Kann das wirklich weg?
In Oberkassel sollen zwei alte Häuser abgerissen werden, die prägend sind für die Straßenzüge. Einige Politiker bedauern das.
OBERKASSEL Schönheit liegt manchmal im Auge des Betrachters. Das ist bei der Kunst so, das ist bei der Architektur so. Joseph Beuys zum Beispiel ist einer, der mit seinem Schaffen polarisierte, wer auf Nummer sicher gehen wollte, der fragte lieber drei Mal: „Ist das Kunst, oder kann das weg?“Bei der Stadtplanung sieht das ähnlich aus. Wenn wir ins Zentrum blicken, gibt es da den Kö-Bogen, der gleichermaßen gefeiert wie verabscheut wird. Für die einen ist es das Jahrhundertbauwerk, die anderen sehen nichts anderes als eine Skirampe, bei der nur noch der Schnee fehlt.
Über die Architektur des 21. Jahrhunderts lässt sich streiten, keine Frage. Und auch sicher über die des vergangenen Jahrtausends. Und das passiert gerade in heftigem Maße im schönen Oberkassel, dessen Bauten den Zweiten Weltkrieg besser überstanden haben als es viele in anderen Stadtteilen in Düsseldorf getan haben. Alte Jugendstilhäuser mit Hochparterre, kleine Stufen, die rauf zu massiven Haustüren führen, Fenstergiebel und verschnörkelte Ornamente an den Fassaden – all das prägt das linksrheinische Viertel. Viele Straßenzüge stehen unter Denkmalschutz, mehr als 300 Häuser und Stadtvillen tauchen in der Liste der Baudenkmäler auf. Und dann gibt es auch noch Gebiete, für die eine Erhaltungssatzung gilt, die nicht ganz so streng ist wie der Denkmalschutz, die sich aber zumindest mit der stadt- oder baugeschichtlichen Bedeutung der Gebäude befasst. Jetzt sollen zwei Häuser, die unter die Erhaltungssatzung fallen, abgerissen werden – an der Rheinallee die Nummer 130 und an der Columbusstraße die Nummer 30.
Diese beiden Häuser sind durchaus prägend für den jeweiligen Straßenzug und mit ein bisschen Liebe, Arbeit und Fantasie lange noch nicht abbruchreif. Vor allem das Objekt an der Columbusstraße mit der weißen Fassade und den grauen Fensterläden hat Charme, deshalb hat auch die Hälfte der Politiker im Stadtbezirk 4 dem Abbruch nicht zugestimmt. Durch die Stimmengleichheit gab es aber grünes Licht, die Tage des Hauses sind gezählt.
„Es gibt sicher Punkte, die nicht zur Erhaltungssatzung passen“, sagt die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin Astrid Wiesendorf (Grüne), die gegen den Abbruch ist, weil sie viele Merkmale findet, die typisch sind für die Columbusstraße. Das Haus nebenan musste bereits für einen Neubau weichen, der alte Stil der Straße wurde imitiert, aber man erkennt, dass es anders ist. „Die Treppe ist höher, der Bau massiver, bald ist nichts mehr da von der Struktur“, fürchtet Wiesendorf.
Für die Stadt hat die Nummer 30 keine historischen Ansichten und keine prägende Wirkung aufgrund der architektonischen Ausgestaltung. Das Haus „verfügt auch über keine im Sinne der Erhaltungssatzung zu schützende Bauform, diese wären insbesondere Elemente der Neogotik, des Neubarocks und des Jugendstils“, heißt es. Außerdem würde die Bausubstanz vor allem aus energetischer Sicht nicht den heutigen Anforderungen entsprechen. Aber das tun ja die meisten Häuser nicht, die irgendwann in den 50-Jahren gebaut wurden oder in der Zeit davor. Jeder Neubau verschlingt übrigens große Mengen an Rohstoffen und Natur. Zement, der zur Herstellung von Beton verwendet wird, gehört dabei zu den besonders großen Klimasündern. Und wichtige Rohstoffe wie Kupfer und Sand werden allmählich knapp. Das macht den Abriss an der Columbusstraße noch unverständlicher.
Knapp 600 Meter weiter wird an der Rheinallee 130 bald der Bagger anrücken. In diesem Fall hat die Politik einstimmig den Abriss beschlossen, weil die Bausubstanz in einem ziemlich schlechten Zustand ist – die Fassade des 1937 errichteten Hauses hat erkennbare Risse. Und trotzdem geht mit dem Abriss wieder ein Stück Geschichte verloren, so wie es an der Rheinallee schon einige Male passiert ist. Zu viele klotzartige Neubau-Sünden stehen dort inzwischen. Zumindest gibt es für die 130 einen Lichtblick: Die Pläne für das neue Haus sehen so aus, als würde es sich zwischen den Nachbarobjekten ganz gut einfügen.