Die Tonhalle hofft auf 2G
Im Oktober will der Konzertsaal wie andere Häuser wieder mit Vollbesetzung spielen. Infektionsschutz soll oberste Priorität haben.
DÜSSELDORF Es wird Zeit, und es wird hoffentlich gut. Und einfach wird es nicht. Alles findet gleichsam im Auge von Delta statt, doch auch unter dem Schutzpanzer der Impfung. Da der sehr sicher, aber nicht gänzlich undurchdringlich ist, braucht es weiterhin noch andere Vorsichtsmaßnahmen.
Die Düsseldorfer Tonhalle wird wie andere Häuser noch in diesem Monat auf das vertraute Schachbrett bei der Bestuhlung setzen, also auf eine reduzierte Zahl von Sitzplätzen. Vom Monat Oktober an herrscht Komplettbetrieb, jeder Sitzplatz darf verkauft werden. Die 3G-Regeln (geimpft, genesen, getestet) und eine Maskenpflicht bleiben kontinuierlich erhalten. 3G ist mit Unsicherheiten verbunden, und weil die Pandemie unter dem Diktat der Delta-Variante und einer mäßigen Impfquote eher nicht abflauen, sondern ansteigen wird, sehen alle eine 2G-Regel (nur geimpft und genesen) kommen. Angesichts der allenfalls suboptimalen Qualität der meisten Antigen-Schnelltests (die zu viele falsch-positive und auch falsch-negative Ergebnisse produzieren) ist das die einzige zuverlässige Zugangsmaßnahme.
Gewiss operieren Tonhalle und andere Häuser längst mit ausgeklügelten Lüftungssystemen. Doch Infektionen entstehen ja eher nicht, wenn Menschen schweigend in Sälen sitzen, sondern auf den Zugangswegen, an Türen, an Kassen, auf Toiletten. Wer in diesen Zeiten einen künstlerischen Spielbetrieb ohne Maskenpflicht betreiben will, muss ein erhöhtes Ansteckungsrisiko einkalkulieren.
Gewiss geben einige Kulturmanager die Rückmeldung ihres Publikums zu Protokoll, dass manche eine Maske für überflüssig halten, wenn sie bereits geimpft sind; bei Maskenpflicht würden sie gar nicht erst ein Ticket lösen. Auf der anderen Seite stehen Kulturfreunde, die sich ohne Maskenpflicht unwohl fühlen und dann lieber zu Hause bleiben. Welche die größere Gruppe ist, sei dahingestellt. Infektionsmedizinisch ist mit Maske deutlich klüger als ohne Maske. Das Düsseldorf Festival hat soeben mitgeteilt, dass es an allen Aufführungsorten außer des Theaterzeltes am Burgplatz eine Maskenpflicht anberaumt hat.
Wie läuft das anderswo? Bei den Salzburger Festspielen wollte man nur mit 3G auskommen; dann gab es einen Infektionsfall, und von jetzt auf gleich wurde die Maskenpflicht, die viele erhofft hatten, dann doch eingeführt. Allerdings zeigte sich etwa in der „Tosca“-Premiere, dass auf den teuren Plätzen die Maskenpflicht fast ausschließlich befolgt wurde, wogegen auf den (preiswerteren) Rangplätzen die Disziplin sofort nachließ, sobald das Saallicht ausging. Kontrolliert wurde beim Einlass sehr streng, doch hinter den Eingangstüren war das Personal auf manchen Augen erstaunlich blind. Etliche Opernfreunde spazierten durchs Haus und trugen die Maske auf Halbmast oder gar nicht. Ordner griffen nicht ein. Sollten FestspielGäste nicht verprellt werden?
Tonhallen-Intendant Michael Becker möchte seinen Gästen „ein absolut sicheres Konzertereignis“gönnen, deshalb seien die Mitarbeiter angewiesen, Säumige an die Maskenpflicht zu erinnern: „Die werden diesen Menschen dann auch auf die Schulter klopfen.“Die aus anderen Ländern bekannte drakonische Praxis, Maskenmuffel in einer Veranstaltung solange mit einem Laserpointer zu blenden, bis sie die Maske wieder aufsetzen, soll es aber in der Tonhalle nicht geben: „Wir setzen auf Vernunft und freundliche Hinweise.“
Auch Burkhard Glashoff, der die beliebten Heinersdorff-Konzerte in der Tonhalle verantwortet, stellt Sicherheit in den Vordergrund. Gewiss muss er als Manager auch an den Verkauf denken, trotzdem ist Glashoff das Wohl seiner Kunden das Wichtigste. „Die Maske wegzulassen ist nicht verantwortbar“, sagt er, „und 3G ist nicht zu 100 Prozent sicher.“Auch bei ihm spürt man die Sehnsucht nach 2G.
Die Musikfreunde, die in die Tonhalle oft auch aus dem Umland anreisen, können sich also auf einen Spielbetrieb freuen, bei dem wie in der Luftfahrt „Safety first“gilt. Vor allem ruht ihre Hoffnung auf einer Wiederbegegnung mit den großen Stars und den bedeutenden Werken.
Igor Levit ist „Artist in residence“, der Stargeiger Augustin Hadelich spielt das Sibelius-Violinkonzert. Kabarettist Christian Ehring setzt seine beliebte Serie fort. Die Sopranistin Olga Peretyatko, aufstrebender Stern am Sängerhimmel, gibt beim Schumannfest einen Soloabend. Das London Symphony Orchestra kommt mit Simon Rattle, daneben die Spitzenorchester aus Rom, Bamberg, Moskau oder Paris. Bei den Solisten sind die Geigerinnen Anne-Sophie Mutter und Julia Fischer, bei den Pianisten Daniil Trifonov; Grigory Sokolov und Jan Lisiecki die prominentesten Künstler. Und Tenor Jonas Kaufmann wird Weihnachtliches singen.
Das alles verspricht viel, kann aber nur funktionieren, wenn sich die Konzerte rentieren. Das geht allein über vollbesetzte Säle. Sollte ein neuerlicher Lockdown kommen, sieht es finster aus für diese Offenheit. Tonhallen-Intendant Becker kennt die Lösung: „Die Menschen müssen sich impfen lassen.“