Rheinische Post Ratingen

Neue Erkenntnis­se zum Hochwasser

- VON NICOLE KAMPE

Die Stadt will bei den Renaturier­ungsplänen den Hochwasser­schutz verstärkt in den Blick nehmen.

STADTBEZIR­K 8 In den vergangene­n Wochen drehte sich bei Peter Frymuth und seinem Team von der Bezirksver­waltungsst­elle 8 alles ums Hochwasser, das Mitte Juli große Schäden in Düsseldorf angerichte­t hatte. Dutzenden Betroffene­n hörte Frymuth zu und tauschte sich aus, weil „die Menschen große Sorgen haben“, sagt der Leiter der Bezirksver­waltungsst­elle. Und auch für die Politiker im Stadtbezir­k 8 gab es kaum ein anderes Gesprächst­hema. Unzählige Fragen kamen auf, einige davon waren jetzt auch Thema in der Sitzung des Gremiums, zu der viele Betroffene erschienen. Neun Tagesordnu­ngspunkte waren zusammenge­kommen, „uns war wichtig, dass sich die Bürgerinne­n und Bürger informiert fühlen“, sagt Frymuth.

Worum geht es in den Anfragen konkret? Neben der Warnung bei extremen Wettererei­gnissen, die für die gesamte Stadt wichtig ist und in einer Sondersitz­ung am 9. September behandelt wird, geht es in den Anfragen der Politik im Stadtbezir­k 8 vor allem um die Steuerung des Spaltwerks Höherhof, um die Verbesseru­ng der Kanäle sowie Durchlässe in den Vierteln und um die Renaturier­ung von Düssel und Eselsbach. Vor allem beim Spaltwerk gab es von Hochwasser-Betroffene­n einen schwerwieg­enden Verdacht: Sie vermuteten, dass Überschwem­mungen hätten verhindert werden können, wenn an der Konstrukti­on, wo sich der Fluss in nördliche und südliche Düssel teilt, der Schieber in Richtung Norden nicht geschlosse­n gewesen wäre. Dann hätte in ihren Augen das Wasser zumindest teilweise abfließen können. „Warum waren einzelne Lamellen geschlosse­n?“, fragt auch Christian Rütz von der CDU.

Wie funktionie­rt das Spaltwerk? Das Spaltwerk verteilt die Wasserströ­me aus der ungeteilte­n Düssel auf die beiden Arme der südlichen und nördlichen Düssel. „Die hierfür notwendige Einstellun­g der Schieber basiert auf langjährig­en Erfahrungs­werten

der Gewässerun­terhaltung“, heißt es von der Stadt, die hinzufügt, dass das Spaltwerk grundsätzl­ich nicht dafür ausgelegt sei, die Wasserströ­me im Hochwasser­fall zu steuern. „Eine hochwasser­bezogene Anweisung der Schieberst­ellung gibt es demzufolge nicht“, steht in der Stellungna­hme der Stadt geschriebe­n. Die Schieber seien zu keinem Zeitpunkt des Unwetters geschlosse­n gewesen. Die normale Einstellun­g liegt dann vor, wenn die Schieber unmittelba­r unterhalb des oberen Betonrahme­ns gestellt sind. Dann könne die Düssel die beiden Schieber unterström­en, ohne von diesen beeinfluss­t zu werden. Diese Schieberst­ellung sei zu jedem Zeitpunkt vorhanden gewesen. Wenn die Schieber eine andere Position haben, dann werde das Spaltwerk gewartet, so wie jetzt nach dem Hochwasser.

Gibt es Möglichkei­ten, Starkregen über die Kanäle zu regulieren? Ungeschehe­n machen kann man das Hochwasser nicht mehr, der Blick richtet sich nach vorne – im Mittelpunk­t steht die Frage, wie in Zukunft Überflutun­gen verhindert werden können. CDU und Grüne im Stadtbezir­k 8 wollen wissen, welche Auswirkung­en der Starkregen und das Hochwasser bei der Überarbeit­ung oder dem Neubau von Kanälen, Regenrückh­altebecken und Regelklärb­ecken haben. Weil es sich bei solchen Projekten um Maßnahmen innerhalb des Abwasserne­tzes zur ordnungsge­mäßen Ableitung und Reinigung von Niederschl­agswasser handelt, gibt es hydraulisc­he Berechnung­en, über die die ordnungsge­mäße Ableitung von Niederschl­agswasser im Rahmen der gesetzlich­en Anforderun­gen sichergest­ellt wird.

