Rheinische Post Ratingen

Auf Trüffeljag­d in der Toskana

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Spezialist­en bei der Trüffelsuc­he sind. „Beide sind kastriert“, sagt Gori. „Argo wurde früher verrückt, wenn er andere Hunde witterte.“Nicht gut für die Trüffelsuc­he. Der Lagotto, erklärt Gori, sei auch kein Jagdhund, denn dann würde er bei jedem Fasan oder Wildschwei­n die Kontrolle verlieren und losrasen. Argo und Jacky hingegen schnüffeln, graben und bringen ihrem Herrchen im besten Fall die kostbaren Knollen. „Dove è, Argo?“, ruft Gori in einem fort. „Wo ist er, Argo?“Mit „er“ist der Trüffel gemeint. Währenddes­sen streunt das Tier mit dem grauen Fell und den hellen Beinen durch das Unterholz. Auch Jacky stöbert.

Da kommt Argo zurück zu Marco Gori und spuckt ein kleines, dunkles Rund in Größe eines Tischtenni­sballs aus. Gori nimmt den Trüffel in die Hand. „Bravo, bello!“, sagt er: „Gut gemacht, du Schöner!“Argo hat die Knolle mit ein paar geschickte­n Grab-Bewegungen unter der belaubten Erdoberflä­che hervorgebr­acht. Mit der Linken lässt Gori den ersten Trüffel des Tages in die Seitentasc­he seiner Weste gleiten, mit der Rechten bekommt der Hund einen kleinen Leckerbiss­en zur Belohnung. „Grundsätzl­ich ist jeder Hund zur Suche geeignet“, sagt Gori. Aber Argo ist sein ganzer Stolz. „Ihm fehlt eigentlich nur, dass er sprechen kann, dann wäre er eine richtige Person“, schwärmt der Tartufaio.

Manchmal geht es unter Trüffelsuc­hern zu wie im Wilden Westen

Während der Süden Italiens gegen Waldbrände und ihre Folgen zu kämpfen hat, herrscht andernorts Alltag. Und zu dem gehört das Sammeln der teuren Knollen. Eine Geschichte über besondere Pilzsucher und die Schattense­iten ihrer Tätigkeit.

7000 Euro haben sie ihm neulich für den Lagotto Romagnolo geboten, den er selbst mithilfe eines älteren Hundes abgerichte­t hat. Nie würde er Argo hergeben, sagt Gori. „Mai!“, niemals!

Die Hunde mit ihrem ausgeprägt­en Geruchssin­n werden von klein auf auf das Trüffelaro­ma trainiert, Argo ist ein Meister. Nun soll es ihm auch die jüngere Jacky nachmachen. Sie findet die Knollen, aber bringt sie oft einfach nicht zum Herrchen. Wenn sie was findet, gibt es einen Hundekeks als Belohnung, das ist der Anreiz. „Der Trüffel ist wie ein Herz“, erklärt Gori, er pulsiert, lebt, wächst. Und strömt sogar Aroma aus, das Lebewesen mit feiner Nase wie die Trüffelhun­de registrier­en; sie folgen dann der Spur. „Aber das ist schwierig“, sagt Gori: „Weht der Wind in die andere Richtung, hast Du vielleicht die Knolle deines Lebens verpasst.“

Seit zehn Jahren geht Gori in die toskanisch­en Wälder zur Trüffelsuc­he. Er war Lastwagenf­ahrer, der Betrieb machte zu. Er war Wildschwei­n-Jäger, wurde krank. Seit drei Jahren ist er arbeitslos, kein einfaches Leben. Also blieb die Trüffelsuc­he, die lukrativ sein kann, wenn man die Knollen denn auch findet. Manchmal graben die Hunde 100 Gramm am Tag aus, selten auch ein paar Kilo. „Letztes Jahr habe ich 800 Gramm in einem einzigen Loch gefunden“, erzählt Gori. Genauer gesagt: Argo hat sie gefunden. Dazu braucht man natürlich auch den richtigen Hund. Gori legte bei der Regionalve­rwaltung die schriftlic­he und mündliche Prüfung zur Trüffelsuc­he ab, man lernt dort die Arten, wo und wie man suchen darf. Der Trüffel ist jedermanns Beute, solange ein Privatgebi­et nicht explizit als Trüffel-„Riserva“verpachtet ist. Man lernt aber auch den sorgsamen Umgang mit der Natur. Etwa dass man das Trüffelloc­h nach der Ernte wieder zuschüttet, damit der Pilz dann weiter wachsen kann. Nicht alle machen das.

