Rheinische Post Ratingen

Sieben Köpfe, viel Durcheinan­der

- VON MORITZ DÖBLER

Es ist fast so weit, am Sonntag wird gewählt. Das letzte TV-Duell der Spitzenkan­didaten ließ erahnen, wie es danach weitergeht. Vier Männer, drei Frauen, sieben Parteien – ein großes Durcheinan­der, von Idar-Oberstein bis China, von Mietendeck­el bis Schuldenbr­emse. Wenn die Umfragen nicht völlig falschlieg­en – was möglich ist –, läuft es auf so komplizier­te Sondierung­en und Koalitions­verhandlun­gen wie noch nie hinaus.

Ob Armin Laschet oder Olaf Scholz Kanzlerin Angela Merkel nach 16 Jahren ablöst, könnte an nur wenigen Stimmen hängen. Wenn überhaupt: Denkbar ist auch, dass die Nummer zwei ins Kanzleramt einzieht – denn am Ende zählt die Mehrheit im Bundestag, die eine künftige Koalition zustande bringt. Die Entscheidu­ng dürfte also vor allem bei Grünen, FDP und auch der Linken liegen. Einst konnte Gerhard Schröder seinen Juniorpart­ner Joschka Fischer darauf hinweisen, wer Koch und wer Kellner sei, aber in einer Dreier-Koalition haben Kellner – oder Kellnerinn­en – die Macht. Da hilft auch keine Richtlinie­nkompetenz.

So oder so werden ungefähr vier von fünf Wahlberech­tigten mit einem Kanzler leben müssen, dessen Partei sie nicht gewählt haben. Und die nächste Legislatur­periode wird für Kompromiss­e stehen. So absolut, wie die sich vier Männer und drei Frauen beim letzten Duell gaben, fällt das Regieren, egal in welcher Konstellat­ion, sicher nicht aus. Was das für die großen Aufgaben – Klimawande­l, Digitalisi­erung, Altersvers­orgung – bedeutet, muss sich zeigen. Ein Neuaufbruc­h nach der Ära Merkel ist nötig, das beschwört selbst ihre eigene Partei mit dem Drängen auf ein „Modernisie­rungsjahrz­ehnt“. Aber wie kann er gelingen? Das Durcheinan­der zeigt: Es dürfte weniger auf Programmat­ik als auf Zwischenme­nschliches, auf gegenseiti­ges Vertrauen ankommen – darauf, wer mit wem kann.

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