Regierungsbilanz im Faktencheck
Der Unionskanzlerkandidat Armin Laschet wirbt im Wahlkampf mit seiner Arbeit als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen.
DÜSSELDORF Nordrhein-Westfalen ist für Unionskanzlerkandidat Armin Laschet die Blaupause für den Bund. Immer wieder betont er im Wahlkampf, wie geräuschlos er in NRW mit den Liberalen regiere, wie sehr die schwarz-gelbe Koalition das Land seit 2017 vorangebracht habe. Anlass genug für einen Faktencheck.
Der rot-grünen Vorgängerregierung hatte Laschet jahrelang vorgehalten, dass das Wirtschaftswachstum in NRW im Vergleich zum Bund unterdurchschnittlich ausfalle. Ein Blick in die Daten der Landesstatistik zeigt beim Vergleich der Regierungszeiten von Rot-Grün und Schwarz-Gelb einen leichten Vorteil für CDU und FDP: Im rot-grün regierten Zeitraum von 2012 bis einschließlich 2016 (im Mai 2017 übernahm Schwarz-Gelb) erzielte NRW dreimal ein genauso oder nahezu gleich hohes Bruttoinlandsprodukt pro Kopf wie der Bund, zweimal ein schlechteres. Unter Schwarz-Gelb schnitt NRW von 2017 bis 2020 zweimal besser ab als der Bund (2020 und 2018), einmal nahezu gleich und einmal schlechter.
Bildung Ein großes Thema im Landtagswahlkampf 2017 war die Bildungspolitik. Die damals oppositionelle CDU kritisierte insbesondere, dass NRW bei den Bildungsausgaben pro Schüler bundesweit Schlusslicht war. Daran allerdings hat sich wenig geändert. Mit 7200 Euro pro Kopf lag NRW laut Statistischem Bundesamt im Vor-Pandemie-Jahr 2019 noch immer auf dem letzten Platz. Zum Vergleich: Bayern gab pro Schüler durchschnittlich 9300 Euro aus, Baden-Württemberg lag mit 8200 Euro genau im Bundesschnitt. Schaut man sich die einzelnen Schularten an, gab Schwarz-Gelb im Ländervergleich für Grundschüler am wenigsten Geld aus, nicht aber für Schüler in Gymnasien und Gesamtschulen.
U3-Betreuung Auch beim Anteil der betreuten unter Dreijährigen in einer Einrichtung lag Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün bundesweit an letzter Stelle. Daran hat sich mit der Regierung
Laschet wenig geändert. Mit einer Betreuungsquote von 29,2 Prozent rangierte NRW per 1. März 2020 auf dem vorletzten Platz, nur knapp vor Bremen mit 29 Prozent. Der Bundesdurchschnitt beträgt 35 Prozent. Die Kennziffer ist von einiger Bedeutung, weil zu wenige Betreuungsplätze die Möglichkeit schmälern, dass beide Elternteile berufstätig sein können.
Kriminalität Die Zahl der Straftaten in NRW lag 2020 laut Polizeilicher Kriminalstatistik unter Schwarz-Gelb mit 1,2 Millionen Fällen auf einem historischen Tiefstand. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um ein Prozent. Damit verstetigte sich ein Trend, der sich schon unter Rot-Grün gezeigt hatte. So war die Gesamtzahl der Fälle 2016 auf 1,47 Millionen gesunken – ein Minus im Vergleich zum Vorjahr von 3,2 Prozent. Einen großen Erfolg kann die Regierung Laschet bei der Aufklärungsquote verbuchen: 2020 wurden 52,8 Prozent aller bekannt gewordenen Straftaten aufgeklärt. 2016, im letzten vollen Jahr der SPD-geführten Regierung
Kraft, waren es nur 50,7 Prozent.
Bau Unter Schwarz-Gelb ist die Zahl der erteilten Baugenehmigungen deutlich gestiegen. Betrachtet man jeweils das erste Halbjahr, so nahm sie von 2018 bis 2021 um rund 23 Prozent auf 30.628 zu. Trotzdem reicht das vor allem in den Metropolregionen längst nicht aus. Dort sind nicht nur Handwerker, sondern auch Bauland knapp. Eine der größten Herausforderungen bleibt der hohe, ungedeckte Bedarf an altersgerechten Wohnungen. Laut landeseigenem
Wohnungsgutachten fehlen Jahr für Jahr bis 2040 jeweils 10.600 Wohneinheiten
Verkehr Schon SPD-Verkehrsminister Michael Groschek hatte ein „Jahrzehnt der Baustellen“für die maroden Straßen des Landes ausgerufen. Unter seinem Nachfolger Hendrik Wüst (CDU) hat das Projekt Fahrt aufgenommen. Er lotste deutlich mehr Bundesmittel nach NRW: Diese stiegen gegenüber 2016 um 600 Millionen Euro für Landes- und Bundesfernstraßen. Das große Problem
bleiben die Planer. Mit der im Januar gestarteten Autobahn GmbH ist ein konkurrierender, besser zahlender Arbeitgeber auf dem Markt. Wo viel gebaut wird, steht man auch viel im Stau. Coronabedingt ging im vergangenen Jahr die Zahl der Staumeldungen laut ADAC um 36 Prozent auf 162.000 Meldungen zurück. Doch damit lag NRW weiter im Bundesvergleich auf dem traurigen Spitzenplatz. Ebenfalls durch Corona befeuert: der Trend zum (E-)Bike und damit der Bedarf für mehr Radwege. 580 Kilometer wurden unter der Koalition zusätzlich gebaut, die Ausgaben stiegen – Bundesmittel einberechnet – auf die Rekordsumme von 103 Millionen Euro im Jahr.
Umwelt Die jüngsten Daten zur Luftqualität sind zwar erfreulich. 2020 wurden erstmals an allen Messstellen die Grenzwerte eingehalten. Allerdings machen sich hier in erster Linie Homeoffice und Lockdown bemerkbar. Wie nachhaltig der Trend durch neue Mobilitätsformen ist, muss sich erst noch erweisen. Die Versiegelung von Flächen, die sich zuletzt beim Hochwasser als fatal erwiesen hatte, nahm unter SchwarzGelb im Rahmen der sogenannten Entfesselungspolitik zu: Laut aktuellsten Daten des Lanuv stieg sie von 6,3 Hektar im Jahr 2017 auf 8,1 Hektar pro Tag im Jahr 2019. Damit waren 23,7 Prozent der Landesflächen versiegelt. Zum Vergleich: In Niedersachsen sind es 6,5 Prozent – dabei war die Minimierung einst erklärter Wille bei Aushandlung des Koalitionsvertrags.
Pandemie Mit den Corona-Hotspots Heinsberg und Gütersloh lag NRW lange deutlich über den Corona-Zahlen im Bund. Zuletzt erreichte NRW mit einer Inzidenz von 65,2 nahezu das Bundesniveau. Beim Startschuss für die Impfkampagne legte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) den Fokus auf Senioren und Schwerkranke in Heimen und hielt für Lieferengpässe eine Reserve zurück. Das kostete im Vergleich zu anderen Ländern Tempo. Inzwischen liegt NRW mit 66,5 Prozent der vollständig Geimpften aber auf Platz fünf (Bund: 63,4 Prozent).