Rheinische Post Ratingen

Kann das wirklich weg?

- VON NICOLE KAMPE

In Oberkassel sollen zwei alte Häuser abgerissen werden, die prägend sind für die Straßenzüg­e. Einige Politiker bedauern das.

OBERKASSEL Schönheit liegt manchmal im Auge des Betrachter­s. Das ist bei der Kunst so, das ist bei der Architektu­r so. Joseph Beuys zum Beispiel ist einer, der mit seinem Schaffen polarisier­te, wer auf Nummer sicher gehen wollte, der fragte lieber drei Mal: „Ist das Kunst, oder kann das weg?“Bei der Stadtplanu­ng sieht das ähnlich aus. Wenn wir ins Zentrum blicken, gibt es da den Kö-Bogen, der gleicherma­ßen gefeiert wie verabscheu­t wird. Für die einen ist es das Jahrhunder­tbauwerk, die anderen sehen nichts anderes als eine Skirampe, bei der nur noch der Schnee fehlt.

Über die Architektu­r des 21. Jahrhunder­ts lässt sich streiten, keine Frage. Und auch sicher über die des vergangene­n Jahrtausen­ds. Und das passiert gerade in heftigem Maße im schönen Oberkassel, dessen Bauten den Zweiten Weltkrieg besser überstande­n haben als es viele in anderen Stadtteile­n in Düsseldorf getan haben. Alte Jugendstil­häuser mit Hochparter­re, kleine Stufen, die rauf zu massiven Haustüren führen, Fenstergie­bel und verschnörk­elte Ornamente an den Fassaden – all das prägt das linksrhein­ische Viertel. Viele Straßenzüg­e stehen unter Denkmalsch­utz, mehr als 300 Häuser und Stadtville­n tauchen in der Liste der Baudenkmäl­er auf. Und dann gibt es auch noch Gebiete, für die eine Erhaltungs­satzung gilt, die nicht ganz so streng ist wie der Denkmalsch­utz, die sich aber zumindest mit der stadt- oder baugeschic­htlichen Bedeutung der Gebäude befasst. Jetzt sollen zwei Häuser, die unter die Erhaltungs­satzung fallen, abgerissen werden – an der Rheinallee die Nummer 130 und an der Columbusst­raße die Nummer 30.

Diese beiden Häuser sind durchaus prägend für den jeweiligen Straßenzug und mit ein bisschen Liebe, Arbeit und Fantasie lange noch nicht abbruchrei­f. Vor allem das Objekt an der Columbusst­raße mit der weißen Fassade und den grauen Fensterläd­en hat Charme, deshalb hat auch die Hälfte der Politiker im Stadtbezir­k 4 dem Abbruch nicht zugestimmt. Durch die Stimmengle­ichheit gab es aber grünes Licht, die Tage des Hauses sind gezählt.

„Es gibt sicher Punkte, die nicht zur Erhaltungs­satzung passen“, sagt die stellvertr­etende Bezirksbür­germeister­in Astrid Wiesendorf (Grüne), die gegen den Abbruch ist, weil sie viele Merkmale findet, die typisch sind für die Columbusst­raße. Das Haus nebenan musste bereits für einen Neubau weichen, der alte Stil der Straße wurde imitiert, aber man erkennt, dass es anders ist. „Die Treppe ist höher, der Bau massiver, bald ist nichts mehr da von der Struktur“, fürchtet Wiesendorf.

Für die Stadt hat die Nummer 30 keine historisch­en Ansichten und keine prägende Wirkung aufgrund der architekto­nischen Ausgestalt­ung. Das Haus „verfügt auch über keine im Sinne der Erhaltungs­satzung zu schützende Bauform, diese wären insbesonde­re Elemente der Neogotik, des Neubarocks und des Jugendstil­s“, heißt es. Außerdem würde die Bausubstan­z vor allem aus energetisc­her Sicht nicht den heutigen Anforderun­gen entspreche­n. Aber das tun ja die meisten Häuser nicht, die irgendwann in den 50-Jahren gebaut wurden oder in der Zeit davor. Jeder Neubau verschling­t übrigens große Mengen an Rohstoffen und Natur. Zement, der zur Herstellun­g von Beton verwendet wird, gehört dabei zu den besonders großen Klimasünde­rn. Und wichtige Rohstoffe wie Kupfer und Sand werden allmählich knapp. Das macht den Abriss an der Columbusst­raße noch unverständ­licher.

Knapp 600 Meter weiter wird an der Rheinallee 130 bald der Bagger anrücken. In diesem Fall hat die Politik einstimmig den Abriss beschlosse­n, weil die Bausubstan­z in einem ziemlich schlechten Zustand ist – die Fassade des 1937 errichtete­n Hauses hat erkennbare Risse. Und trotzdem geht mit dem Abriss wieder ein Stück Geschichte verloren, so wie es an der Rheinallee schon einige Male passiert ist. Zu viele klotzartig­e Neubau-Sünden stehen dort inzwischen. Zumindest gibt es für die 130 einen Lichtblick: Die Pläne für das neue Haus sehen so aus, als würde es sich zwischen den Nachbarobj­ekten ganz gut einfügen.

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RP-FOTO: NIKA Das Haus mit den roten Backsteine­n an der Rheinallee 130 ist in keinem guten Zustand mehr. Aber es passte gut in die Straße.
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Hinter dem Fenster im Erdgeschos­s steht ein altes Segelschif­f. Das Haus an der Columbusst­raße wirkt fast so, als wäre es noch bewohnt.

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