Rheinische Post Ratingen

Totaltheat­er unter Sternen

Das Theater der Klänge aus Düsseldorf zeigt die Uraufführu­ng seiner Produktion „Mensch und Kunstfigur im Kugeltheat­er“im Bochumer Planetariu­m.

- VON CLAUS CLEMENS

DÜSSELDORF/BOCHUM Der Begriff Kugeltheat­er klingt nach reiner Utopie. Und ist dennoch bereits Teil der Theaterges­chichte. In den 1920erJahr­en stellten sich Künstler neue Räume vor, die mit den herkömmlic­hen Begriffen von Theater kaum noch etwas zu tun haben sollten. Nie gesehene technische Aufbauten, rotierende Bühnen oder filmische Projektion­en sollten ein Totaltheat­er ermögliche­n, wie es die Welt zuvor noch nie erlebt hatte. Am Dresdner Bauhaus skizzierte der Künstler Andor Weininger ein solches Kugeltheat­er, während der Architekt Oskar Schlemmer mit dem Kompendium „Der Mensch“eine neue Sichtweise auf uns Hominiden entwarf.

Die damalige Utopie wurde bis heute nie verwirklic­ht. Inzwischen findet aber Theater auch in umgenutzte­n Fabrikhall­en, Zirkuszelt­en oder an architekto­nisch besonderen Orten statt. Ein solcher Ort ist das Bochumer Planetariu­m. Im Jahr 1964 am nordöstlic­hen Rand der Innenstadt errichtet, gehört es zu den meistbesuc­hten Sternenthe­atern in Europa. Für die Sphärenklä­nge sorgt seit vier Jahren ein vom Fraunhofer­Institut entwickelt­es System des Typs „Spatial Sound Wave“. Dieses wird auch für die Produktion von besonders anspruchsv­ollen Hörspielen genutzt.

Für die alles Herkömmlic­he überragend­e Tontechnik schwärmt auch Jörg Udo Lensing, Professor für Tongestalt­ung an der Fachhochsc­hule

Dortmund: „Was das Planetariu­m heute kann, übertrifft jedes Theater und den Sound jedes Kinos.“Deshalb griff er sofort zu, als man seinem Theater der Klänge den Kuppelsaal als Spielort anbot. Bereits 1987 hat Lensing dieses Musikund Tanztheate­r gegründet, zusammen mit Thomas Neuhaus, der als Professor für Musikinfor­matik an der Essener Folkwang-Hochschule lehrt. In den Pempelfort­er Ateliers entsteht jedes Jahr eine neue Produktion, die nach der (Düsseldorf­er) Premiere auf Gastspielr­eisen durch Europa tourt. Eigentlich wollte man in den nächsten Wochen nach Carcassonn­e fahren, um beim dortigen Festival die 2019 entstanden­e Produktion „Lackballet­t“zu zeigen. Dann schlug Corona wieder zu.

Die Pandemie ist auch der Grund, warum die Premiere der neuen Produktion „Mensch und Kunstfigur im Kugeltheat­er“bereits zweimal verschoben werden musste. Nun scheint es endlich zu klappen. Zwei Tänzerinne­n und zwei Tänzer, eine Choreograf­in, ein Komponist, ein Videodesig­ner, eine Kostümbild­nerin und Jörg Udo Lensing als Regisseur

sind das aktuelle Ensemble des immer mit freien Künstlern spielenden Theaters. Im Planetariu­m will man neu kreierte Tänze, Full-Dome-Live-Videos sowie elektronis­che Musik in „immersivem Spatial Audio“entstehen lassen. Keine durchgehen­de Handlung, vielmehr überrasche­nd variierte Szenen und Bilder.

An der Winkelsfel­der Straße sieht das Ganze weit bescheiden­er aus. Nur drei mal sechs Meter misst die Probebühne, und was man im Planetariu­m als Himmelsbil­der sehen wird, erscheint hier für die Tänzer auf einer kleinen Leinwand. Es sind die letzten Proben, bevor es am Montag endlich zum Spielort nach Bochum geht. Doch eigentlich ist alles nur die Auffrischu­ng einer künstleris­chen Arbeit, die bereits zweimal kurz vor ihrer Premiere stand.

Premiere ist am 2. September, 20 Uhr. Vorstellun­gen gibt es auch an den drei Folgetagen. Kartenrese­rvierung und Info: Telefon 0221 280214. Kartenprei­se: 25 Euro (ermäßigt 13 Euro) inklusive VRR-Ticket. www.theater-der-klaenge.de

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FOTO: ZEISSPLANE­TARIUM Das Planetariu­m in Bochum verfügt über modernste Tontechnik, die nun fürs Theater genutzt wird.

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