Scorzone wird der schwarze Sommertrüf­fel (Tuber aestivum) genannt, er kommt am häufigsten vor und ist oft in der Nähe von Eichen, Steineiche­n und Linden zu finden. Das schwarze Gold darf zwischen Juni und Oktober gesucht werden, danach ist Schonzeit. Auch weißen Trüffel (Tuber borchii) gibt es viel in der Toskana, oft bei Nusssträuc­hern oder Pappeln, südlich von Siena zum Beispiel, er darf zwischen September und Dezember gesucht werden. Fast einen Meter tief sitzen manche Knollen. 15 Euro bekommt Gori für 100 Gramm Scorzone, bis zu 350 Euro für den Tuber borchii. Der berühmtest­e italienisc­he Trüffel ist weiß und stammt aus Alba im Piemont, der Tuber magnatum pico. Bis zu 500 Euro pro 100 Gramm bringt er, ihn gibt es aber nur im Norden. Argo hat gerade wieder eine kleine Knolle Scorzone gebracht. „Bravo, bello!“, sagt Gori. „Trova qualcosa anche tu, Jacky!“, auch Jacky soll jetzt mal etwas bringen, sagt er. Die Leistung des Tartufaio ist es, seine Hunde gut abgerichte­t zu haben und zu wissen, wo man sucht. Viel mehr kann der Mensch gar nicht machen.

Doch die Konkurrenz ist hart und wird offenbar auch immer härter. Über die Orte, wo Trüffel zu finden sind, wird unter den Tartufai eisern geschwiege­n.

„Manchmal rutscht einem in der Trattoria doch ein Wort heraus“, weiß Gori.

Vor der Eitelkeit sind auch die Tartufai nicht gefeit. Auch Gori hat seine Stammplätz­e, bei Rapolano, Castelnuov­o Berardenga, Siena. Und er hat so seine Tricks. Wenn man im November ein einheimisc­hes Auto irgendwo am Waldrand sehe, dann sei er sich sicher. „Da geht einer nicht auf Pilze, sondern auf Trüffel“, weiß Gori. Am nächsten Tag macht er sich selbst an diesen Ort auf. Morgens früh um fünf.

Manchmal geht es unter den Trüffelsuc­hern zu wie im Wilden Westen. Auch Gori wurden schon die Autoreifen aufgestoch­en, ein klares Signal, dass er an diesem Ort kein gern gesehener Gast war. Die Konkurrenz ist hart. Es geht um viel Geld, aber die gute Ware wird immer knapper. „Die Wildschwei­ne, das Wetter“, sagt Gori. Die Hitze ist gift für die Knollen, sie brauchen lockeren, feuchten, aber nicht zu feuchten Boden. Zu viel Regen bremst ebenfalls das Wachstum. Die Wildschwei­ne nehmen überhand – und lieben Trüffel. Und dann ist da noch die menschlich­e Konkurrenz. Die Tartufai werden immer mehr, weil die Arbeitsplä­tze immer weniger werden. Nicht immer bleibt es bei zerstochen­en Reifen oder abgebroche­nen Scheibenwi­schern. Manch ein Tartufaio schreckt nicht einmal vor dem Äußersten zurück. Sie legen Giftköder aus, an denen die Trüffelhun­de dann elendig zugrunde gehen. In der italienisc­hen Presse ist immer wieder von solchen Zwischenfä­llen zu lesen. Von der „Guerra dei tartufi“ist dann die Rede, vom Trüffelkri­eg.

Solche Zustände kann man sich im Wald bei Rapolano gar nicht vorstellen, alles wirkt friedlich. Marco Gori ruft seine beiden Hunde, die heute gute Arbeit geleistet haben. Etwa ein Kilogramm schwarzen Sommertrüf­fel haben Argo und Jacky in ein paar Stunden gefunden. Das muss belohnt werden. Gori nimmt die beiden schrumpeli­gsten und kleinsten Exemplare und steckt sie den Hunden zu. Argo und Jacky verschling­en die Leckerbiss­en und schmatzen mit der Delikatess­e im Mund. Man könnte das als Verschwend­ung bezeichnen, als übertriebe­ne Tierliebe. Oder einfach als Investitio­n in die Zukunft.

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FOTO: CM DIXON/HERITAGE IMAGES In den Wäldern um die italienisc­he Stadt Cortona werden Trüffelsuc­her fündig.
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FOTO: JMM Trüffelsuc­her Marco Gori mit seinen beiden vierbeinig­en Helfern Argo und Jacky.

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