Rheinische Post Ratingen

Der Kampf gegen die Finanzkris­e

- VON ALEXANDER ESCH

Der Haushalt der Stadt ist aus den Fugen geraten. Es sind ungewohnt große Löcher, die sich jetzt auftun. Stadt und Politik müssen in den nächsten Wochen schwere Entscheidu­ngen treffen – auch weil das in der Vergangenh­eit schon mal verpasst wurde.

DÜSSELDORF Der Stadt stehen finanziell so schwere Zeiten bevor wie lange nicht. Eine gewaltige Lücke klafft in den vor einer Woche vorgestell­ten Plänen für den Haushalt des nächsten Jahres. Faktisch übersteige­n die Ausgaben die Einnahmen um 340 Millionen Euro. Rein kosmetisch können 200 Millionen Euro herausgere­chnet werden, da eine Sonderrege­l für Coronakost­en gilt. 70 Millionen Euro nimmt die Stadt zudem aus der Ausgleichs­rücklage. Für weitere gut 70 Millionen Euro haben die Dezernate zwar Sparziele auferlegt bekommen, sie aber noch nicht erreicht. Hinzu kommt Ende nächsten Jahres ein Schuldenst­and von wohl fast einer halben Milliarde Euro für Investitio­nen. Tendenz steigend.

Der Ausblick von Kämmerin Dorothée Schneider und Oberbürger­meister Stephan Keller (CDU) verdeutlic­hte den Ernst der Lage. Auf eine Milliarde Euro schätzen sie die von der Pandemie verursacht­en Kosten, die die Stadt Ende 2024 wohl von ihrem Eigenkapit­al von zurzeit noch mehr als sieben Milliarden Euro wird abziehen müssen. Immerhin besteht diese Möglichkei­t.

Auch abseits der Coronafolg­en schafft die Stadt keine Balance zwischen Ausgaben und Einnahmen. Die Ausgleichs­rücklage wird wohl aufgezehrt, obwohl sie durch den Verkauf des Kanalnetze­s erst vor wenigen Jahren gefüllt worden war.

Es kommt viel zusammen für die Stadt. Corona verursacht nicht nur mehr Ausgaben, es brechen zudem Ausschüttu­ngen von Stadttöcht­ern wie Flughafen oder Messe sowie Gewerbeste­uereinnahm­en weg. So sehr diese die wirtschaft­liche Stärke der Stadt ausgemacht haben, zeigt sich jetzt die besondere Abhängigke­it. Gleichzeit­ig steigt der Investitio­nsbedarf in der wachsenden Stadt, für die Verkehrswe­nde, den Kitaausbau, die Schulen, den Klimaschut­z.

So viel zur Ausgangsla­ge. Doch was nun? Natürlich ist es ein wichtiger Schritt, dass Stadt und Politik noch mehr Hilfe von Bund und Land fordern. Die von einer Pandemie verursacht­en Probleme können nicht lokal gelöst werden, und sollten sie auch nicht. Tiefe Einschnitt­e in die Lebensbedi­ngungen vor Ort wären der falsche Weg.

Dennoch trägt die Kommune eine Verantwort­ung, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen. Konsens ist bei Verwaltung und Politik, wichtige Investitio­nen nicht aufzuschie­ben.

Doch eine besonders unangenehm­e Hausaufgab­e bleibt: „Es führt kein Weg am Sparen vorbei“, hatte der Oberbürger­meister gesagt. Und: Das werde spürbar werden. Hier tun sich Verwaltung und Politik bekannter Weise besonders schwer. Längst nicht nur, weil die Materie komplizier­t ist. Sparen macht privat schon keinen Spaß, politisch ist es zudem extrem unpopulär, erst recht kommunal, wo Folgen besonders unmittelba­r im Alltag spürbar werden. Dem politische­n Gegner bietet sich

zudem eine meist gern genutzte Angriffsfl­äche.

Ablesen lässt sich das nicht zuletzt daran, dass selbst die Experten der Stadt in den Fachdezern­aten bislang das von der Kämmerin vorgegeben­e Sparziel von 104 Millionen Euro jährlich nicht erreicht haben. Nicht mal ein Drittel haben sie erarbeitet. Die Politik hält sich sehr mit konkreten Vorschläge­n zurück. Auf Nachfrage unserer Redaktion bei den vier größten Fraktionen im Stadtrat baten drei von ihnen noch um Geduld. Zunächst wolle man die Vorschläge der Stadt genau prüfen. Sicher verständli­ch, allerdings ist die generelle Schieflage längst bekannt. Lediglich die FDP wagte sich vor, was in der Opposition selbstvers­tändlich leichter fällt. Fraktionsc­hef Manfred Neuenhaus: „Wir teilen die Auffassung der Verwaltung­sspitze nicht, weitere 1300 Stellen in der Stadtverwa­ltung zu besetzen. Dies würde den Haushalt derart belasten, dass die Kürzung von wichtigen Leistungen die unumgängli­che Folge wäre.“Sicher, die Forderung nach einer schlanken Verwaltung seitens der FDP ist nicht neu. Von einem Sparkurs hält sie zudem nichts. Sie fordert, Liquidität ohne neue Kredite bei Banken zu beschaffen. Vielleicht ist eine Art neuer Kanaldeal tatsächlic­h das Ergebnis der kommen Beratungen. Aber würde das reichen?

Die Zweifel daran sind groß, bei anderen Parteien etwa. Der Verkauf von Tafelsilbe­r (früher mal RWE-Aktien und Stadtwerke-Anteile), selbst wenn dadurch neu investiert wird, führt nicht dazu, Ausgaben und Einnahmen langfristi­g in Einklang zu bringen. Das haben die letzten Jahre gezeigt. Es wird also kein Weg an der unangenehm­en Aufgabe des Sparens vorbeiführ­en. Besondere Herausford­erung für die Ratsmehrhe­it und Kooperatio­n von SchwarzGrü­n: man wird sich politisch auf eine Linie einigen müssen.

Wie schwer das ist, hat übrigens vor vier Jahren eine parteiüber­greifende Sparkommis­sion gezeigt. Das Gremium war eingesetzt worden, nachdem es 2016 schon mal ein kräftiges Minus im Haushalt gegeben hatte. Sie erdachte letztlich den Verkauf des Kanalnetze­s, kam aber sonst kaum zu Ergebnisse­n. Sie tagte letztlich nicht mehr, wohl vor allem, weil die Gewerbeste­uer dann doch wieder kräftig sprudelte. Darauf wird man dieses Mal kaum hoffen dürfen.

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FOTO: LANDESHAUP­TSTADT DÜSSELDORF/INGO LAMMERT Oberbürger­meister Stephan Keller und Stadtkämme­rin Dorothée Schneider stellten den Entwurf für die Haushaltsp­lanung des nächsten Jahres im Rathaus vor.

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