Der Kampf gegen die Finanzkrise
Der Haushalt der Stadt ist aus den Fugen geraten. Es sind ungewohnt große Löcher, die sich jetzt auftun. Stadt und Politik müssen in den nächsten Wochen schwere Entscheidungen treffen – auch weil das in der Vergangenheit schon mal verpasst wurde.
DÜSSELDORF Der Stadt stehen finanziell so schwere Zeiten bevor wie lange nicht. Eine gewaltige Lücke klafft in den vor einer Woche vorgestellten Plänen für den Haushalt des nächsten Jahres. Faktisch übersteigen die Ausgaben die Einnahmen um 340 Millionen Euro. Rein kosmetisch können 200 Millionen Euro herausgerechnet werden, da eine Sonderregel für Coronakosten gilt. 70 Millionen Euro nimmt die Stadt zudem aus der Ausgleichsrücklage. Für weitere gut 70 Millionen Euro haben die Dezernate zwar Sparziele auferlegt bekommen, sie aber noch nicht erreicht. Hinzu kommt Ende nächsten Jahres ein Schuldenstand von wohl fast einer halben Milliarde Euro für Investitionen. Tendenz steigend.
Der Ausblick von Kämmerin Dorothée Schneider und Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) verdeutlichte den Ernst der Lage. Auf eine Milliarde Euro schätzen sie die von der Pandemie verursachten Kosten, die die Stadt Ende 2024 wohl von ihrem Eigenkapital von zurzeit noch mehr als sieben Milliarden Euro wird abziehen müssen. Immerhin besteht diese Möglichkeit.
Auch abseits der Coronafolgen schafft die Stadt keine Balance zwischen Ausgaben und Einnahmen. Die Ausgleichsrücklage wird wohl aufgezehrt, obwohl sie durch den Verkauf des Kanalnetzes erst vor wenigen Jahren gefüllt worden war.
Es kommt viel zusammen für die Stadt. Corona verursacht nicht nur mehr Ausgaben, es brechen zudem Ausschüttungen von Stadttöchtern wie Flughafen oder Messe sowie Gewerbesteuereinnahmen weg. So sehr diese die wirtschaftliche Stärke der Stadt ausgemacht haben, zeigt sich jetzt die besondere Abhängigkeit. Gleichzeitig steigt der Investitionsbedarf in der wachsenden Stadt, für die Verkehrswende, den Kitaausbau, die Schulen, den Klimaschutz.
So viel zur Ausgangslage. Doch was nun? Natürlich ist es ein wichtiger Schritt, dass Stadt und Politik noch mehr Hilfe von Bund und Land fordern. Die von einer Pandemie verursachten Probleme können nicht lokal gelöst werden, und sollten sie auch nicht. Tiefe Einschnitte in die Lebensbedingungen vor Ort wären der falsche Weg.
Dennoch trägt die Kommune eine Verantwortung, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen. Konsens ist bei Verwaltung und Politik, wichtige Investitionen nicht aufzuschieben.
Doch eine besonders unangenehme Hausaufgabe bleibt: „Es führt kein Weg am Sparen vorbei“, hatte der Oberbürgermeister gesagt. Und: Das werde spürbar werden. Hier tun sich Verwaltung und Politik bekannter Weise besonders schwer. Längst nicht nur, weil die Materie kompliziert ist. Sparen macht privat schon keinen Spaß, politisch ist es zudem extrem unpopulär, erst recht kommunal, wo Folgen besonders unmittelbar im Alltag spürbar werden. Dem politischen Gegner bietet sich
zudem eine meist gern genutzte Angriffsfläche.
Ablesen lässt sich das nicht zuletzt daran, dass selbst die Experten der Stadt in den Fachdezernaten bislang das von der Kämmerin vorgegebene Sparziel von 104 Millionen Euro jährlich nicht erreicht haben. Nicht mal ein Drittel haben sie erarbeitet. Die Politik hält sich sehr mit konkreten Vorschlägen zurück. Auf Nachfrage unserer Redaktion bei den vier größten Fraktionen im Stadtrat baten drei von ihnen noch um Geduld. Zunächst wolle man die Vorschläge der Stadt genau prüfen. Sicher verständlich, allerdings ist die generelle Schieflage längst bekannt. Lediglich die FDP wagte sich vor, was in der Opposition selbstverständlich leichter fällt. Fraktionschef Manfred Neuenhaus: „Wir teilen die Auffassung der Verwaltungsspitze nicht, weitere 1300 Stellen in der Stadtverwaltung zu besetzen. Dies würde den Haushalt derart belasten, dass die Kürzung von wichtigen Leistungen die unumgängliche Folge wäre.“Sicher, die Forderung nach einer schlanken Verwaltung seitens der FDP ist nicht neu. Von einem Sparkurs hält sie zudem nichts. Sie fordert, Liquidität ohne neue Kredite bei Banken zu beschaffen. Vielleicht ist eine Art neuer Kanaldeal tatsächlich das Ergebnis der kommen Beratungen. Aber würde das reichen?
Die Zweifel daran sind groß, bei anderen Parteien etwa. Der Verkauf von Tafelsilber (früher mal RWE-Aktien und Stadtwerke-Anteile), selbst wenn dadurch neu investiert wird, führt nicht dazu, Ausgaben und Einnahmen langfristig in Einklang zu bringen. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Es wird also kein Weg an der unangenehmen Aufgabe des Sparens vorbeiführen. Besondere Herausforderung für die Ratsmehrheit und Kooperation von SchwarzGrün: man wird sich politisch auf eine Linie einigen müssen.
Wie schwer das ist, hat übrigens vor vier Jahren eine parteiübergreifende Sparkommission gezeigt. Das Gremium war eingesetzt worden, nachdem es 2016 schon mal ein kräftiges Minus im Haushalt gegeben hatte. Sie erdachte letztlich den Verkauf des Kanalnetzes, kam aber sonst kaum zu Ergebnissen. Sie tagte letztlich nicht mehr, wohl vor allem, weil die Gewerbesteuer dann doch wieder kräftig sprudelte. Darauf wird man dieses Mal kaum hoffen dürfen.