„Eine Hochstraße allein reicht nicht“
Die ADFC-Frontfrau stellt Forderungen, sollte das Fahrradprojekt am Mörsenbroicher Ei umgesetzt werden.
DÜSSELDORF CDU-Bundestagskandidat Thomas Jarzombek stellte in der vergangenen Woche seine Idee von einem Hochstraßensystem für Radfahrer am Mörsenbroicher Ei vor. Die Hochstraße, in deren Mitte sich ein Kreisverkehr befindet, soll dazu beitragen, die Doppelkreuzung als Unfallschwerpunkt zu entschärfen, denn an dem unübersichtlichen Verkehrsknotenpunkt tut sich trotz mehrerer Initiativen für einen Umbau seit Jahren nichts. Lerke Tyra vom ADFC Düsseldorf findet Jarzombeks Idee gut, stellt aber auch Forderungen.
Frau Tyra, was haben Sie gedacht, als Sie zum ersten Mal die Visualisierungen mit einer Hochstraße am Mörsenbroicher Ei gesehen haben? LERKE TYRA Die Bilder sind sehr attraktiv, sehen toll aus. Es ist eine überraschende positive Vision, wie es am Mörsenbroicher Ei einmal aussehen könnte.
Warum überraschend?
TYRA Bisher hat die Stadt nicht mit innovativen Fahrradbauprojekten geglänzt, wie es zum Beispiel die Niederlande oder Kopenhagen vormachen. Dort wird zum Beispiel bei Fahrradbrücken darauf Wert gelegt, dass sie komfortabel, sicher und schön sind. Es soll auch Spaß machen, auf den Wegen zu fahren.
Im Gegensatz zum Mörsenbroicher Ei, wo es weniger attraktiv für Radfahrer ist.
TYRA Dort ist es fürchterlich für alle Verkehrsteilnehmenden, besonders natürlich für Fußgänger und Radfahrer. Sie bekommen die Abgase ab und wissen nicht, wie sie sicher die Straße überqueren sollen, dazu kommt der Lärm. Es ist ein Unfallschwerpunkt ersten Ranges. Aber weil es am Mörsenbroicher Ei so unattraktiv für alle Verkehrsteilnehmer ist, wäre eine Fahrrad-Hochstraße schon ein interessantes Projekt.
Kennen Sie solche Modelle bereits aus anderen Städten?
TYRA Ich bin in Eindhoven den „Hovenring“gefahren. Das ist ein hochgehängter Kreisverkehr, der 4,50 Meter breit ist und auf dem das Radfahren großen Spaß macht. Man kommt in luftige Höhe und hat einen schönen Blick, am Mörsenbroicher Ei erfüllt eine Hochstraße eher den Sicherheitsaspekt, weil es nicht gerade die schönste Umgebung ist.
Worauf muss geachtet werden, wenn die Visualisierungen wirklich umgesetzt werden sollen?
TYRA Die Bilder sehen erst einmal toll aus, aber die Tücke liegt im Detail. Wenn ich mit einer kleineren Tücke anfangen soll: Man braucht für eine Hochstraße auch lange Rampen mit sanften Steigungen, um komfortabel mit dem Rad ohne große Kraftanstrengung hochzufahren. Nicht jeder ist mit einem Pedelec unterwegs. Lange Rampen erfordern aber auch eine große Länge des Bauwerks, bei dem die Rampen weit über die Kreuzung herausragen.
Welche Breite sollte eine Hochstraße für Fahrräder haben?
TYRA Es ist von entscheidender Bedeutung, ob auch Fußgänger die Brücke nutzen. Vermutlich wird dies der Fall sein, weil eine Hochstraße immer attraktiv ist und Fußgänger
sich diese Möglichkeit nicht nehmen lassen werden – es ist einfach spannend, die Kreuzung auf diese Weise zu überqueren. Deshalb muss die Hochstraße eine ordentliche Breite von mindestens 4,50 Meter haben. 3,50 Meter sind kein gutes Angebot, wenn sich Fußgänger und Radfahrer die Brücke teilen sollen.
Was ist aus Ihrer Sicht die größte Tücke?
TYRA So sehr wir beim ADFC dafür sind, endlich einmal innovative Bauwerke fürs Rad umzusetzen, so fordern wir auch, dass sich unter der Hochstraße etwas ändert. Die Kreuzung am Mörsenbroicher Ei bleibt nach der jetzigen Idee unangetastet, mit gleichem Lärm und gleichen Emissionen. Es reicht nicht, eine Hochstraße zu bauen, auch die Kreuzung selbst muss umgestaltet werden. Sie so zu lassen, ist keine Alternative und ändert nichts am Verkehrsproblem. Aber ich weiß auch, dass es eine Riesenherausforderung ist, solch große Knotenpunkte zu entschärfen und umzubauen. Das Motto „Fahrt mal oben drüber und unten bleibt alles“ist allerdings keine Lösung. Nicht alle Menschen würden oben drübergehen oder -fahren, deshalb muss vor allem auch etwas für diejenigen unternommen werden, die nicht die Umwege über die Rampen in Kauf nehmen möchten oder können. Oder die einfach sicher und schnell die Haltestellen von Bus und Bahn erreichen wollen.
Wo könnten solche Hochstraßen noch in Düsseldorf entstehen?
TYRA Eine neue breite Hafenbrücke hinüber zum Paradiesstrand wäre nicht nur eine viel genutzte Lösung, sondern für Düsseldorf mehr als ein Prestigeobjekt. Sie könnte ein echter Gewinn für die Stadt sein, weil sie wegen ihrer Lage auch von Touristen wahrgenommen würde – und natürlich von Tausenden Einheimischen. Aus Sicherheitsaspekten wäre eine Fahrradbrücke auch an der Kreuzung Südring/Merowingerstraße eine Möglichkeit. Und am Kö-Bogen könnte man über eine innovative bauliche Lösung nachdenken, die Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr zu vermeiden hilft.
Werden mit Hochstraßen die Probleme für den Radverkehr gelöst? TYRA Nein. Wenn in Düsseldorf mehr Menschen das Fahrrad nutzen sollen – und das ist ja der Plan der Stadtregierung –, ist der Ausbau von sicheren durchgehenden Radachsen vorrangig, von Ost nach West und von Nord nach Süd. Sie sind noch wichtiger als Superbauwerke wie Hochstraßen, die spektakulär zu fahren sind, aber für den Gesamtradverkehr im Vergleich wenig bringen, dafür sehr teuer sind. Hier ist es nötig, Fördertöpfe anzuzapfen.
Die Kommunalwahl ist nun fast ein Jahr her. Wurde in dieser Zeit aus Sicht des ADFC genug für den Radverkehr getan?
TYRA Der Radweg an der Witzelstraße wurde in richtig gutem Standard gebaut, der Worringer Platz wurde endlich angefasst, an der Engstelle Joseph-Beuys-Ufer geht’s los, für Fahrradachsen gibt es erste Vorschläge – es tut sich etwas! Insgesamt muss das Umsetzungstempo aber viel schneller werden – bei allem Verständnis für die Dauer planerischer Prozesse. Wir brauchen auch Lösungen wie die Einrichtung von Fahrradstraßen. Wie will man sonst dem Klimaziel bis 2035 näherkommen? In Kopenhagen und den Niederlanden gibt es auch Widerstände und Kämpfe, aber dort geht die Politik seit den 70er-Jahren entschlossener vor. Ich hoffe, dass so eine Idee wie von Herrn Jarzombek kurz vor der Wahl nicht nur ein Schnellschuss war.