Ein Lob der herbstlich gefärbten Bäume
Konzert „Für dein Ego gibt es nichts Schöneres, als dich selbst im Radio zu hören. Aber der richtige Spaß passiert auf der Bühne.“Und den hatte Charlie Watts, von dem dieses Zitat stammt, fast sechs Jahrzehnte lang, auch wenn er stets stoischer wirkte als seine quirligen Kollegen von den Rolling Stones. Nun ist der Drummer im Alter von 80 Jahren gestorben, als Fan mag man es nicht glauben. Was etwas hilft: „Sticky Fingers Live at the Fonda Theatre 2015“in der Arte-Mediathek anschauen. 1971 erschien das legendäre Album der Band, getränkt mit Sex and Drugs and Rock and Roll. 2015 spielten es die Stones in Los Angeles zum ersten und einzigen Mal in voller Länge live. Immer wieder erinnern sich die Bandmitglieder in dem knapp anderthalbstündigen Mitschnitt zwischendurch an ihre grandiose Anfangszeit. bew
Ambient Die Musikplattform Bandcamp kann man gar nicht genug preisen. Künstler können dort ihre Musik zum Anhören und Downloaden einstellen. Sie können über ihre eigene Seite auch CDs, Schallplatten und T-Shirts verkaufen, und die Einnahmen sind höher und werden direkter an die Urheber ausgegeben als bei vielen anderen Musik-Streamingdiensten. Alle paar Wochen gibt es außerdem den „Bandcamp Friday“, dann gehen 100 Prozent der Einnahmen an den jeweiligen Künstler.
Was die Plattform außerdem so attraktiv macht, ist die Tatsache, dass es viel exklusives Material dort gibt. Auch arrivierte Musiker stellen Stücke ein, die man sonst nicht zu hören oder zu kaufen bekommt. Kevin Richard Martin etwa, dessen Seite ein Genuss ist. Mancher mag den britischen Künstler von seinem Projekt The Bug kennen. Unter diesem Namen produziert er verblasene und leicht unheimliche Musik, die sich im Dub bedient, dieser Spielart des Reggae mit den weiten Hallräumen. Zudem im Hip-Hop und Techno. Oder von King Midas Sound, einer Gruppe, die er mit dem Dichter Roger Robinson und
Essay In diesem Jahr hat Marion Poschmann den „Wortmeldungen“-Literaturpreis zugesprochen bekommen. Das ist eine junge Auszeichnung, und die prämierten Texte sind besonders interessant. Sie gehören zu einem Genre, das die Jury als „kritische Kurztexte“bezeichnet. Immer geht es dabei um die Welt, in der wir leben. Darum, wie sie wurde, was sie ist. Und wie man sich womöglich besser darin zurechtfindet. Jedenfalls: Wer Poschmanns Siegertext „Laubwerk“gelesen hat, wird im Herbst anders durch die Welt gehen, mit anderen Augen die Phänomene betrachten. Poschmann fragt, warum in Ostasien, Kanada und Amerika die Bewunderung für das spektakulär gefärbte Herbstlaub ein touristischer Faktor ist, hierzulande aber kaum jemanden auf die Straße lockt. Sie singt das Lob der rot und gelb sich vollendenden Blätter. Die Buchausgabe bietet zudem ein Interview mit der Autorin sowie die Laudatio. hols
Marion Poschmann:
Unterwasser-Musik aus London
der Künstlerin Kiki Hitomi gründete. Deren Platten sind so düstere wie poetische Dokumente aus dem London der Gegenwart.
Bei Bandcamp tritt Martin außerdem unter seinem bürgerlichen Namen auf. Er zeigt dort ein andere musikalische Seite, veröffentlichte einige Alben mit Ambient-Musik, und jedes ist ein Hit. Zuletzt erschien „Melting Point“, und das ist nun ein besonders feines Album. Es klingt, als erzähle es von einer Unterwasser-Welt. Die Atmosphäre ist warm, alles fließt wie in Zeitlupe. Das ist bei diesem mitunter zur Beliebigkeit neigenden Genre ja der größte Qualitätsausweis: Wenn er nämlich einen eigenen Kosmos schafft, in dem man sich gerne aufhält, aus dem man geradezu erwacht, wenn das Album zu Ende ist. Kevin Richard Martin, Bandcamp: Mehr muss man bei Google gar nicht eingeben. Philipp Holstein