2G-Regel in NRW rückt jetzt doch näher
Acht Länder setzen auf Erleichterungen für Geimpfte und Genesene. Handwerk und Teile der Wirtschaft fordern das auch für NRW. Die Zahl der Infizierten nach einer Party in Münster steigt auf 81. NRW investiert in Beatmungsplätze.
DÜSSELDORF In Nordrhein-Westfalen infizieren sich täglich Tausende mit dem Coronavirus: Die Gesundheitsämter meldeten am Dienstag 2700 Neuinfektionen und 22 weitere Todesfälle. Die Sieben-Tage-Inzidenz ging zurück. Aber die Landesregierung ist wachsam und schließt nicht aus, dass auch NRW eine 2GRegel einführt. Andere Länder haben bereits Erleichterungen für Geimpfte oder Genesene vereinbart, um den Druck auf Ungeimpfte zu erhöhen. „In NRW stabilisieren sich derzeit die relevanten Indikatoren, allerdings auf einem nicht unkritischen Niveau. Nach allen Prognosen sind Nicht-Geimpfte im Herbst besonderen Gefährdungen ausgesetzt. Wenn wir dann die ‚Pandemie der Ungeimpften‘ bekommen, können für diese Personen neue Schutzmaßnahmen erforderlich werden“, erklärte eine Sprecherin von Minister Karl-Josef Laumann (CDU).
Die aktuelle Corona-Schutzverordnung gilt bis zum 8. Oktober.
Zwar könne derzeit nicht prognostiziert werden, ob es dann zu Verschärfungen oder Lockerungen komme, so die Sprecherin. Sie betonte aber, dass die Kommunen schon jetzt die Möglichkeit haben, eine 2G-Regel einzuführen: „Kreise und kreisfreie Städte können schon heute – in Rücksprache mit dem Ministerium – strengere Regeln als die der Corona-Schutzverordnung erlassen.“Maßgeblich sei, für welche Bereiche man die 2G-Regel anordnen wolle. Zudem dürfe sie nicht auf Kinder und Jugendliche angewendet werden. Das war zunächst in Berlin geplant, obwohl Kinder unter zwölf sich noch nicht impfen lassen können. Nach Protesten will das Land Berlin nun einlenken. „Auch haben private Veranstalter immer die Möglichkeit, den Zugang zu ihren Angeboten zu beschränken, etwa durch 2G“, so Laumanns Sprecherin.
Acht Länder haben bereits 2GRegeln erlassen, darunter Hessen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Hamburg hatte Gastronomen und Veranstaltern die Möglichkeit gegeben, nur noch Geimpfte und Genesene in Innenräume zu lassen, und im Gegenzug auf Tanzverbote und Platzbeschränkungen zu verzichten.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rät: „Das Hamburger 2G-Modell ist vorbildlich und könnte auch in NRW helfen. NRW aber schiebt die unpopuläre Entscheidung
bis nach der Bundestagswahl auf.“Ohne eine 2G-Regel wie in Hamburg laufe die Lage auf eine massive Durchseuchung insbesondere der Kinder hinaus, so Lauterbach weiter. Teile der Industrie und NRW-Handwerkspräsident Andreas Ehlert hatten sich schon vor Wochen bei einer Verschärfung der Lage für eine 2G-Regel stark gemacht. Auch der Handelsverband NRW kann sich für Kultur- und Freizeitveranstaltungen, wo ohnehin kontrolliert werden muss, eine 2G-Regel gut vorstellen.
Es gibt aber auch Kritiker: Der Virologe Hendrik Streeck sieht die Gefahr, dass es dann mehr unkontrollierte Ausbrüche im privaten Bereich gibt. Der Hotel- und Gaststättenverband NRW lehnt eine 2GRegel ebenfalls ab. Wasser auf die Mühlen der Kritiker scheint eine 2GParty in einem Club in Münster zu sein, an der 380 Gästen teilnahmen. Nun sind laut der Stadt 81 Gäste mit dem Coronavirus infiziert. Der Club habe sich an die Auflagen gehalten, so die Stadt. Nur Geimpften und Genesenen
sei Zutritt gewährt worden. Die Überprüfung der Impfnachweise läuft, bisher seien keine Verstöße festgestellt worden. „Die Betroffenen haben keine erkennbaren oder milde Symptome.“
Auch Lauterbach sieht im Fall Münster kein Argument gegen die 2G-Regel: „Wenn Geimpfte infiziert werden, sind sie weniger ansteckend. Sie haben mildere oder asymptomatische Verläufe – das zeigt auch der Fall in Münster.“Impfnachweise müssten natürlich kontrolliert werden, „aber Impfdurchbrüche können vorkommen“. Die Impfstoffe schützen vor schweren Verläufen, aber nicht zu 100 Prozent vor einer Infektion.
Um künftige Versorgungsengpässe zu vermeiden, will NRW bis zu 20 zusätzliche Plätze zur Behandlung an einer künstlichen Lunge (Ecmo) schaffen. Dazu soll jeder Platz mit 100.000 Euro bezuschusst werden, so Laumann am Mittwoch. Bislang sind im Land 206 solcher Ecmo-Plätze gemeldet.
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