„Innenstadt strategisch neu denken“
Tina Schmidt ist Branchenbeauftragte der IHK Düsseldorf für den südlichen Kreis Mettmann.
Was macht eine Branchenbeauftragte der Industrie- und Handelskammer (IHK) für den Kreis Mettmann?
Schmidt Als Branchenbeauftragte bin ich erste Ansprechpartnerin für unsere Unternehmen in Hilden, Haan, Langenfeld, Monheim am Rhein und Ratingen, außer der Dumeklemmer-Stadt also für den südlichen Teil des Kreises Mettmann. Den Nordkreis betreut mein Kollege Marcus Stimler, Leiter der IHKZweigstelle in Velbert.
Sie kümmern sich auch um die politische Interessenvertretung von Unternehmen. Braucht die Hildener Wirtschaft das?
Schmidt Die Kommunalwahl im letzten Jahr hat einmal mehr gezeigt, wie vielfältig die Themen sind, die eine Stadt bespielen muss. Dabei stehen wirtschaftliche Aspekte, die die Unternehmer betreffen, nicht immer ganz oben auf der Agenda. Hilden ist dicht bebaut, Flächen, sowohl für Gewerbe als auch für Wohnnutzungen, sind rar gesät. Dabei ist das Thema Bestandsentwicklung essenziell für einen guten Wirtschaftsstandort wie Hilden. Flächen sind wichtig, aber längst nicht das einzige Thema. Auch eine dynamische Verwaltung kann an der ein oder anderen Stelle helfen. Die Gewerbesteuer ist natürlich ein Klassiker, aber auch die Themen Nachhaltigkeit und Fachkräftebedarf beschäftigen die Unternehmen vor Ort. Interdisziplinäres Denken ist also nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch bei Politik und Verwaltung gefragt. Schön wäre es daher, nicht nur im Wirtschafts- und Wohnungsbauförderungsausschuss über wirtschaftliche Belange zu sprechen, sondern auch darüber hinaus.
Hilden gilt als Einkaufsstadt Nummer eins im Kreis. Sehen Sie das auch so?
Schmidt Hilden steht als Einkaufsstadt gut da, keine Frage. Die einschlägigen Kennzahlen, wie die Zentralität oder die Kaufkraftbindungsquote, geben dies zumindest wieder. Städtebaulich spielen die kompakte Lage und ein definiertes Hauptzentrum zusammen. Der gute Besatz auf der Mittelstraße sowie die hohe Aufenthaltsqualität sind das Ergebnis aus all diesen Faktoren. Das bedeutet viel Arbeit sowie einen engen und kontinuierlichen Austausch zwischen Einzelhändlern, Gastronomen, der Wirtschaftsförderung und dem Stadtmarketing.
Ein Teil der Politik ist unzufrieden mit der Arbeit der Stadtmarketing GmbH in Corona-Zeiten. Teilen Sie die Kritik?
Schmidt Klassisches Stadtmarketing war im letzten Jahr kaum möglich. Von verkaufsoffenen Sonntagen waren wir weit entfernt, Events in der Stadt untersagt. Noch immer sind wir in einer Ausnahmesituation, denn der stationäre Handel hat gelitten, vor allem in der Textilbranche. Die Kernfrage ist doch: Wie soll die Hildener Innenstadt in Zukunft aussehen und wie kommen wir zum Ziel? Die Entwicklungen im Handel einfach „passieren zu lassen“ist keine Option. Vielleicht kann man den Neustart nutzen, um die Innenstadt strategisch neu zu denken. Welcher Mietvertrag hat welche Laufzeit? Was treibt die Händler um? Wer möchte möglicherweise verkleinern? Solche Fragen könnten in naher Zukunft relevant werden für die Entwicklung der Innenstadt rund um die Mittelstraße. Die gleiche Flexibilität, die Händler und Gastronomen an den Tag legen müssen, ist natürlich auch im Stadtmarketing – und im Übrigen auch bei den Eigentümern – gefragt.
In Hilden – und in anderen Städten auch - setzt das Stadtmarketing immer noch auf verkaufsoffene Sonntage. Dabei kaufen viele doch im Internet ein. Sind Einkaufssonntage nicht ein überholtes Marketinginstrument
von gestern? Schmidt Wie gesagt, wir müssen neue Wege gehen. Eine Flexibilisierung des Ladenöffnungsgesetzes wünschen wir uns schon lange. Verkaufsoffene Sonntage dienen vorrangig der Präsentation einer Innenstadt als „Dritter Ort“. Neben Wohnen und Arbeiten kommt der Innenstadt eine bedeutende Rolle zu. Um als Familie diese Zeit zu nutzen, bleibt häufig nur das Wochenende. Einkaufssonntage sind heute allerdings nichts Besonderes mehr. Nur finden sie eben nicht in der Hildener Innenstadt statt, sondern auch online oder bei unseren niederländischen Nachbarn.
Der Kreis Mettmann ist 1975 als Notgemeinschaft entstanden, weil die kleineren Kommunen wie Hilden von den Großstädten eingemeindet werden sollten. Viele Hildener sind überzeugt: Der Stadt geht es nur deshalb so gut, weil sie selbstständig ist. Wie sehen Sie das Spannungsverhältnis von Großstadt (Düsseldorf ) und Kreis Mettmann?
Schmidt Der Kreis Mettmann tritt zu Recht selbstbewusst auf, denn verstecken muss er sich hinter der Landeshauptstadt nicht. Beide Kommunen zusammen ergeben eine hochspannende Region, in der sich Düsseldorf und der Kreis Mettmann ergänzen. Innerhalb des IHK-Bezirks gibt es natürlich unterschiedliche Schwerpunkte – als Standort des produzierenden Gewerbes, als Handelsstandort oder als touristisches Ausflugsziel.
Christoph Schmidt stellte die Fragen.