Neue Erkenntnisse zum Hochwasser
Die Stadt will bei den Renaturierungsplänen den Hochwasserschutz verstärkt in den Blick nehmen.
STADTBEZIRK 8 In den vergangenen Wochen drehte sich bei Peter Frymuth und seinem Team von der Bezirksverwaltungsstelle 8 alles ums Hochwasser, das Mitte Juli große Schäden in Düsseldorf angerichtet hatte. Dutzenden Betroffenen hörte Frymuth zu und tauschte sich aus, weil „die Menschen große Sorgen haben“, sagt der Leiter der Bezirksverwaltungsstelle. Und auch für die Politiker im Stadtbezirk 8 gab es kaum ein anderes Gesprächsthema. Unzählige Fragen kamen auf, einige davon waren jetzt auch Thema in der Sitzung des Gremiums, zu der viele Betroffene erschienen. Neun Tagesordnungspunkte waren zusammengekommen, „uns war wichtig, dass sich die Bürgerinnen und Bürger informiert fühlen“, sagt Frymuth.
Worum geht es in den Anfragen konkret? Neben der Warnung bei extremen Wetterereignissen, die für die gesamte Stadt wichtig ist und in einer Sondersitzung am 9. September behandelt wird, geht es in den Anfragen der Politik im Stadtbezirk 8 vor allem um die Steuerung des Spaltwerks Höherhof, um die Verbesserung der Kanäle sowie Durchlässe in den Vierteln und um die Renaturierung von Düssel und Eselsbach. Vor allem beim Spaltwerk gab es von Hochwasser-Betroffenen einen schwerwiegenden Verdacht: Sie vermuteten, dass Überschwemmungen hätten verhindert werden können, wenn an der Konstruktion, wo sich der Fluss in nördliche und südliche Düssel teilt, der Schieber in Richtung Norden nicht geschlossen gewesen wäre. Dann hätte in ihren Augen das Wasser zumindest teilweise abfließen können. „Warum waren einzelne Lamellen geschlossen?“, fragt auch Christian Rütz von der CDU.
Wie funktioniert das Spaltwerk? Das Spaltwerk verteilt die Wasserströme aus der ungeteilten Düssel auf die beiden Arme der südlichen und nördlichen Düssel. „Die hierfür notwendige Einstellung der Schieber basiert auf langjährigen Erfahrungswerten
der Gewässerunterhaltung“, heißt es von der Stadt, die hinzufügt, dass das Spaltwerk grundsätzlich nicht dafür ausgelegt sei, die Wasserströme im Hochwasserfall zu steuern. „Eine hochwasserbezogene Anweisung der Schieberstellung gibt es demzufolge nicht“, steht in der Stellungnahme der Stadt geschrieben. Die Schieber seien zu keinem Zeitpunkt des Unwetters geschlossen gewesen. Die normale Einstellung liegt dann vor, wenn die Schieber unmittelbar unterhalb des oberen Betonrahmens gestellt sind. Dann könne die Düssel die beiden Schieber unterströmen, ohne von diesen beeinflusst zu werden. Diese Schieberstellung sei zu jedem Zeitpunkt vorhanden gewesen. Wenn die Schieber eine andere Position haben, dann werde das Spaltwerk gewartet, so wie jetzt nach dem Hochwasser.
Gibt es Möglichkeiten, Starkregen über die Kanäle zu regulieren? Ungeschehen machen kann man das Hochwasser nicht mehr, der Blick richtet sich nach vorne – im Mittelpunkt steht die Frage, wie in Zukunft Überflutungen verhindert werden können. CDU und Grüne im Stadtbezirk 8 wollen wissen, welche Auswirkungen der Starkregen und das Hochwasser bei der Überarbeitung oder dem Neubau von Kanälen, Regenrückhaltebecken und Regelklärbecken haben. Weil es sich bei solchen Projekten um Maßnahmen innerhalb des Abwassernetzes zur ordnungsgemäßen Ableitung und Reinigung von Niederschlagswasser handelt, gibt es hydraulische Berechnungen, über die die ordnungsgemäße Ableitung von Niederschlagswasser im Rahmen der gesetzlichen Anforderungen sichergestellt wird.
Bei den beiden Becken an der Krippstraße und der Heidelberger Straße handele es sich um Bauwerke der Kanalisation, „die eine Belastung der Gewässer durch Zwischenspeicherung und Reinigung von Regenwasser vor Einleitung reduzieren“, sagt die Verwaltung, die klarstellt, dass die Zulaufsammler und Becken an Krippstraße und Heidelberger Straße sowie der Kanalbau Groß Venn nicht vor Überflutung schützen sollen. „Sie dienen dem Schutz des Gewässers und des Entwässerungskomforts“, heißt es. Deshalb habe das Hochwasser Mitte Juli auch keine Auswirkungen auf die Dimensionierung solcher Kanäle und Becken.
Wie können die Menschen denn dann vor Hochwasser geschützt werden? Bei der Renaturierung von Düssel und Eselsbach soll der Hochwasserschutz nun eine wichtigere Rolle spielen. Zwar steht beim naturnahen Ausbau dieser Gewässer immer noch die Verbesserung des ökologischen Zustandes im Fokus, nach den Geschehnissen Mitte
Juli soll aber auch die Verbesserung des Hochwasserschutzes zumindest untersucht werden. Die Verwaltung spricht von einer „möglichen Schaffung zusätzlicher Retentionsbereiche“, also Flächen, die bei Hochwasser überschwemmt werden und den Flüssen den nötigen Raum zum Ausufern geben. So könne eine Verbesserung des Hochwasserschutzes als positiver Nebeneffekt erreicht werden.
Hat das Hochwasser Auswirkungen auf die Prioritätenliste bei der Renaturierung der Gewässer? Der Stadtentwässerungsbetrieb prüft, ob es eine Änderung bei der Priorisierung geben muss. Die Stadt wünscht sich eine Beschleunigung einzelner Schritte, oft hängen Planungsund Baumaßnahmen aber von der Verfügbarkeit externer Dienstleister ab, wie Ingenieurbüros, Bodengutachter, Statiker und Baufirmen. Auch die Plangenehmigungsverfahren beanspruchen Zeit, genauso wie die Vergabe solcher Aufträge, für die es strenge gesetzliche Richtlinien gibt. „Bereits vor dem Hochwasserereignis war eine überdurchschnittlich hohe Auslastung bei den externen Dienstleistern festzustellen“, sagt die Verwaltung, die davon ausgeht, dass wegen der Beseitigung der Hochwasserschäden noch einmal deutlich mehr Kapazitäten eingebunden sind.
Wann können Anwohner mit dem Start der Renaturierung des zweiten und dritten Düssel-Abschnitts rechnen? Im Frühjahr 2020 wurde der erste Bereich freigegeben. Anwohner haben berichtet, dass sich dort das Wasser nach dem Starkregen viel besser verteilen konnte. Deshalb ist gerade der Zeitplan für die nächsten Abschnitte so wichtig für die Menschen. Für den zweiten Bauabschnitt südliche Düssel wird das Vergaberecht über eine europaweite Ausschreibung kurzfristig veröffentlicht. Mit der Renaturierung des dritten Abschnitts wird, wie ursprünglich geplant, nach Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts begonnen.