Geistiger und körperlicher Kraftakt am Klavier
Pianist Pierre-Laurent Aimard huldigt Alfred Brendel.
DÜSSELDORF Der französische Pianist Pierre-Laurent Aimard machte den Auftakt zu einer fünfteiligen Hommage-Reihe zum 90. Geburtstag Alfred Brendels. Den Rahmen bilden die Düsseldorfer Konzerte des Klavierfestivals Ruhr im Robert-Schumann-Saal.
Aimard wählte ausschließlich Werke des 20. und 21. Jahrhunderts. Auf eine Verzahnung von Stücken der Komponisten György Kurtag (geb. 1926) und Mark Andre (geb. 1964) folgten zwei Exemplare aus dem „Catalogue d’oiseaux“Olivier Messiaens und vier Etüden von György Ligeti.
Für die Hörer war dieses Programm keine leichte Kost. Doch ungleich schwerer hatte es der Pianist mit dieser Abfolge sehr komplizierter Klavierwerke, die nicht nur teilweise hohe spieltechnische Hürden aufweisen, sondern vor allem melodisch, harmonisch und rhythmisch immense Kopfarbeit erfordern – einen geistigen Kraftakt. Aimard bewältigte das alles mit einer solchen Souveränität, dass man gar nicht umhinkam, sich vor solchem Können innerlich zu verneigen.
In Kurtags autobiografisch verwobenem Zyklus „Jatékok“schien Aimard so sehr zu Hause zu sein, dass er die etwas verschlossene Poesie dem Hörer öffnete. Die ausdrucksvolle Spielweise überreichte dem Hörer gewissermaßen einen Schlüssel
zur geheimen Romantik inmitten atonaler Harmonik, die nicht gerade unmittelbar zum Träumen einlädt. Was nun aber Aimard dazu bewog, Kurtag und Andre im Wechsel zu spielen und das Publikum zu bitten, dies nicht durch Applaus zu unterbrechen, muss einstweilen das Geheimnis des Pianisten bleiben. Denn Andres Hang zu Klangexperiment und Esoterik will nicht so ganz mit Kurtags Gefühlswelt harmonieren.
Für das letzte Drittel des ohne Pause konzipierten Klavierabends hob sich Aimard die beiden Klassiker des 20. Jahrhunderts auf: Messiaen und Ligeti. Messiaens klingender Vogel-Katalog ist religiös verwurzelt. Und so singen Kurzzehenlerche und Blaumerle wie in den Kuppeln einer französischen Kathedrale. Was Aimard hier an Farben, Lichtwechseln und Aggregatzuständen aus dem Flügel holte, war einfach zauberhaft. Beeindruckend gelangen auch die vertrackten Ligeti-Etüden, die Aimard zwar technisch perfekt, aber ohne grelle Virtuosen-Attitüde gestaltete.
Zum Schluss gab es zwei Zugaben, ganz kurze Stücke von Kurtag, darunter sogar eins als Uraufführung. Während des starken Beifalls kam Aimard hinunter in die Parkettreihen, um dort seinen Mentor und Freund Alfred Brendel, der im Publikum saß, herzlich zu umarmen.
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