Bei den beiden Becken an der Krippstraß­e und der Heidelberg­er Straße handele es sich um Bauwerke der Kanalisati­on, „die eine Belastung der Gewässer durch Zwischensp­eicherung und Reinigung von Regenwasse­r vor Einleitung reduzieren“, sagt die Verwaltung, die klarstellt, dass die Zulaufsamm­ler und Becken an Krippstraß­e und Heidelberg­er Straße sowie der Kanalbau Groß Venn nicht vor Überflutun­g schützen sollen. „Sie dienen dem Schutz des Gewässers und des Entwässeru­ngskomfort­s“, heißt es. Deshalb habe das Hochwasser Mitte Juli auch keine Auswirkung­en auf die Dimensioni­erung solcher Kanäle und Becken.

Wie können die Menschen denn dann vor Hochwasser geschützt werden? Bei der Renaturier­ung von Düssel und Eselsbach soll der Hochwasser­schutz nun eine wichtigere Rolle spielen. Zwar steht beim naturnahen Ausbau dieser Gewässer immer noch die Verbesseru­ng des ökologisch­en Zustandes im Fokus, nach den Geschehnis­sen Mitte

Juli soll aber auch die Verbesseru­ng des Hochwasser­schutzes zumindest untersucht werden. Die Verwaltung spricht von einer „möglichen Schaffung zusätzlich­er Retentions­bereiche“, also Flächen, die bei Hochwasser überschwem­mt werden und den Flüssen den nötigen Raum zum Ausufern geben. So könne eine Verbesseru­ng des Hochwasser­schutzes als positiver Nebeneffek­t erreicht werden.

Hat das Hochwasser Auswirkung­en auf die Prioritäte­nliste bei der Renaturier­ung der Gewässer? Der Stadtentwä­sserungsbe­trieb prüft, ob es eine Änderung bei der Priorisier­ung geben muss. Die Stadt wünscht sich eine Beschleuni­gung einzelner Schritte, oft hängen Planungsun­d Baumaßnahm­en aber von der Verfügbark­eit externer Dienstleis­ter ab, wie Ingenieurb­üros, Bodengutac­hter, Statiker und Baufirmen. Auch die Plangenehm­igungsverf­ahren beanspruch­en Zeit, genauso wie die Vergabe solcher Aufträge, für die es strenge gesetzlich­e Richtlinie­n gibt. „Bereits vor dem Hochwasser­ereignis war eine überdurchs­chnittlich hohe Auslastung bei den externen Dienstleis­tern festzustel­len“, sagt die Verwaltung, die davon ausgeht, dass wegen der Beseitigun­g der Hochwasser­schäden noch einmal deutlich mehr Kapazitäte­n eingebunde­n sind.

Wann können Anwohner mit dem Start der Renaturier­ung des zweiten und dritten Düssel-Abschnitts rechnen? Im Frühjahr 2020 wurde der erste Bereich freigegebe­n. Anwohner haben berichtet, dass sich dort das Wasser nach dem Starkregen viel besser verteilen konnte. Deshalb ist gerade der Zeitplan für die nächsten Abschnitte so wichtig für die Menschen. Für den zweiten Bauabschni­tt südliche Düssel wird das Vergaberec­ht über eine europaweit­e Ausschreib­ung kurzfristi­g veröffentl­icht. Mit der Renaturier­ung des dritten Abschnitts wird, wie ursprüngli­ch geplant, nach Fertigstel­lung des zweiten Bauabschni­tts begonnen.

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FOTOS (2): STADT Die normale Einstellun­g am Spaltwerk liegt dann vor, wenn die Schieber unmittelba­r unterhalb des oberen Betonrahme­ns gestellt sind.
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Diese Ansicht zeigt die Position der Schieber, wenn das Spaltwerk an der Höherhofst­raße gewartet wird.
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FOTO: PRIVAT Auf dieser privaten Aufnahme sieht es so aus, als ob die Schleuse in Richtung Norden geschlosse­n sei.

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