70-Jährige wegen Untreue zu Bewährungsstrafe verurteilt
HEILIGENHAUS Auf der Anklagebank saß eine gebrochene Frau. Zwischendurch wischte sich die 70-Jährige die Tränen aus den Augen – wohlwissend, dass sie sich selbst in diese Lage gebracht hatte. Am Ende einer durchaus erfolgreichen Karriere als Buchhalterin eines ortsansässigen Unternehmens hatte sich die Heiligenhauserin insgesamt 273 Mal selbst Geld vom Firmenkonto auf Privatkonten überwiesen. So waren insgesamt 628.000 Euro zusammengekommen, mit denen die Angeklagte ihren Kaufrausch befriedigt haben soll.
Vom Amtsgericht war sie dafür zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden und in Berufung gegangen. Die Berufungsrichterin wandelte die Strafe nun in eine Bewährungsstrafe um – vor allem auch deshalb, weil sich die schwer depressive Frau zwischenzeitlich in therapeutische Behandlung begeben hatte.
Aus Sicht der Verteidigerin schwebt das Verfahren nun schon seit fünf Jahren über ihrer Mandantin, die sei damals inmitten schwieriger Lebensumstände in die Sache hineingerutscht. Als deren Ehemann irgendwann seine Arbeitsstelle verloren hatte, habe sie allein für den Lebensunterhalt sorgen müssen. Das habe sie als große Belastung empfunden – dazu sei ihr Mann dann auch noch so krank geworden, dass er zu 100 Prozent erwerbsunfähig gewesen sei. „Mich hat das alles runtergezogen, ich war sehr niedergeschlagen“, erinnert sich die Mutter zweier erwachsener Kinder.
Und dann habe sie angefangen, alles mögliche zu kaufen. Im Internet oder aus Katalogen bestellte Dinge habe sie irgendwann nicht mehr bezahlen können. Kleidungsstücke, Bügeleisen und Staubsauger: Wenn sie das oder anderes habe kaufen können, hätte sie sich gut gefühlt. Später seien ein Auto und ein Wohnmobil hinzugekommen, das sie mit Anzahlung erworben habe. Auch Urlaubsreisen in die Karibik oder nach Mexiko wurden davon bezahlt. Und drei Küchen, die sie von den veruntreuten Geldern gekauft habe.
Beim Überweisen des Geldes auf ihr Konto habe sie sich jedes Mal schlecht gefühlt – als sie jedoch später auf ihre eigenen Kontoauszüge geschaut habe, sei dieses Gefühl schnell wieder vorbei gewesen. Neuanschaffungen planen und realisieren zu können: Das sei ein gutes Gefühl gewesen. Ebenso schnell habe dann aber auch die Ernüchterung eingesetzt: „Wenn ich etwas hatte, habe ich das Interesse daran verloren“, ließ die Angeklagte die Berufungsrichterin wissen.
Die wiederum ließ sich erklären, wie die 68-Jährige es über Jahre hinweg vermocht hatte, eine solch große Summe von den Firmenkonten abzuzweigen. Deren Erklärung geriet kompliziert, nur soviel lässt sich dazu sagen: Fingierte Lieferantenrechnungen habe sie nur selten ausgestellt. Stattdessen habe sie deren Rechnungen zweimal bezahlt – zuerst auf ihr eigenes Konto und später nochmals auf das der Lieferanten.
Durch verzögerte Fälligkeiten und Buchungen auf Verrechnungskonten habe sie so eine hohe Summe offener Posten vor sich hergeschoben. Aufgefallen war der Betrug erst, nachdem sie – mittlerweile pensioniert – ihre eigene Kontonummer in den Stammdaten der Lieferanten nicht gelöscht hatte. Die neue Buchhalterin hatte so Überweisungen auf das Konto der Angeklagten überwiesen im Glauben, das komme bei den Lieferanten an. Die 68-Jährige leitete die Überweisungen von ihrem Privatkonto auf deren Konto weiter – und dort war man von den Abläufen irritiert.