Quarantäne nur für infizierte Schüler
Minister Laumann will die Regeln lockern, um den Unterricht zu sichern. Schüler ohne Infektionen sollen künftig nicht mehr in Quarantäne. Virologen und die Opposition warnen. Am Montag entscheiden Bund und Länder.
DÜSSELDORF Tausende Schüler in Nordrhein-Westfalen sind seit dem Ferienende in Quarantäne geschickt worden, weil einzelne Mitschüler an Corona erkrankten. Das soll sich nun ändern. „Wir müssen Fragen des Gesundheitsschutzes und das Recht auf Bildung besser in Einklang bringen“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Donnerstag im Landtag. Man sollte bald dazu übergehen, dass nur noch die infizierten Schüler für 14 Tage in Quarantäne gehen. „Das macht unser Testkonzept möglich.“Hierzu seien Bund und Länder mit dem Robert-Koch-Institut in intensiven Gesprächen. Am Montag wollen die Gesundheitsminister beraten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädiert für eine bundesweit einheitliche Regelung.
Aktuell gilt in NRW, dass bei einem Corona-Fall alle Schüler in Quarantäne gehen sollen, die vor, hinter, rechts oder links von dem
Infizierten gesessen haben. Die Realität sieht bisweilen anders aus. SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty kritisierte, im Land gebe es ein Quarantäne-Chaos. Manche Gesundheitsämter würden entgegen der Weisung der Schulministerin ganze Klassen nach Hause schicken. NRW sei ein Hotspot der Pandemie, das habe auch nichts mit dem vielen Testen zu tun.
NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sprach sich ebenfalls für eine Lockerung aus: „Ich würde es begrüßen, wenn der Bund mit den Gesundheitsministerien zu dem Ergebnis kommen würde, dass künftig nur noch infizierte Schüler in Quarantäne gehen müssen.“Zuletzt waren 30.018 Schüler in Quarantäne, bei 6561 wurde eine Corona-Infektion bestätigt, hieß es aus dem Schulministerium. Zugleich verweist es auf die hohe Impfquote unter Lehrkräften: „Eine anonymisierte, freiwillige Abfrage zum Impfstatus der Lehrerinnen und Lehrer hat ergeben, dass 87,5 Prozent vollständig geimpft sind.“
An den Lolli-Tests, die in Grundschulen als Pool-Tests eingesetzt werden, will Laumann hingegen festhalten. Hier dauert es manchmal Tage, bis klar ist, welches konkrete Kind aus einer Klasse infiziert ist, kritisieren Eltern.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nennt einen völligen Verzicht auf die Quarantäne von Kontaktschülern riskant: „Dies würde zu einer systematischen Durchseuchung der Kinder führen und auch viele Eltern treffen. Die Neuinfektionen würden dramatisch steigen“, sagte er unserer Redaktion. „Wenn die Gesundheitsminister unbedingt auf die Quarantäne verzichten wollen, müssten sie zumindest sicherstellen, dass die Kontakt-Schüler für fünf Tage nach dem Covidfall täglich per Schnelltest getestet werden. Besser wäre es, die Quarantäne in Kitas und Schulen einheitlich auf fünf Tage festzulegen, danach können sich Kinder freitesten.“Auch der Lehrerverband NRW hatte zuvor gefordert, dass Schüler nach vier bis fünf Tagen mit einem PCR-Test aus der Quarantäne entlassen werden können.
Die Virologin Melanie Brinkmann zeigte sich besorgt. „Man kann ziemlich genau ausrechnen, wie viele Kinder erkranken und hospitalisiert werden, wenn wir eine Durchseuchung stattfinden lassen“, hatte sie der „Zeit“gesagt. „Die Amerikaner haben das gerade in einem Report publiziert: Demnach kommen 0,1 bis 1,9 Prozent aller Kinder, die positiv getestet werden, ins Krankenhaus.“Von diesen Kindern würden bis zu drei Prozent sterben. Ihr Kollege Christian Drosten erwartet im Herbst wieder verschärfte Beschränkungen. „Damit rechne ich fest“, so Drosten im Deutschlandfunk. Er mahnte auch: „Mit dieser Impfquote können wir nicht in den Herbst gehen. Das reicht absolut nicht aus.“Erst bei 90 Prozent und mehr werde ein gesamtgesellschaftlich wünschenswerter Zustand erreicht. In NRW sind 63,6 Prozent der Bürger vollständig geimpft.
Die Vize-Fraktionschefin der Grünen in NRW, Josefine Paul, mahnte: Es sei die Verantwortung der Erwachsenen, durch ihre Impfung für mehr Normalität für Kinder zu sorgen. Zudem müsse es der Deutschen Bahn auch möglich sein, die 3G-Regel in Fernzügen durchzusetzen. Auch Laumann appellierte an die Erwachsenen, sich immunisieren zu lassen: „Dies ist eine Pandemie der Ungeimpften.“