Ein brisanter Brief der Taliban
Die neuen Herrscher in Afghanistan wollen bei den Vereinten Nationen das Wort ergreifen.
NEW YORK Die Taliban zieht es in die Vereinten Nationen: Afghanistans radikalislamische Herrscher wollen bei der aktuellen Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York das Wort ergreifen. In Frage käme eine Videoschalte am letzten Tag der Generaldebatte am kommenden Montag. Afghanistan steht am Ende der UN-Liste der Redner.
Das Gesuch reichten die Taliban bei UN-Generalsekretär António Guterres ein. „Ja, sie haben einen Antrag am 20. September hinterlegt“, bestätigte UN-Sprecher Farhan Aziz Haq gegenüber dieser Redaktion.
Nachdem die militanten Islamisten im August die Macht in Afghanistan an sich gerissen haben, gehen sie nun also in die diplomatische Offensive. Ein Redebeitrag in der großen Aussprache der Weltorganisation wäre ein fulminanter Coup für die Taliban – und ein Türöffner für andere Organisationen und Länder.
Doch wird tatsächlich ein Taliban ins UN-Rampenlicht treten?
Die Chancen dafür stehen eher schlecht. Denn die neuen Herren in Kabul müssen mit starkem Gegenwind rechnen. Da ist zunächst der bisherige Botschafter der gestürzten afghanischen Regierung. Er will auf dem prestigeträchtigen Posten in New York bleiben und hat für Montag seine Rede angemeldet.
Formal muss ein UN-Ausschuss die rivalisierenden Ansinnen der Taliban und des bisherigen Botschafters begutachten. Ob sich die neun Mitglieder des UN-Komitees bis Anfang nächster Woche jedoch überhaupt treffen, ist fraglich. Eine Entscheidung kommt also möglicherweise nicht mehr rechtzeitig zustande. Das heikle Problem wäre dann vorerst aus der Welt geräumt, und der bisherige Botschafter könnte seine Rede halten.
Hochrangige Vertreter der UN scheuen sich jedoch nicht davor, den Taliban Besuche abzustatten. In diesen Tagen weilte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, und vor ihm der UN-Nothilfekoordinator, Martin Griffiths, in Kabul – wer den Menschen in dem zerrissenen Land helfen will, muss mit den Taliban reden.
Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat unterdessen vor Soldaten den fast 20 Jahre langen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gerechtfertigt. „Der Einsatz war richtig“, sagte Kramp-Karrenbauer. Zugleich müsse nach dem Ende dieses Einsatzes „offen und ehrlich“Bilanz gezogen werden, sagte die CDU-Politikerin bei einem Appell für Teilnehmer der Evakuierungsmission aus Kabul. An der Veranstaltung am Mittwoch in der Fallschirmjägerkaserne von Seedorf in Niedersachsen nahm auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teil.