salz entzieht dem Körper Mineralien. Nehmen Sie stattdessen Meersalz, denn das enthält noch alle Mineralien. Und setzen Sie es sparsam ein. In Mittelmeerländern wird nur ein Fünftel der Salzmenge verbraucht, die wir in Deutschland einsetzen. Nicht zuletzt sind Zucker und Salz in viel zu großen Mengen in industriellen Fertiggerichten enthalten. Mal eine Pizza oder ein Döner zu essen, ist kein Problem. Aber wenn man sich nur noch davon ernährt, macht das krank.