Wo die Nacht zum Tag wird
David Wnendt liefert mit dem Film „The Sunlit Night“überraschend leichten Stoff.
(dpa) Kann die New Yorker Kunststudentin Frances in der Mitternachtssonne auf den einsamen Lofoten, wo es im Sommer nie dunkel wird, ihren Weg finden? Im witzigen und dramatischen Werk „The Sunlit Night“, seinem englischsprachigem Spielfilmdebüt, geht der deutsche Regisseur David Wnendt dieser Frage recht vergnüglich und völlig skandalfrei nach.
Von dem vielgelobten Macher des Sozialdramas „Kriegerin“und der Skandalverfilmung „Feuchtgebiete“ist man Härteres gewöhnt. Der gebürtige Gelsenkirchener schreckte auch mit der Hitler-Satire „Er ist wieder da“und dem brutalen Tatort-Krimi „Borowski und das dunkle Netz“die Zuschauer auf.
Nun tritt Wnendt mit viel Sonnenlicht und ohne Kontroversen eine verspielte, aber tiefsinnige Reise an den Rand des Polarkreises an. Protagonistin Frances hat guten Grund, aus New York zu flüchten. Gleich in den ersten Filmminuten geht dort alles schief. Ein abstraktes Gemälde der jungen Künstlerin wird von einem Gremium gnadenlos verrissen. Ihr Freund macht Schluss, das Praktikum in Tokio platzt. Und in der engen, elterlichen Wohnung, wo auch noch ihre Schwester lebt, herrscht Zoff. Die Eltern trennen sich, der Frust ist perfekt.
Da ist jeder Job recht. Auch als Assistentin eines verschrobenen Künstlers auf den kargen Lofoten, der jemanden braucht, um seine Scheunen-Installation gelb anzumalen. „Okay, das passt“, willigt Frances sofort ein. Mit der US-Komikern Jenny Slate hätte es Wnendt nicht besser treffen können. Sie spielt Frances, deren Leben völlig fehl läuft, mit einer herrlichen Unbekümmertheit. Nicht einmal der mürrische Maler Nils Auermann (Fridtjov Såheim) kann ihr mit seiner schroffen Art etwas anhaben.
Sie haust in einem Wohnwagen, samt Ziege, mit Blick über Meer und Berge. In dieser Umgebung trifft Frances auf schräge Charaktere. In einem Wikingerdorf für Touristen begegnet sie dem vollbärtigen Amerikaner Haldor (Zach Galifianakis), der seine Rolle als Wikinger bitterernst nimmt. Eine junge Verkäuferin in einem Lebensmittelladen, die Frances wie eine Schönheit aus einem Renaissance-Gemälde erscheint, wird zu ihrem Aktmodell.
Auch den stillen, traurigen Yasha, den Frances mit einem jungen
Mann aus einem berühmten Caravaggio-Gemälde vergleicht, hat es aus einem seltsamen Grund auf die Lofoten verschlagen. Die anbahnende Romanze nimmt aber ein überraschendes Ende.
Frances lässt sich mit Haut und Herz auf das arktische Abenteuer ein. Ihre Selbstfindung plätschert ziellos dahin, aber gerade diese kleinen Momente machen den Reiz von „The Sunlit Night“aus. Als Vorlage diente Wnendt der gleichnamige Debütroman der US-Autorin Rebecca Dinerstein Knight, die selbst über ein Jahr auf den Lofoten lebte. Für Frances endet die Erkundungsreise mit einem großen Eklat und dann doch noch mit einem Happy End. Die Kunstprofessoren sind beeindruckt. „Der Blick ist leicht und strahlend, sie wirkt so lebendig“, loben die Experten in New York eines ihrer neuen Aktbilder. „An welchem Ort war das?“, rätseln die Lehrer.